Bei Disney mag man mit Michael Moore nichts zu tun haben

Update: Der US-Konzern blockiert den Vertrieb des vom Tochterunternehmen Miramax produzierten neuen Bush-kritischen Moore-Films "Fahrenheit 9/11"; im Irak ist die Redaktion einer vom Pentagon finanzierten Zeitung aus Protest gegen Einflussnahme zurück getreten

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Michael Moore teilt auf seiner Website mit, er habe am Dienstag erfahren, dass Miramax, der Produzent seines neuen Films "Fahrenheit 9/11", diesen aufgrund einer endgültigen Entscheidung des Disney-Konzerns nicht vertreiben darf. Ein Bericht in der New York Times machte diese Entscheidung dann bekannt. In dem Film wird US-Präsident Bush scharf kritisiert, Thema sind vor allem die geschäftlichen Verbindungen des Bush-Clans mit Saudis, darunter auch Verwandte bin Ladens, die zudem schnell nach dem 11.9. aus dem Land gebracht wurden. Überdies werden Interviews mit im Irak stationierten US-Soldaten gezeigt, die sich offenbar nicht gerade positiv äußern. Disney hatte Miramax vor einem Jahrzehnt aufgekauft und mit den Vorständen Bob und Harvey Weinstein das Recht vereinbart, den Vertrieb von Filmen unter bestimmten Bedingungen verhindern zu können, beispielsweise wegen eines zu großen Budgets oder einer Freigabe erst ab 17 Jahren.

Michael Moore wird vor der saudischen Botschaft in Washington, D.C., vom einem Mitarbeiter des Secret Service gestoppt. Aus "Fahrenheit 9/11"

Geld oder Altersfreigabe aber dürften sicherlich nicht der Grund sein, warum Disney mit dem Film nicht in Zusammenhang gebracht werden mag, obgleich Miramax Hauptinvestor ist. Allerdings fiel die Entscheidung nicht vom Himmel. Schon im letzten Jahr habe Disney Moores Agenten und Miramax geraten, den Film nicht von Miramax in den USA vertreiben zu lassen. Dort hatte man vielleicht darauf gesetzt, dass man sich in der Konzernzentrale schließlich nicht auf ein Verbot versteifen werde, zumal Moores Filme und Bücher bislang gutes Geld bringen. Jetzt heißt es von Miramax, dass man die Angelegenheit mit Disney besprechen werde. Schließlich ist Harvey Weinstein ein Parteigänger der Demokraten, der womöglich nicht sofort klein beigeben will.

Auch Michael Eisner hatte sich, nachdem scharfe Kritik aus den Reihen von Konservativen nach Bekanntwerden des Vertrags mit Miramax gekommen war, direkt an den Agenten von Moore gewandt und gebeten, dass dieser wieder aus dem Vertrag zurücktreten soll. Nach Ari Emanuel, dem Agenten, habe Eisner gesagt, dass dadurch Steuervorteile, die Disney für seine Themenparks, Hotels und anderen Unternehmungen in Florida erhält, gefährdet seien. Bekanntlich ist Jeb Bush, der Bruder des Präsiden, Gouverneur in Florida. Bei Disney streitet man dies ab, ein hoher Manager erklärte gegenüber der New York Times, dass der Konzern schließlich das Recht habe, bei Miramax zu intervenieren, wenn der Vertrieb eines Films den Interessen des Konzerns schaden würde. Aber Moores Film würde den Interessen von Disney nicht wegen der Geschäftsverbindungen mit der Regierung schaden, sondern weil man Produkte für Familien jeder politischen Orientierung mache und Moores Film viele verärgern könne. Man wolle nicht "in einen hochaufgeheizten parteipolitischen Kampf" gezogen werden.

Gleichwohl hat nun Disney auch so die Auseinandersetzung geschaffen, die man nicht wünscht. "Fahrenheit 9/11" wird überdies im nächsten Monat auf dem Filmfestival in Cannes gezeigt, was ihm noch einmal mehr Aufmerksamkeit verschaffen dürfte. Und Moore nutzt natürlich die Gelegenheit und fragt rhetorisch, ob dies in einer freien und offenen Gesellschaft geschehen dürfe, in der "Geldinteressen entscheidend" bestimmen, welche Informationen die Öffentlichkeit sehen kann. Sein Film sei zwar sehr politisch und kritisch, aber er sei parteilich nur "auf der Seite der Armen und der Arbeiter in diesem Land, die als Kanonenfutter für diese Kriegsmaschine dienen".

