"Kein Platz für Rechtsextremisten" beim Deutschen Journalisten-Verband?

Was tun gegen rechts, wenn die Rechten leugnen, rechts zu sein und straff organisiert mit demokratischem Mandat an die Macht kommen?

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Beim Deutschen Journalisten-Verband (DJV) fliegen die Fetzen. Die Landesverbände in Brandenburg und Berlin wurden im Handstreich von einer Seilschaft übernommen, deren Drahtzieher weltanschaulich stramm rechts gebürstet ist. Die Pressemeldungen zum Thema sind für den DJV eine Katastrophe. Von "rechtsradikaler Unterwanderung" ist die Rede, von "Tumulten unterm Funkturm" und von Fäusten, die beinahe geflogen wären. Der Katzenjammer ist allgemein und groß.

Man hätte gewarnt sein können. Hinter dem Putsch stecken Seilschaften, die den rechtsextremen Stallgeruch abgestreift haben und erfolgreich eine "Light"-Version des Völkisch-Nationalen anbieten. Nicht der Marsch durch die Parteien, sondern der Marsch durch die Institutionen steht auf dem Programm. Es haben sich die Vertreter unterschiedlicher Milieus zusammengefunden, die kaum etwas eint außer der Wille, sich finanzielle und politische Pfründe zu sichern: die Kinder des alten West-Berlin, in dem Günstlingswirtschaft, Korruption und Intrigen zur Leitkultur gehörten, unbedarfte Nachwuchsjournalisten der Spaßgesellschaft, denen die Karriere wichtiger ist als politische Diskussionen. Und ultrarechte Kader, derer sie sich bedienen und deren politische Duftmarke sie billigend in Kauf nehmen, bekommen sie doch im Gegenzug für deren Wissen, wie man informelle Netze organisiert, medienpolitischen Einfluss.

Der DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken forderte am 5. Juni verzweifelt den Rücktritt des neuen stellvertretenden DJV-Vorsitzenden in Brandenburg, Torsten Witt. Im Deutschen Journalisten-Verband sei "kein Platz für Rechtsextremisten". Witt ist schon seit vielen Jahren Mitglied des Verbandes; jetzt, nach diversen Presseberichten, meint man gemerkt zu haben, dass es sich bei ihm um einen Rechten handele, der außerhalb des demokratischen Spektrums stehe. Witt hatte seine Wahl am 15. Mai perfekt vorbereitet: seine Genossen, mehrheitlich Mitglieder des Verbands Junger Journalisten Berin-Brandenburg e.V., waren unbemerkt eingesickert und stimmten den völlig überraschten alten Vorstand auf der wie immer spärlich besuchten Wahlveranstaltung gnadenlos nieder.

Alexander Kulpok, Vorsitzender des DJV Berlin, als Gast anwesend, fraternisierte gleich mit den gut organisierten Truppe: Ihm drohte wegen zahlreicher Finanzaffären und Skandale im Berliner DJV eine Niederlage bei der Neuwahl am 5. Juni. Die VJJ-Putschisten traten zeitnah in den Berliner Verband über. Das Spiel wiederholte sich am 5. Juni - unter dem Schutz zahlreicher finster blickender Männer in dunklen Anzügen. Vorsorglich waren im DJV Berlin auch erwachsene Kinder, Geschwister und Ehefrauen der Vorstandsmitglieder aufgenommen worden, obgleich deren journalistische Qualifikation durchaus strittig sein könnte.

Nachdem ein Vorstandsmitglied den Brutus spielte und bekundete, rund eine Million Euro seien nicht nachvollziehbar irgendwo verblieben und dass es über verausgabte fünfstellige Beträge keine Buchhaltung gegeben habe, liefen sogar rüstige Rentner, in der Regel in Treue fest zum jeweiligen Vorstand stehend, zur Opposition über. Es nützte nichts - das bestens instruierte neu eingetretene Wahlvolk sicherte dem Skandal-Vorsitzenden die Entlastung und die Macht. Angesichts der tumultarisch verlaufenden Versammlung und offensichtlicher Versuche, Stimmen zu manipulieren, will die größte Oppositionsgruppe im DJV Berlin jetzt die Wahl anfechten - mit guten Aussichten auf Erfolg.

