Pleiten, Pech und Pannen

Alles untersucht, nichts geklärt, niemand verantwortlich - Mission erfüllt - Die 9/11-Untersuchungskommission hielt ihre letzten öffentlichen Hearings

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Schlechte Vorbereitung und allgemeine Verwirrung sorgten dafür, dass die Abfangjäger am 11.9. zu spät kamen - so lautet, kurz gefasst, die simple Antwort der 9/11-Untersuchungskommission auf die Frage nach dem Ausbleiben jeglicher Luftabwehr. Damit werden über zweieinhalb Jahre nach der Tat und nach über anderthalb Jahren Untersuchung dieselben Ausreden präsentiert wie in den Tagen danach, nach dem Motto: "Wir haben unser Bestes getan, aber 9/11 ließ sich einfach nicht verhindern."

Zu den schönsten Grafiken, die auf der 9/11-Konferenz in Toronto gezeigt wurden, gehörte das Abschlussbild von Joyce Lynn's Referat über die Unabhängige 9/11-Untersuchungskommision.

Grafik von Joyce Lynn

Jedes der Kommissionsmitglieder war mit seinen Verbindungen zu einem Ölfass, einem Panzer oder einer Kamera - zur Energie-, Rüstungs- oder Medienindustrie - als Linie eingezeichnet und vorgestellt worden. Dass am Schluss einfach alle diese Verbindungen übereinander eingeblendet wurden, ersparte jeden weiteren Kommentar zur "Unabhängigkeit" dieser Kommission.

Nur ein Kopf in der Grafik wies keine Verbindung zu diesem wahrhaft dschungelartigen Beziehungsgeflecht auf - Senator Max Cleland -, der nach seiner lautstarken Kritik an den Vertuschungs- und Weißwasch-Operationen der Kommission schnell ausgetauscht wurde.

Da die Mission dieser Untersuchung nicht in der Aufklärung des stattgefundenen Massenmords, sondern in der Verhinderung künftiger Verbrechen liegen sollte, kann man, was den ersten Teil dieser Anforderung betrifft, nun behaupten: Mission erfüllt. Auch nach Abschluss der letzten öffentlichen Hearings und fast drei Jahren sind die für die Aufklärung des Verbrechens entscheidenden Fragen - von der Identität der Täter über den Ablauf der Tat bis zum Ausbleiben jeglicher Abwehrmaßnahmen - immer noch weitgehend offen.

Viele unverzichtbare Beweismittel wie unter anderem die Original-Passagierlisten, die Flugschreiber und der Funkverkehr der entführten Maschinen wurden der Kommission vorenthalten - und so wundert es nicht, dass sie nun zum Abschluss ihrer öffentlichen Hearings mit einem erschreckend substanzlosen Papier den Umriss des 9-11-Plots skizziert.

Geschichten aus dem Off

Von Neuigkeitswert ist daran so gut wie nichts, abgesehen von den Gerüchten, die einmal mehr ein berühmtes Phantom aus dem Off geraunt hat: Khalid Sheik Mohammed (KSM), jener angebliche "Chefplaner" des 11.9., der zusammen mit dem Kollegen Binlashibh an unbekanntem Ort in US-Gewahrsam gehalten wird - und seitdem als unsichtbares Al-Qaida-Sprachrohr fungiert (Rätsel um Scheich Mohammed). Wie der kanadische Autor Chaim Kupferberg in seiner gründlichen Analyse gezeigt hat, wurde KSM in den letzten zwei Jahren gezielt in die 9-11-Legende eingewoben - während gleichzeitig der britisch-pakistanische ISI-Topagent Omar Saeed Sheik, der 100.000 $ an Atta überwiesen und den US-Journalisten Pearl entführt haben soll, aus den Headlines verschwand (siehe dazu: "Scheichegal - wie mit der Verwandlung von Omar Saeed Sheik in Khalid Sheik Mohammed ein neuer Haupttäter des 11.9. geschaffen wurde").

