Öko? Logisch!

Öko-Anbau könnte zukünftig zum Standard werden. Nur der große Fleischhunger steht ihm bislang noch im Weg

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Der ideologisch scheinbar tiefe Graben zwischen ökologischem und intensivem Landbau wird in der Realität immer flacher. Komplett durchsetzen kann "Öko" sich allerdings nur, wenn wir alle weniger Fleisch essen.

Als die Urväter der ökologischen Landwirtschaft in den 40er-Jahren ihre Anbaumethoden entwickelten, dachten sie sehr bodenständig. Ihr Ziel war es, die Bodenqualität zu verbessern - ohne Dünger, Pestizide oder Herbizide. Zwischenzeitlich ist "Öko" zur Weltanschauung geworden, die Kluft zu High-Tech-Agrarmethoden erscheint schier unüberbrückbar. Doch selbst die Hardliner der Intensivwirtschaft scheinen sich allmählich mit der einen oder anderen Methode der Öko-Fraktion anzufreunden. In einem Themenschwerpunkt beackern mehrere Nature-Reporter in der aktuellen Ausgabe des Magazins das weite Feld des Öko-Anbaus.

Öko-Anbau spart Kosten

Die ökologische Landwirtschaft ist immer noch eine Nische, in der sich vermeintliche Idealisten plagen. Doch ohne großes Aufsehen scheint sich der Gegensatz zum konventionellen Anbau zu verringern, weil sich auch traditionelle Anbauer stärker mit den Folgen ihrer Anbaumethoden auseinandersetzen. Wenn vor 25 Jahren nur der Ertrag zählte, sind Landwirte heute offenbar zunehmend darauf bedacht, die Bodenstruktur intakt zu halten und die klassischen Instrumente Dünger, Herbizide und Pestizide zurückhaltender einzusetzen. Ein Zeichen für diesen Trend ist laut Nature-Reporter Ian Macilwain die Popularität der Minimalbodenbearbeitung ("minimum and low tillage"). Dabei wird die Bodenbearbeitung auf das Aufreißen der Pflanzreihen bzw. das Erstellen von Pflanzlöchern beschränkt und auch das Prinzip der Fruchtfolgen eingehalten, was die Bodenstruktur auf natürlichem Wege verbessert.

Zirka 70 Millionen Hektar Land werden derzeit auf diese Weise bearbeitet, das sind bereits 2 Prozent der globalen Anbaufläche. Brasilien, der Vorreiter in Südamerika, hat auf diese Weise einen dramatischen Rückgang der Bodenerosion erzielt. In Indien, wo man im Sommer Reis und im Winter Weizen anbaut, wird der Boden statt acht Mal nun nur noch einmal im Jahr bearbeitet, was den Treibstoffverbrauch um 70 Prozent gesenkt hat. Auch die Chemie-Industrie scheint mit der Ökologie unter solchen Zeichen gut leben zu können, denn die Minimalbodenbearbeitung verzichtet ja nicht komplett auf den Einsatz von Dünger, Pestiziden und Herbiziden.

Globaler Transport bleibt auch mit Öko-Produkten

Ist immer alles "Öko", was nach "Öko" aussieht?, fragen die Nature-Reporter weiter. Das Ergebnis ist gemischt: Wenig "Öko" ist beispielsweise die Tatsache, dass die Vorstellung, fleißige Ökobauern versorgten regionale Kunden, der Realität nur beschränkt entspricht. Der Handel mit Bio-Produkten ist ein riesiger Exportmarkt. Die größten Abnehmer - zusammen 97 Prozent - sitzen in Nordamerika und Europa, die Hälfte der Öko-Anbaugebiete jedoch liegen in Asien, Australien und Südamerika. Die Ware muss also über weite Strecken transportiert werden und ob das, was ankommt, dann auch wirklich immer "Öko" ist, lässt sich schwer kontrollieren. Die Versuchung, etwas als Bio-Ware zu deklarieren, um den höheren "Bio-Preis" zu erzielen, ist groß.