Die "Taz" titelte: Wahl des Berliner DJV-Landesvorsitzenden wurde durch Übertritte aus rechtsradikalem Umfeld gesichert. Der alte und neue Vorsitzende des DJV Berlin sieht hingegen "interessierte Kreise" am Werk und bemüht sich zu erklären, dass er Menschen "mit jüdischem Background" zu seinem Bekanntenkreis zähle. Der Pressesprecher der israelischen Botschaft sei Mitglied im DJV Berlin. Amid Gilad, der damit gemeint war, erklärte auf Anfrage: Kulpok habe den "Verband der Presseattaches" vor kurzem kollektiv zum Eintritt in den DJV aufgefordert. Er, Gilad, habe seine Unterlagen erst Ende letzter Woche verschickt - er sei daher "nur einen Tag" Mitglied im DJV Berlin. Er werde die Entwicklung "aufmerksam verfolgen." Ein Berliner Journalist beschwert sich in einem internen Forum der Opposition, Kulpok habe "auf unerträgliche Weise 'die Juden' instrumentalisiert. Als Angehöriger einer verfolgten jüdischen Familie fühle ich mich dadurch verletzt, dass Kulpok meinte sagen zu müssen, in seinem Kandidatenteam seien 'ja auch jüdische Mitbürger'."

Rechtsextrem oder nationalliberal?

Fieberhaft versucht man jetzt im Journalistenverband, in der Biografie Torsten Witts, dem informellen Anführer der Putschisten, etwas zu finden, das ihn diskreditiert. Das verspricht interessant zu werden, zumal Witt angekündigt hat, seinen Bundesvorsitzenden zu verklagen: Witt mischt schon seit mehr als zwanzig Jahren am rechten politischen Rand aktiv mit, hat es aber bisher vermieden, mit einschlägigen Zitaten öffentlich aufzutreten. Auch ein Gütesiegel des Verfassungsschutzes - "Rechtsextremist" - ist nicht vorhanden. Er selbst bezeichnet sich als "nationalliberal" und weiß auf alle Fragen, die ihn aufs weltanschauliche Glatteis führen könnten, eine unverfängliche Antwort. Der ehemalige NPD-Anwalt Horst Mahler, mit dem er zusammen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft demonstrierte, sei "ein Irrer" und "liberal" sei derjenige, "der die Interessen des Volkes vertritt." Beim Thema, wer zur deutschen Nation gehöre, liefert er nur Textbausteine ab - "Sprache und Kultur" -, die in jedem CDU-Ortsverein freudig akzeptiert würden.

Aussagekräftiger sind Sätze, für die Witt als Kandidat des "Bundes freier Bürger" im Jahr 1999 verantwortlich zeichnete Er kritisiert eine angebliche "endlose 'Vergangenheitsbewältigung'" der dritten Generation in Deutschland: "Wir jungen Deutschen wollen unsere Zukunft bewältigen, nicht ewig die Vergangenheit der Generation unserer Großeltern.".

Passend dazu wettert Witt gegen "den Bau des gigantoman-monströsen und millionenteuren Holocaust-Mahnmals, das nur dem Zweck dient, unser Volk auf Generationen hinaus mit Schuldgefühlen zu belasten und erpreßbar zu halten." Wer erpresst angeblich wen womit? Das wird nicht verraten, aber das klassische antisemitische Klischee versteht die Klientel, die angesprochen werden soll: 'Die Juden saugen uns finanziell aus.' Originalton Witt laut Junge Freiheit vom 25.06.1999:

"Dieses Selbstbewußtsein des deutschen Volkes soll zerstört werden, indem ein ständig neu gedemütigter und erniedrigter Deutscher via Holocaust-Mahnmal so unterworfen wird, daß er nicht mehr aufzumucken wagt, wenn ihm immer neue Rechnungen, auch moralischer Art, vorgehalten werden.