Auch wenn der Film im Ausland von anderen Firmen vertrieben wird und Miramax in den USA den Vertrieb an ein anderes Unternehmen geben kann, so dass er auf jeden Fall auch in den USA in den Kinos kommt, wirft der Vorfall erneut ein negatives Licht auf die engen Verbindungen zwischen Regierung und Wirtschaft, gleich ob es sich um die Energie-, die Rüstungs- oder wie hier die Medienbranche handelt. Der Untertitel des Films gibt gleich einen Kommentar zu dem Vorfall: "The Temperature Where Freedom Burns".

Harper's Index for April 2004

Number of articles in major U.S. newspapers that have called any White House statement on Iraq a lie : 0

Einflussnahme auf "freie" Medien in den USA und im Irak

Man wird bei diesem Thema auch gleich daran denken müssen, wie der Fernsehsender CBS, der die Bilder vom Missbrauch der irakischen Gefangenen im Abu-Ghuraib-Gefängnis durch US-Soldaten sendete, mit dem Thema umgegangen ist (Sadistische KZ-Spiele). Dass Folter und Misshandlungen stattfanden, war dem Pentagon schon lange bekannt. Ende März hatte man auch Ermittlungen über Misshandlungen im Abu-Ghuraib-Gefängnis abgeschlossen und Verfahren gegen einige Militärpolizisten eingeleitet. Genaueres aber wollte man sicherlich nicht in die Öffentlichkeit lassen, um den Schaden gering zu halten. Auch der Bericht von Generalmajor Antonio M. Taguba, der bereits im März vorlag und von noch weitaus schlimmeren Folterungen durch US-Soldaten und privaten Sicherheitskräften berichtete, wurde erst nach einem Artikel im New Yorker jetzt von MSNBC veröffentlicht: U.S. Army report on Iraqi prisoner abuse.

Immerhin, die Korrekturinstanzen scheinen wieder zu funktionieren, wenn auch reichlich spät. Doch CBS hatte den Bericht, der eigentlich schon am 14. April gesendet werden sollte, auf Druck des Pentagon verschoben. Auch am 21. April wurde er nicht gesendet, erst am 28. April entschloss man sich dann dazu, nachdem dann doch die Logik des Profits und der Quote durchschlug, da manche der Bilder schon im Internet kursierten. Sogar US-Generalstabschef Richard Myers hatte sich ans Telefon gesetzt und bei CBS angerufen, um die Sendung zu verhindern oder zu verschieben. Dass CBS dies freiwillig getan hat, wirft einen weiteren Schatten auf die Freiheit der Medien in den USA:

Two weeks ago, 60 Minutes II received an appeal from the Defense Department, and eventually from the Chairman of the Joint Chiefs of Staff, Gen. Richard Myers, to delay this broadcast -- given the danger and tension on the ground in Iraq. 60 Minutes II decided to honor that request, while pressing for the Defense Department to add its perspective to the incidents at Abu Ghraib prison. This week, with the photos beginning to circulate elsewhere, and with other journalists about to publish their versions of the story, the Defense Department agreed to cooperate in our report.

Dan Rather von CBS News am Ende des Berichts

Und auch im Irak steht nicht alles zum Besten mit der Pressefreiheit ("Falsche Berichterstattung wird in diesem Land nicht erlaubt"). Seit langem gibt es Konflikte mit arabischen Sendern wie al-Dschasira, der Aufstand der Schiiten unter der Führung von al-Sadr wurde durch das Verbot einer Zeitung zumindest mit ausgelöst - und jetzt ist auch noch der Chefredakteur Ismail Zair der von den USA finanzierten irakischen Zeitung Al Sabah zusammen mit dem Großteil der übrigen Mitarbeiter aus Protest gegen die Einmischungen des Pentagon zurückgetreten. Zair will nun eine unabhängige Zeitung eröffnen.