Leonardos Fiat

In Florenz wird ein funktionsfähiger Nachbau des ersten selbstangetriebenen Fahrzeugs gezeigt, das von Leonardo da Vinci entworfen wurde

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Leonardo da Vinci (1452-1519) ist wohl die Verkörperung des Menschen der anbrechenden Neuzeit. Das "Universalgenie" war Künstler, Wissenschaftler und Techniker. Er erschloss über seine Zeichnungen den menschlichen Körper mit allen anatomischen Details, er war aber auch im Bereich der Botanik, der Zoologie, der Geologie, der Optik, der Militärtechnik oder der Architektur tätig. Zukunftsweisend waren wohl viele seiner Erfindungen von Maschinen und Apparaturen. Viele der Künstleringenieure der Renaissance spielten mit den technischen Möglichkeiten, die die neue Wissenschaft zu eröffnen schien. Da Vinci hat aber Fantasie und Technik auf einzigartige Weise verbunden. Jetzt ist der von ihm ausgedachte Wagen nachgebaut worden und in Florenz zu sehen.

Ausschnitt aus Leonardo da Vincis Entwurf für ein Fahrzeug (Cod. Atlantico, c. 296 va)

Ausgedacht, beschrieben und aufgezeichnet hatte da Vinci unglaublich viel. Natürlich stellte er sich Roboter vor, aber er entwarf auch U-Boote, Fahrräder, Panzer, Hubschrauber oder Flugzeuge. Sogar an einen Fallschirm hat er gedacht. Er wurde nach seinen Angaben nachgebaut und funktioniert tatsächlich. Doch seine Maschinen waren womöglich zu futuristisch. Keine wurde zu seinen Lebenszeiten gebaut.

Der Entwurf eines Autos, die Zeichnung stammt aus dem Codex Atlanticus, geht auf das Jahr 1478 zurück und ist nach monatelanger Arbeit von Computerexperten und Ingenieuren zunächst als digitales Modell und dann in Holz nachgebaut worden, also dem Material, das man in der Renaissance am ehesten dafür verwendet hätte. Selbst die Zahnräder sind aus Holz. Die vorangegangenen Versuche sind alle an der Konstruktion des Mechanismus gescheitert, den man erst ins Laufen brachte, als man davon ausging, dass nicht die Federn direkt das dreirädrige Fahrzeug mit Vorderradantrieb antreiben, sondern erst einmal zwei auf der Unterseite befindliche "Motoren". In den Trommel-ähnlichen Gehäusen befinden sich weitere Sprungfedern. Carlo Pedretti hatte erstmals in den 70er Jahren Leonardos Vorstellung des Mechanismus entdeckt, Mark Rosheim hatte dann die technischen Details weiter erforscht, die den Nachbau schließlich ermöglicht haben.

Das Modell, das mit einer Länge von 1,68 Metern und einer Breite von 1,49 Metern auf ein Drittel der geplanten Größe verkleinert wurde, legt Zeugnis davon ab, dass auch dieses "erste selbstangetriebene Fahrzeug der Welt" funktionsfähig ist, so Paolo Galluzi, der Direktor des Istituto e Museo di Storia della Scienza in Florenz, in dem das nachgebaute Fahrzeug jetzt zu sehen ist.

Angetrieben wird es allerdings nicht durch eine Dampfmaschine oder einen Benzinmotor, sondern durch ein Uhrwerk. Dessen Federn werden durch Räder aufgezogen, die jeweils in die entgegengesetzte Richtung zur gewünschten Fahrtrichtung gedreht werden müssen. Weit kann man also damit nicht fahren, aber immerhin ein paar Meter. Allerdings führte man da Vincis Auto im Museum lieber nicht vor. Es sei eine "mächtige Maschine", erklärte Galluzzi, und könne in etwas hineinfahren und großen Schaden anrichten. Das Fahrzeug hat auch eine Bremse, die sich über ein Seil aus der Entfernung lösen lässt, so dass es für Zuschauer so erscheinen könnte, als würde es von selbst losfahren.

Ausschnitt aus Leonardo da Vincis Entwurf für ein Fahrzeug (Cod. Atlantico, c. 296 va)

Leonardos Fahrzeug hatte sogar einen Lenkmechanismus, den man vorprogrammieren konnte. Allerdings konnte das Fahrzeug damit nur geradeaus oder rechts fahren. Einen Sitz für einen Fahrer gibt es hingegen nicht. Vermutlich wollte da Vinci mit seinem selbstfahrenden Fahrzeug die Menschen beeindrucken, die von allem fasziniert waren, was belebt erschien. Da es sich bei dem "Fiat Leonardos" also eigentlich um einen Fahrroboter handelt, ist da Vinci auch als Erfinder von unbemannten Fahrzeugen zu verstehen, die jetzt ihre erste Konjunktur im militärischen Bereich erleben. Allerdings handelte es sich um einen "programmierbaren analogen Computer" (Rosbach).