Wer hat die Deutschen "gedemütigt und erniedrigt"? Und warum? Der Beifall einschlägiger Kreise war Witt damit garantiert. Die Zeitschrift "Nation und Europa", ein führendes Blatt der rechtsextremen Szene, schrieb im Jahr 1999: "Mit beachtlichem Engagement kämpft der Berliner Landesverband des Bundes Freier Bürger unter Führung seines Vorsitzenden Torsten Witt gegen den Bau des Holocaust-Denkmals." Die "Tageszeitung" berichtete am 5. Juni 1999 über Witt:

Der 34jährige Journalist und Geschäftsführer einer Marketing-Agentur will die Ausländerpolitik zu einem 'zentralen Wahlkampfthema' machen, betont, daß Deutschland kein Einwanderungsland sei, daß die generelle Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft abzulehnen sei, und betrachtet die knapp acht Millionen Ausländer in Deutschland bloß als "Gäste", die möglichst bald nach Hause sollten."

Das ist nicht "extrem" und passt dazu, dass Witt von 1982 bis 1988 Mitglieder der Berliner CDU und von 1988 bis 1997 in der FDP. war. Bei den Liberalen fielen seine Gesinnungsgenossen zwar unangenehm auf, verließen aber erst nach heftiger Gegenwehr des linken Flügels die Partei. Der Versuch, die FDP über die Übernahme einiges Kreisverbände "nationalliberal" umzufrisieren, scheiterte. Carola von Braun, damalige Vorsitzende der Berliner Landesverbands, über Witt und seinen Leute: Sie seien fanatisch gegen alles, was Europa betrifft gewesen und hätten sich mit ihrer Mischung aus Nationalismus und Extremismus selbst im rechten Lager der FDP völlig isoliert und zu Parias gemacht.

Die Attitüde, man sei "nationalliberal", entstammt eindeutig dem neurechten Diskurs, der vor allem bei weltanschaulich strammen Burschenschaftlern und im salonfaschistischen Milieu hoffähig ist. Thorsten Hinz, Politik-Redakteur der "Jungen Freiheit", schrieb im Januar 1995: Nur mit dem Bezug aufs Nationale seien die liberalen Errungenschaften davor zu bewahren, zur "selbstzerstörerischen Ideologie" zu verkommen, und nur die Ablösung der Demokratie vom Nationalbewusstsein habe Deutschland im "eigentlich undeutschen" Nationalsozialismus versinken lassen. Diese Position war damals bei der "Jungen Freiheit" "links" - die orthodoxen Rechten propagieren noch den völkischen Nationalstaat in Reinkultur: "Liberalismus" galt als in Anlehnung an Alain de Benoist, dem französischen Vordenker der so genannten "Neuen Rechten" ("Nouvelle Droite"), als Synonym für "gleichmacherische" Demokraite "westliche Dekadenz".

Ideologische Stahlhelmer wie Torsten Witt sind mit mehr oder minder sinnfreien Floskeln wie "Rechtsextremismus" weder zu diskreditieren noch zu fassen. Viel eher mit Goethes Satz: "Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist." Nach eigenen Angaben war Witt Korporationsstudent und zwischen 1984 und 1988 Pressesprecher des "Coburger Convents" (CC), danach aktiv im "Gesamtdeutschen Studentenverband" (GDS. Der GDS gehörte dem Bund der Vertriebenen als außerordentliches Mitglied an. Immer dann, wenn es dem Verfassungsschutz gelang, dort irgendetwas "Extremes" zu entdecken, war Witt gerade nicht dabei. Witt in einer Gegendarstellung an die "Tageszeitung":

Sie schreiben, der "gesamtdeutsche Studentenverband" (GDS), dessen Beriner Landesverband ich mitgegründet habe, sei vom Bundesinnenministerium als in den achtziger Jahren rechtsextremistisch beeinflußt anzusehen. Diese Beurteilung stammt aus dem Jahre 1985. Ich bin erst 1988 Mitglied im GDS geworden und 1990 ausgeschieden.

Die "TAZ" konterte, ihre Informationen stammten aus einer Drucksache des Bundestages vom August 1992. Witt stand auch im Impressum der salonfaschistischen "Jungen Freiheit". In den Anfangszeiten des Blattes jedoch, so der heutige Redakteur Torsten Thaler, habe man das nicht so genau gesehen, auch jemand, der vorwiegend Kaffee kochte oder Abonennten warb - wie Torsten Witt -, habe als "Mitarbeiter" im Impressum gestanden. Witt hat sich mit den Zielen der JF so weit identifiziert, dass er allein 100 Ausgaben in Berlin zugeschickt bekam.

