Percy Schmeiser verliert gegen Monsanto

Das kanadische Höchstgericht bestätigt Gen-Patent, erlässt aber dem Farmer Schmeiser sämtliche Strafzahlungen

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In dem jahrelangen Rechtsstreit um angebliche Saatgutpiraterie entschied der kanadische Supreme Court vergangenen Freitag zugunsten des Biotech-Konzerns Monsanto. Für den Farmer Percy Schmeiser hielten die Höchstrichter zumindest ein Trostpflaster bereit. Er braucht keine Schadenersatzzahlungen an den Konzern leisten. Während Umweltschützer dennoch von einem traurigen Tag für Bauern auf der ganzen Welt sprechen, freut sich die Biotech-Industrie.

Die "David gegen Goliath"-Schlacht, wie sie Percy Schmeiser selbst bezeichnet, begann bereits 1998. Damals entdeckten sogenannte "Gen-Spione" des Agro-Konzerns Monsanto auf den Feldern von Schmeiser "Roundup Ready"-Raps, auf den Monsanto ein Patent hält. "Die in Raps eingebaute Roundup Ready-Technologie bietet Schutz gegen 145 verschiedene Arten von Unkräutern und Ungräsern", so die Darstellung des Konzerns. Dazu verkauft Monsanto auch gleich das passende Unkrautvertilgungsmittel "Roundup Ultra", mit dem die Felder behandelt werden müssen, um den optimalen Ertrag zu erzielen. Mit Roundup-Package-Verträgen macht Monsanto vor allem in Kanada und den USA gute Geschäfte.

Percy Schmeiser allerdings betreibt seit Jahrzehnten konventionellen Rapsanbau und wollte mit Monsanto nichts zu tun haben. Vor Gericht versicherte er, niemals Saatgut des Konzerns gekauft oder wissentlich gesät zu haben. Vielmehr wären seine Felder durch Pollenflug kontaminiert worden (Vom Winde verweht oder Saatgutpiraterie?). Dass er dafür Lizenzgebühren an den Konzern zahlen sollte, sah Schmeiser nicht ein. Doch Monsanto gewann in erster Instanz und der Farmer wurde zu empfindlichen Schadensersatzzahlungen verdonnert. Schmeiser startete eine Gegenoffensive. Es sei doch eher so, dass seine Felder gentechnisch verunreinigt worden wären und eigentlich Monsanto Strafzahlungen an den konventionellen Farmer zahlen müsste, lautete zunächst die Verteidigungslinie.

Schmeiser, inzwischen zu einer Leitfigur der Anti-Gentech-Bewegung avanciert, zog bis vor den Obersten Gerichtshof. Unterstützung kam von zahlreichen NGOs und sogar eine kanadische Provinz klinkte sich in den Prozess ein (Genetische Information soll nicht patentierbar sein). Dabei ging es letztlich nicht mehr nur um den Einzelfall Schmeiser. Es sollte auch ein Zeichen gegen die aggressive Durchsetzungspolitik der Gentech-Konzerne gesetzt werden und gegen die zunehmende Abhängigkeit des Landbaus von Multis wie Monsanto.

In der letzten Gerichtsrunde konzentrierten sich die Anwälte Schmeisers nun auf die Schlüsselfrage nach der Patentierbarkeit von genetisch veränderten Pflanzen. Sie argumentierten vor dem Supreme Court, dass Saatgutkonzerne niemals Patente auf ganze Pflanzen haben können. Das Gericht hatte nämlich in einem ähnlich gearteten Fall der "Harvard Maus" so geurteilt, dass ein Patent an einem höheren Lebewesen nicht als Erfindung gelten kann und es daher nicht patentierbar sei (Kein Aus für die Onkomaus). Eine wie immer geartete genetische Veränderung reiche alleine nicht aus.

In einer denkbar knappen - fünf zu vier Stimmen - Entscheidung fiel das Urteil am vergangenen Freitag dennoch zugunsten Monsantos aus. Der Supreme Court folgte zwar der Argumentation der Anwälte Schmeisers, dass eine Pflanze ebenso eine höhere Lebensform darstellt. Aber das Patent würde lediglich das Gen betreffen. Der Richterspruch - der noch nicht auf der offiziellen Homepage des SCOC veröffentlicht wurde - wird in kanadischen Medien im Orginal-Wortlaut zitiert:

By cultivating a plant containing the patented gene and composed of the patented cells without license, [the Schmeisers] thus deprived Monsanto of the full enjoyment of its monopoly.

