Die Design-Musikbox

Apple Ipod im Praxistest: Cool, schick, doch schwer befüllbar

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Der Ipod ist der Prototyp aller MP3-Spieler, die nicht mit CD-Laufwerk oder Flash-Speicher, sondern mit einer eingebauten Festplatte arbeiten. Doch so innovativ Idee und Design sind, ist die praktische Umsetzung doch Stand von gestern

Der "Knopf im Ohr" war mal innovativ: Mit einem streichholzschachtelgroßen Mini-Radio konnte ich den hierzulande hauptsächlich aus dem Film "American Graffitti" bekannten "Wolfman Jack" auf AFN Munich hören, während ich spazieren ging oder gar in der Schule saß. Der Klang des Ohrhörers war nur mäßig, der Gesamtklang jedoch sogar besser als aus einem normalen Kofferradio auf Mittelwelle, denn die Primitivschaltung des Mini-Empfängers, die neben dem AFN gerade noch Bayern 1 hereinbekam, war nicht sehr trennscharf und lieferte deshalb auch die Höhen, die der für US-Radios gebaute Amisender der qualitativ begrenzten Mittelwellenübertragung noch mitgeben konnte. Mit Rauschen und Fading musste man sich aber immerhin nicht herumplagen und im Gegensatz zum Kofferradio nervte man auch keine Nachbarn, denn so laut spielte das kleine Gerät mit seinem Ohrhörer ohnehin nicht.

Ein simples "Enjoy" beim Aufklappen des Pappwürfels ist sicher erfrischender als das übliche "Wir beglückwünschen Sie, dass Sie unser Produkt gekauft haben…" (Bild: W.D.Roth)

Dann kamen die Kassetten-Walkmen und plötzlich hatte jeder in der S-Bahn schwarz-silberne Kopfhörer auf. Damit wurde mir das öffentliche Musikhören trotz erheblich verbesserter Klangqualität zu peinlich, zumal der Empfang in der S-Bahn ohnehin nicht brauchbar war und das Kassettenmitschleppen zu mühselig. Es war höchstens interessant, sich einen jener Kopfhörer ohne angeschlossenes Gerät aufzusetzen und den bissigen Kommentaren der Umsitzenden zu lauschen ("…schon wieder so ein schwachsinniger Vollidiot…nur gut, dass er uns nicht hören kann…"). Doch auch das wurde schnell langweilig.

Die MP3-Sammlung zum Mitnehmen

Apple hat mit dem Ipod nun ein ähnliches Zeichen gesetzt wie einst Sony mit dem nicht mal von ihnen erfundenen Walkman: Weiße Ohrhörer – wie einst beim Mittelwellenradio, nur jetzt links und rechts je einer – bedeuten "Du bist in, Du bist hip, Du gehörst dazu". Oder auch "Du bist tot", denn Ipod-Nutzer werden in einigen Städten bevorzugt überfallen und ihres Mini-Apfels beraubt: Das Gerät ist nicht billig und hat einen hohen Wiederverkaufswert, obwohl es im Dauergebrauch bis zur Unlesbarkeit des Displays verkratzt, wie unser Testgerät offenbarte, das schon durch einige interessierte Hände gegangen war.

Der Ipod wird mit Festplatten bis zu 40 GB geliefert und ist dennoch sehr klein und flach, für die geringe Größe allerdings ungewöhnlich schwer. Außer durch das Gewicht macht sich die Miniatur-Festplatte jedoch nicht bemerkbar: Weder durch ein Laufgeräusch noch eine entsprechende Trägheit beim Drehen in der Hand. Auch die Betriebsdauer ist mit acht Stunden ordentlich, so der Akku noch neu ist. Wem das Gerät beim Joggen aus dem Hemd fällt, der dürfte jedoch seine Musiksammlung dank Head-Crash los sein.

Das gesamte Design ist – wie bei Apple üblich – cool und ungewöhnlich: Aus einem großen Pappwürfel schälen sich diverse Kleinteile, ein Netzadapter, der eine Firewire-Steckdose enthält, beim 20- und 40-GB-Modell ein Standfuß mit Firewire- und Line-Input für eine Stereoanlage, ein Adapter von Mini-Firewire auf große Firewire-Stecker, eine CD-große Schachtel mit diversen Handbüchern, aber auch so sinnvolle Details wie zwei Abdeckstöpsel, damit die Schnittstelle nicht verdreckt, wenn der Ipod nicht an Standfuß oder Computer angeschlossen ist. Dabei kann der Ipod sich auch aus dem Computer aufladen, sofern dieser einen großen Firewire-Stecker hat.