Im "Coburger Convent" herrschte nach seiner Gründung 1919 ein "nationalkonservativer Konsens". Der Verband will "unpolitisch" sein, was auch immer das bedeuten mag, ist aber vor allem sehr tolerant gegenüber Gästen und Mitglieder, die sich am äußerst rechten politischen Rand bewegen. Redner preisen dann auch mal den "ethischen Wert und die beispiellose Hingabe- und Opferbereitschaft derWehrmachtssoldaten", Autoren der Verbandszeitung CC-Blätter schreiben gleichzeitig für das ultrarechte Hetzblatt Nationalzeitung.

Korporierte, die sich beim Fraternisieren mit Stiefelfaschisten erwischen lassen, müssen jedoch mit Ärger rechnen. Der rechte Rand der Burschenschaften hat es nicht nötig, sich mit Neonazis öffentlich zu verbünden. Wer Deutschland in den Grenzen von 1939 mag, kann sich notfalls auf dem vom CC und der Deutschen Sängerschaft gemeinsam veranstalteten Studententag an den "mittelhochdeutschen Hochschulen" wohlfühlen - gemeint sind Universitäten in den neuen Bundesländern.

Vielfältige Verflechtungen

Der korporierte Stallgeruch umweht Witt im Kreise seiner Anhänger, die seinen Monologen artig zuhören, bis heute. Im Gespräch lässt er mehrfach Bemerkungen fallen, die versuchen, die Bildung der Anwesenden anzuzweifeln. Diese Attitüde passt recht gut zu der in Burschenkreisen weit verbreiteten Idee, die Elite müsse dem Fußvolk sagen, wo es lang zu gehen habe.

"Wir sind keine Anfänger", muss Torsten Witt mehrfach erklären. Das stimmt für seine Seilschaften in Berlin auf jeden Fall. Mit äußerst lebhaften Versammlungen und verbalen Saalschlachten kennt Witt sich bestens aus. Schon 1983 kam es zum Hauen und Stechen in der "Berliner Schülerunion" (BSU), damals ein Sammelbecken für Nachwuchsrechte, die später die "Republikaner" gründeten. Andersdenkende würden verleumdet und bedroht, so ein Flugblatt, und "die politische Generallinie nach rechtsaußen" verschoben. Beobachter sprachen von "fliegenden Kreisverbänden" - eine Methode, die angesichts der jüngsten Ereignisse in Brandenburg und Berlin irgendwie bekannt vorkommt.

Aus jener Zeit stammen die ersten Kontakte, die bis heute halten und die auch beim Einmarsch der Witt-Truppe in den Berliner Journalisten-Verband zu beachten sind. Seine Gefolgsleute sind fast alle Mitglied im Verband Junger Journalisten Berlin-Brandenburg e.V., der auf den ersten Blick politisch unverdächtig ist, da seine Mitglieder allen demokratischen Parteien angehören. Man muss auch nicht, wie Alexander Kulpok, der Vorsitzende des DJV Berlin, es versucht, den VJJ politisch klinisch rein zu waschen mit der Bemerkung, dort seien auch "junge Menschen aus jüdischen Familien" beheimatet.

Der VJJ wurde 1986 als "Berliner Jugendpresse e.V." gegründet. Torsten Witt wurde Vorsitzender, einer seiner Stellvertreter war Dirk Lehnartz. Lehnartz, nur wenig später Geschäftsführer und Schatzmeister, ist der Sohn des heutigen Vorstandsmitglieds im DJV Berlin und Fotografen Klaus Lehnartz. Die zarten Familienbande spielten in jüngster Zeit eine Rolle im Berliner Verband bei der Diskussion, wer wen warum begünstigt und wer wie viele Verbandsgelder ohne ordentliche Belege verschleudert hat. Dirk Lehnartz zog sich aber aus der aktiven Arbeit zurück. Der Verein wurde Anfang der 90er Jahre in "Verband Junger Journalisten Berlin-Brandenburg e.V." umbenannt. Ein ehemaliger Funktionsträger erinnert sich jedoch an politische Auffälligkeiten:

In der Geschäftsstelle hing viele Jahre eine Karte von Deutschland in den Grenzen von 1937. Die Farben des Verbandslogos waren denen der deutschen Reichfahne angeglichen - schwarz, weiß und rot. Die "Junge Freiheit" lag auch aus. Für mich steht Witt ausserhalb des demokratischen Spektrums.