Auf die Frage, ob ökologisch erzeugte Lebensmittel für den Konsumenten gesünder sind, konnten die Nature-Reporter keine eindeutigen Antworten finden. Als zu schwer vergleichbar stellte sich die Fülle der Studien heraus. Auffällig jedoch, dass Analysen zu den Auswirkungen von Pestiziden, Düngern und Herbiziden auf die Umwelt offenbar eher spärlich waren. Was die Pestizidbelastung von Lebensmitteln und ihre Schädlichkeit für den Menschen betrifft, bleiben letztlich nur die Grenzwerte und über die lässt sich bekanntlich trefflich streiten.

Umwelt wird dennoch geschont

Eindeutiger konnte da schon die Frage beantwortet werden, ob der Bio-Anbau besser für die Umwelt ist. Hier zumindest scheint Einigkeit zu bestehen, dass die Biodiversität von Tieren und Pflanzen auf biologisch bewirtschafteten Anbauflächen größer ist, dass Öko-Betriebe weniger Energie verbrauchen und obendrein weniger Müll produzieren.

Wer sind die großen Anhänger des Öko-Anbaus? Als international führend hat Nature Österreich ausgemacht. Dort soll ein Viertel der gesamten Agrarfläche auf Bio-Bewirtschaftung umgestellt werden, allein 2003 hat die Regierung sich das 100 Millionen Euro kosten lassen. Die österreichischen Bürger scheint das allerdings wenig zu beeindrucken, sie kaufen am liebsten konventionell produzierte Waren. Auch in den USA ist Öko auf dem Vormarsch, doch die Spitzenverbraucher sind eindeutig die Deutschen, die pro Jahr rund 3 Milliarden Dollar für Bio-Produkte ausgeben; in England und Frankreich ist es ungefähr die Hälfte. Nur die Schweizer liegen pro Kopf gesehen noch darüber.

Österreich baut an, Deutschland isst

Viele Öko-Fans gibt es überraschenderweise in Japan, wo im Jahr 2000 noch 2,5 Milliarden Dollar dafür ausgegeben wurden. Seit die Regierung allerdings strengere Produktionsstandards verordnet hat, sind die Ausgaben auf ein Zehntel eingebrochen. Erstaunlich wenig scheren sich die Australier um Bio-Lebensmittel (Ausgaben ca. 100 Millionen Dollar jährlich), obwohl sie über die größte Öko-Anbaufläche weltweit verfügen. Produziert wird vor allem für den Export, und zwar Bio-Fleisch für die USA und Japan. In Südamerika und vor allem in Afrika wird in erster Linie aus Armut biologisch gewirtschaftet.

Die Nachfrage nach Bio-Produkten ist weltweit weiter steigend. Allein in den vergangenen fünf Jahren vergrößerte sie sich jährlich um 20 Prozent. Die große Frage ist also, ob die ökologische Landwirtschaft den konventionellen Anbau jemals vollständig ersetzen kann? Was die Erträge betrifft sind die Nature-Reporter auf völlig unterschiedliche Ergebnisse gestoßen. Während eine über 21 Jahre laufende Schweizer Studie zu dem Ergebnis kam, dass Öko-Felder jährlich durchschnittlich 20 Prozent weniger Ertrag bringen als konventionell bewirtschaftete, ermittelte eine US-Studie, dass bei Futtermais und Sojabohnen gerade in Dürrezeiten die Erträge im Öko-Landbau um 20 bis 40 Prozent höher liegen.

Fleischverbrauch ist noch zu hoch für durchgehenden Öko-Anbau

Doch des Pudels Kern scheint in der fleischlastigen Ernährung zu liegen: Ein Großteil des erzeugten Getreides wird nämlich als Tierfutter verwendet. 25 bis 50 Kilo Getreide sind zur Produktion von einem Kilo Fleisch nötig. Das werden Bio-Bauern niemals leisten können, da sie die Bodenqualität über den wechselnden Anbau verschiedener Nutzpflanzen regulieren. Wer also den Öko-Landbau fördern will, muss sich an der eigenen Nase packen und einfach weniger Fleisch essen.