Allerdings scheinen auch die Richter das Vorgehen Monsantos nicht voll und ganz gut zu heißen. Denn entgegen den Urteilen in unterer Instanz ersparten die Höchstrichter Percy Schmeiser im jetzigen Letzturteil immerhin Zahlungen von mehr als 200.000 kanadischen Dollar. Weder die Gerichtskosten noch die von Monsanto ursprünglich geforderten 19.000 Dollar Schadenersatzzahlungen muss der Farmer übernehmen. Insofern könne er, dem Urteil auch etwas Positives abgewinnen, bemerkt Schmeiser in einer Stellungnahme auf seiner Homepage:

Das Gericht hat sehr wohl bemerkt, dass meine Profite immer dieselben waren, unabhängig davon, ob konventioneller Raps oder Roundup Ready Raps auf meinen Feldern zu finden war.

Er gehe außerdem davon aus, dass es Monsanto in Hinkunft schwerer haben wird, Farmer zu verklagen. In Zukunft müsse der Konzern beweisen, dass ein Bauer von RR-Raps profitiert hätte. Insgesamt hätte er "gemischte Gefühle" angesichts des Entscheids des Supreme Court. Er müsse die Entscheidung akzeptieren und für ihn sei die Schlacht vorerst vorbei, so Schmeiser. Allerdings erhoffe er sich von der Regierung, dass sie Gesetze zum besseren Schutz der Bauern schaffe.

Monsanto und der Branchenverband der Biotechnologie in Kanada begrüßten die Entscheidung. Damit würde mehr Sicherheit für die Forschung geschaffen. Greenpeace Kanada hingegen will klarere gesetzliche Regelungen. Den Entscheid des Gerichts kritisiert die Umweltschutzorganisation deutlich schärfer als Schmeiser selbst. Die Richter hätten der "Gen-Verseuchung" durch Monsanto einen Freibrief erteilt, so die kanadischen Umweltaktivisten. Auch in Zukunft könnte der Konzern ungestraft agieren und die Kontamination der kanadischen Landwirtschaft würde weiter voranschreiten, ohne dass konventionelle Farmer eine rechtliche Handhabe hätten. Die Haftungsfrage bliebe nach wie vor unberührt.

Das ist eine schlechte Nachricht für die Landwirte weltweit. Monsantos Gen-Raps verseucht seit Jahren die Felder im westlichen Kanada, weil es unmöglich ist, den Gen-Pollen aufzuhalten. Monsanto hat eine unkontrollierbare Pflanze eingeführt, ohne gegenüber den Landwirten oder der Öffentlichkeit dafür verantwortlich zu sein. Mit dem Urteil werden Bauern Monsanto ausgeliefert: Ohne die Kontamination verhindern zu können, sollen Bauern plötzlich Gebühren für Gen-Pflanzen bezahlen, die sie nie auf ihren Äckern haben wollten.
Der Fall zeigt exemplarisch, welche Folgen ein zügelloses Patentrecht haben kann. Und er macht deutlich, welche Gefahr von Firmen wie Monsanto ausgeht, wenn sie je die Herrschaft über das Saatgut erlangen sollten. Unsere Antwort kann nur sein, dass wir weiter für ein Stopp von Patenten auf Leben streiten werden!

Die ausführliche Stellungnahme von Greenpeace Deutschland zu diesem Fall im fernen Kanada kommt wohl nicht von ungefähr. Denn für Europa stehen künftig ähnliche Probleme an. Die bisher getroffenen Regelungen über Sicherheitsabstände in der kleinteilig strukturierten europäischen Landwirtschaft gelten als unbefriedigend, die Probleme der Koexistenz von konventionellem Landbau und Bestellung mit GVOs sind nach Meinung von Bauernvertretern, Umweltschützern und diversen anderen Organisationen alles andere als gelöst. Und wer wird in Europa bei ähnlichen Musterprozessen, die - sobald sich GVOs im Landbau etablieren - zu erwarten sind, zur Kasse gebeten werden? Der Bauer dessen Pflanzen GV-verunreinigt wurden oder Konzerne wie Monsanto, die eine Saat in die Welt setzen, welche konventionellen Anbau gefährden kann? Sollten die Beispiele Kanada und USA Schule machen, so sieht der europäische Bauer wohl einer düsteren Zukunft (mit Knebelverträgen der Gentech-Konzerne?) entgegen.