So sah das auch der Berliner Sozialsenator Thomas Krüger. Er trat am 14.12.1993 aus dem Kuratorium des Verbands Junger Journalisten Berlin-Brandenburg aus. Zitat:

Zu diesem Schritt sehe ich mich durch mir leider erst jetzt vorliegenden Informationen veranlasst, die belegen, dass Sie, Herr Witt, in der Vergangenheit über Jahre hinweg zumindest Kontakte zu der neuen rechtsextremistischen Szene in Deutschland gepflegt haben und es dabei an der nötigen Distanzierung vermissen ließen.

Schon seit Mitte der neunziger Jahre hatte man beim VJJ die Idee, den "Deutschen Journalisten-Verband" in Brandenburg und Berlin zu unterwandern. Auch der frisch gewählte Schatzmeister des DJV in Berlin, Christian Spilgies, so erinnert sich der Zeuge, sei fast von Anfang an dabei gewesen. Spilgies ist im Immobilien- und Bankgeschäft aktiv und betreibt den Journalismus im Nebenberuf. Der VJJ veranstaltete in Berlin einen "Jugendpresseball", war aber finanziell stets klamm. Im Februar 1996 wies das Amtsgericht Berlin-Charlotenburg einen Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vereins zurück, "da nach den angestellten Ermittlungen eine den Kosten des Verfahrens entsprechende Masse nicht vorhanden ist."

Der VJJ schuldetet allein der Messe- und Funkturm-Gastronomie GmBH rund 36000 DM. Der Anwalt der Gläubiger versuchte sogar , den Verein aus dem Vereinregister löschen zu lassen. Torsten Witt wurde aufgefordert, die Namen von Vereinmitgliedern vorzulegen. Der leugnete, über die Unterlagen zu verfügen, schon im Oktober 1995 hatte er schriftlich erklärt, nicht mehr als Vorstand zu fungieren. Weitere Klagen wegen unbezahlter Rechnungen folgten. Das Amtsgericht meldete dem Polizeipräsidenten, aus den Akten gehe nicht hervor, wer Kassenwart und wer Kassenprüfer sei. Im Jahr 1998 erklärt das Amtsgericht: "Der Verein verfügt über keinen handlungsfähigen Vorstand."

Erst am 11. November ändert sich das: Vorsitzender wird Jan Luther, heute auch stellvertretender Vorsitzender des DJV Berlin. Der Vorstand des VJJ erklärt heute, er habe sich mit den Gläubigern geeinigt und die Schulden bezahlt. Ein ehemaliges Mitglied des VJJ gibt zu Protokoll, Witt habe während der "führerlosen" Zeit des Vereins zu den Sitzungen eingeladen, sie geleitet und alle Finanzen geregelt.

Seilschaften zahlen sich eben aus. Drei Vorstandsmitglieder des DJV Brandenburg arbeiten in der MKM media Verlags- und Medienproduktionsgesellschaft oHG. Alle drei sind auch im Vorstand des VJJ. Die Anschrift des VJJ ist dieselbe wie die der Firma. Auf dem Klingelschild sieht man ein weiteres Logo, dass bei der Finanzierung vielfältiger Aktionen der Seilschaft Synergie-Effekte erahnen lässt. Im derselben Wohnung ist auch die "Thailand & Asien-Reisen GmBH" (TAR) angesiedelt. Torsten Witt, der nach eigenen Angaben heute nicht hauptberuflich als Journalist arbeitet, ist dort Geschäftsführer. Ein "Kooperationspartner", das etwas halbseidene Magazin Farang herausgibt, lädt zu Misswahlen in Thailand ein und verweist darauf, dass "Interessenten und Sponsoren" sich in Witts Reisebüro melden könnten.

Ein ehemaliges Vorstandsmitglied des DJV Berlin schreibt: "Zu Beginn der Mitgliederversammlung lagen auf den Tischen, an denen sich die Mitglieder eintragen mussten, Werbehandzettel von TAR (Thailand- & Asien-Reisen) aus. Ich habe protestiert, daraufhin wurden sie entfernt." Man darf darauf warten, dass der DJV Brandenburg, dessen stellvertretender Vorsitzender Witt heute ist, demnächst vielleicht "Pressereisen" nach Thailand anbietet.