Ungewöhnliche Bedienung

Ein erstes Einschalten nach dem Aufladen, doch ohne Handbuch-Studium endet im Fiasko: Die Bedienung des "Scrollpads", bei dem man den Cursor im Menü nicht durch Drücken des nach unten orientierten Teils des Pads nach unten bewegt, sondern in dem man mit dem Finger im Uhrzeigersinn auf dem Pad kreisen muss, um dies zu erreichen, ist originell und schützt wohl auch vor Fehlbedienung, ist aber nicht intuitiv. Doch das ist bei Apple nichts Ungewöhnliches, wo schon der Uralt-Computerwitz "Power-User: Findet den Netzschalter und weiß ihn auch zu benutzen" mit jeder Mac-Generation wieder neu Realität wird, weil der Einschalter sich mal auf der Tastatur versteckt und dann plötzlich auf dem Rechnergehäuse im Apple-Logo…

Auch ist das Gerät im Lieferzustand zunächst wertlos: Es bleibt stumm, denn es ist nicht einmal ein Begrüßungssong darauf. Doch das sollte eigentlich kein Problem sein: Jeder hat ja bereits irgendwelche MP3-Dateien und schon beim 15-GB-Modell zu 350 Euro gehen in der üblichen Web-128kB/s-Qualität etwa 3700 Songs auf die Platte. Damit hat man seine Musikbibliothek immer dabei und kann sie auch im Hotel an die Anlage klemmen – so das Hotelzimmer denn ein Radio hat und nicht wie hierzulande meist üblich nur ein Fernsehgerät.

In den USA muss man das Gerät dabei nicht einmal an die Anlage anklemmen: Ein kleiner von Griffin erhältlicher UKW-Sender mit Minimalreichweite namens Itrip speist die Musik drahtlos ein. Bei uns ist solches Schwarzsenden auch in dieser harmlosen Form dagegen leider nicht erlaubt und dieses nette Zubehörteil daher nicht verfügbar.

Nettes Detail: Ersatzabdeckungen für die Schnittstelle (Bild: W.D.Roth)

Doch während es bei CD-ROM-MP3-Spielern reicht, nun eine CD einzulegen und "Start" zu drücken und MP3-Flash-Spieler als Laufwerk in Windows bespielt werden können, geht dies bei Apple nicht so einfach: Hier muss man auf Macs "Itunes" installieren und auf PCs bis vor kurzem "Music Match Jukebox" und nun ebenfalls Itunes – in diesem Fall die Version für Windows. Steckt man den Ipod nur so an den Computer, erscheint zwar ein Laufwerk, doch will der PC dies sofort formatieren, weil es nicht direkt lesbar ist.

Auf Windows-98-Computern bleibt dies auch so, denn erst mit einem zusätzlichen über 10 MB großen aus Music-Match-Jukebox heraus übers Internet ladbaren Plug-In kann das Programm auf den Ipod zugreifen – und dieses Plug-In läuft erst ab Windows ME, Itunes gar erst ab Windows XP. Wer nur USB hat, sitzt ebenfalls zunächst auf, denn ein USB-Adapter ist nur als Zubehör verfügbar, wobei auch nur USB 2.0 akzeptiert wird. Serienmäßig gibt es nur Firewire. Und ältere Macs, die noch nicht OS X verwenden, müssen ebenfalls passen.

Windows-98-PCs oder OS-9-Macs müssen leider draußen bleiben

In der Redaktion ließ sich das allerdings nicht mehr taufrische Testgerät nicht mit der Zusammenarbeit eines der vorhandenen Rechner überreden, da nur zwei Geräte eine passende Hardwareausstattung und ein genügend aktuelles Betriebssystem boten und auch hier der "Ipod-Service" von Itunes nicht gestartet werden konnte, weil der den Ipod nicht sah. Wohl aber dieser den PC, doch ein blinkendes Verbotsschild "Bitte nicht trennen" war die einzige Reaktion.

