Cut oder Uncut?

Deutsche Kinogänger sehen immer öfter vom Verleih vorab gekürzte Filme

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Auch an der Kinokasse hört beim Geld der Spaß auf. Gerade zu einer Zeit, wo die Branche unter einem starken Zuschauerrückgang leidet. So ging 2003 die Zahl der Kinobesuche in Deutschland um 15 Millionen auf 149 Millionen zurück. Auch dieses Jahr hat es noch kein Film bei uns geschafft, die so genannte "Goldene Leinwand" mit mehr als drei Millionen Besuchern zu gewinnen. Gleichzeitig schreiben große Kinoketten rote Zahlen. Und eine der ehemals größten, die Ufa-Theater AG, hat erst kürzlich ein Insolvenzverfahren beantragt.

In solch miesen Zeiten scheint fast jedes Mittel recht, um mehr Besucher in die Kinos zu locken. So greifen die Filmverleihfirmen inzwischen gern und immer öfter auch mal zur Schere und schneiden einzelne Szenen heraus. Beispielsweise wurden rund acht Minuten bei "Harry Potter und die Kammer des Schreckens" herausgeschnitten, um dadurch eine lukrativere FSK-Freigabe ab sechs Jahre zu erhalten. Und jetzt soll es aktuell Wolfgang Petersens "Troja" (Ignore the politics!) erwischt haben, der bei um knapp eine Minute kürzer sein soll als in England. Dort läuft nämlich die ungeschnittene Fassung für Menschen ab 15 Jahre, während in Deutschland schon Jugendliche im Alter von 12 Jahren an die blutige Leinwand-Schlacht verfolgen dürfen.

Zwar werden die meisten Zuschauer den Verlust von ein paar Filmminuten verschmerzen können oder ihn vermutlich gar nicht bemerken. Dennoch ist das nachträgliche Schneiden eines Films ein Eingriff in die künstlerische Freiheit des Regisseurs, der ein aus seiner Sicht fertiges Werk abgeliefert hat. Aber beim Geld hört eben mittlerweile auch die Freiheit eines Künstlers auf. Und solange die Zuschauer sich so etwas gefallen lassen, wird halt weiter geschnitten.

Doch inzwischen stößt die Praxis der Verleiher vor allem in Internet-Foren wie DVD-Inside oder Schnittberichte.com auf immer heftigere Kritik. Penibel werden dort unter dem Motto "Cut oder Uncut" die von der deutschen FSK und der britischen BBFC veröffentlichten Laufzeiten und Längen des jeweiligen Films verglichen. Demnach ist beispielsweise "Troja" in Großbritannien 4.463,8 Meter lang, während er in Deutschland tatsächlich nur auf 4.439 Meter kommt, was einen Verlust von 50 bis 60 Sekunden bedeutet. Wegen einer solchen Kürzung wird dann meist aufgeregt zum Boykott des jeweiligen Streifens aufgerufen und auf eine spätere "Uncut"-DVD-Version gehofft. Das mag zwar den Kinobesitzer ärgern, aber der schneidefreudige Filmverleiher kommt dann trotz der Proteste über die DVD-Vermarktung schließlich doch noch auf seine Kosten.

Kleiner Nachtrag: Ob "Troja" nun bei uns in einer leicht gekürzten oder in der ungekürzten Fassung gezeigt wird, das hätten wir sehr gern von der zuständigen Warner-Pressestelle erfahren. Doch trotz allen Bemühens war es nicht möglich, von dort eine Antwort zu bekommen. Auch ein fest zugesagter Rückruf fand leider nicht statt. Komisch, aber wahr.