All dieses umständliche Theater ist wohl ein Zugeständnis an die DRM-Kopierschutzverfahren, die im in Deutschland gerade eröffneten Itunes-Onlinemusikshop ITMS verwendet werden: Könnte man direkt mit maximal einem kleinen USB-Treiber auf die Festplatte des Ipod zugreifen, würde er zum praktischen Tauschmedium für Musik und man könnte auch beim Besuch bei Freunden einfach auf deren Musiksammlung zugreifen. So kommt man zunächst nur über die Kombination mit Itunes oder Music-Match-Jukebox an das Gerät, was insofern verwirrt, als in diesen Programmen jeder Musiktitel aufgelistet wird, der irgendwann mal eingelesen wurde, doch bei dessen Aufruf prompt die Sucherei nach der längst wieder ausgeworfenen CD-ROM mit den Musikdaten los gehen dürfte. Umgekehrt wird eine eingelegte CD-ROM nicht erkannt, bevor man nicht explizit deren Inhalt in Itunes oder Music-Match-Jukebox einliest.

Immerhin soll aus Itunes oder Music-Match-Jukebox heraus, so man sie zum Zusammenspiel mit dem Ipod überreden kann, per weiterem Plug-In ein direkter Laufwerkszugriff möglich sein. Und man kann natürlich, was andere Online-Musikläden nicht bieten, alle in Itunes gespeicherte Musik frei auf Audio-CDs brennen, nur das sabotiert ja geradezu den Sinn des Ipod. Zusätzliche Module wie ein Universal-Kartenleser zu 130 Euro können dagegen nur Fotos von Flash-Speichern (Compact Flash, Memory Stick, Multi Media Card, SD und Smart Media) auf die Festplatte kopieren, mit MP3s auf den Speichern können sie dagegen leider nichts anfangen. Praktisch, um auf Reisen mit der Digitalkamera keinen Notebook mitschleppen zu müssen, allerdings kann der Ipod die Bilder weder anzeigen noch auf CD oder DVD brennen.

Der leider ziemlich verkratzte Test-Ipod als Multimediacenter mit Aufsteck-Mikrofon und Flash-Card-Leser (Bild: W.D.Roth)

Mit einem anderen Zusatzmodul, einem Mikrofon zu 50 Euro, können auch Diktate auf dem Ipod gespeichert werden. Allerdings wirklich nur in Diktierqualität, denn die Aufnahme erfolgt nur auf dem linken Kanal und das Mikrofon hat wenig Höhen sowie Empfindlichkeit. Auch ist unpraktisch, dass man nur entweder Kopfhörer oder Mikrofon anschließen kann – zur detailliertenKontrolle der Aufnahme ist also Umstöpseln angesagt. Die Aufnahme wird als WAV-Datei gespeichert, nicht als MP3. Aber immerhin, für ein Gerät, das eigentlich nur wiedergeben soll, eine Lösung, um auch sehr langen Diktaten Platz zu bieten – zum Bootleggen dagegen völlig ungeeignet. Auch als Kalender, Notizbuch und Organizer lässt sich der Ipod verwenden, was jedoch angesichts der erhöhten Diebstahlsgefahr nicht unbedingt sinnvoll ist.

Da Apple nun eine ganze Abteilung an die Weiterentwicklung des Ipod setzen will, bleibt zu hoffen, dass diese sich nicht in Featuritis ergeht, sondern dem Benutzer zukünftig das gibt, was er will: Einen Zugriff auf das Ipod-Festplattenlaufwerk direkt aus dem Betriebssystem. Wenn sich dann auch noch der Preis etwas reduziert, ist der Urahn der MP3-Festplattenspieler wieder up to date. Zumindest in Deutschland läuft das jetzige Modell aber so gut, dass der noch kleinere und nicht nur in weiß, sondern in silber und vier Mädchenfarben erhältliche "Ipod mini" vor Jahresmitte gar nicht in den Handel kommen soll, obwohl es inzwischen bereits jede Menge billigere und auch einige teurere Konkurrenzprodukte gibt. Der lange malträtierte und doch wieder auferstandene Napster wiederum gibt nun ähnlich der Quersubvention bei Handys zu einem 12-monatigen Musik-Abo den passenden MP3-Player sogar gratis dazu. Es könnte also sein, dass die Ipod-Erfolgsstory ihren Höhepunkt schon erreicht hat.

Nachtrag: Wie Apple nach Abschluss des Tests mitteilte, war das Telepolis zur Verfügung gestellte Testgerät im Gegensatz zu den heute aktuellen Modellen auch mit Itunes prinzipiell nicht am PC verwendbar. Ein Problem, das einem natürlich auch beim Erwerb eines gebrauchten Ipod blühen kann.