Stattdessen ist KSM jetzt der Mann für die Schlagzeilen - und lieferte auch für den neuesten Zwischenbericht der 9/11-Kommission die Fleischhäppchen: Die Anschläge waren schon einige Monate früher und mit 10 Flugzeugen geplant, sie sollten noch weit verheerender ausfallen und nicht Osama Bin Laden, sondern er, KSM, sei der eigentliche Drahtzieher und hätte auch die Idee gehabt. Sagt niemand anderes als .... KSM, bei dem freilich, aus Gründen der nationalen Sicherheit, niemand nachfragen kann. Und dessen Geständnisse nahe legen, dass sie möglicherweise "unter an Folter grenzendem Druck abgerungen wurden", wie der "Spiegel" zwar kritisch feststellt, die Stories von KSM gleichwohl aber sämtlich übernimmt und es auch ansonsten ganz genau weiß: "Die Ur-Idee für 9/11 kam dem eigentlichen Hauptdrahtzieher, Chalid Scheich Mohammed, schon lange bevor sie der al-Qaida-Chef absegnete." Sagt? Niemand anderes als KSM, den freilich kein Mitglied de Kommission je zu Gesicht bekam ... sondern der stets aus Verhörprotokollen zitiert wird, die kein Gericht der Welt als Beweis anerkennen würde, weil sie unter Folter gewonnene Aussagen enthalten könnten.

Auch die Medien in Demokratien haben die Verwendung von solchem Beweismaterial als un-ethisch geächtet - was den "Spiegel" freilich nicht abhielt, schon im Oktober 2003 auf Basis von Aussagen des KSM eine Titelstory "Das Geständnis" zu veröffentlichen. Dass auch jetzt die offizielle Kommission nach anderthalb Jahren als Ergebnis nichts anderes zu bieten hat als die in jeder Hinsicht dubiosen Aussagen des Khalid Sheik Mohammed ist ein investigatives Armutszeugnis ohnegleichen - und deutet schon an, dass auch der für Ende Juli geplante Abschlussbericht nichts enthalten dürfte, was wirklich der Wahrheitsfindung dient.

Start von unbewaffneten Abfangjägern

Zusammen mit Khalid Sheiks neuen Geschichten hat die Kommission auch einen Zwischenbericht zu den Timlelines der einzelnen Flugzeugentführungen ins Netz gestellt. Mehr als ein Achselzucken à la "Wir haben unser Bestes getan, aber 9/11 ließ sich einfach nicht verhindern" bringt auch dieses Papier nicht. Außer allgemeiner "confusion" keine Erklärung dafür, warum weltweit selbstverständliche Standardprozeduren am Morgen des 11.9. gleich vier Mal nicht in Kraft traten.

F-15-Abfangjäger waren am 11.9. von der Andrews Air Force Base gestartet - zu spät und unbewaffnet

Die Frage nach der Koordination der "Wargames" des 11.9. wurde nicht dezidiert gestellt. General Myers hielt aber fest, dass die Alarmbereitschaft durch Manöver grundsätzlich nicht eingeschränkt oder verwirrt werde. Sein Kollege, der NORAD-Chef General Eberhart glaubt sogar, dass durch das zusätzliche Personal für die "Wargames" die Wachsamkeit gar noch verbessert wurde. Dass dennoch kein Abfangjäger bei den Maschinen eintraf, hätte einzig und allein mit dem verspäteten Alarm durch die Zivilbehörde FAA zu tun gehabt. Einmal mehr lässt sich also auch nach diesem Hearing der gewünschte Schluss ziehen, dass zwar "Pleiten, Pech & Pannen" zu dem Desaster führten, aber letztlich niemand verantwortlich ist.

Das Protokoll der Befragung der für die Luftabwehr verantwortlichen Generäle Myers, Arnold und Eberhart wird mit Sicherheit noch genauer unter die Lupe genommen werden, ebenso wie der Zwischenbericht der Kommission, der die Pannen-Story weiterspinnt. Interessant ist hier vor allem die Aussage von Eberhardt, dass auf der Andrews Air Force Base, nur 12 Meilen vom Pentagon entfernt, zwar Abfangjäger gestartet seien ... aber unbewaffnete. Dies entspricht etwa der Aussage eines Feuerwehrhauptmanns, es seien zwar rechtzeitig Feuerwehrwagen gestartet, aber ohne Wasser und Schlauch ...

If we had to go get them right this minute and have them take off, they're not armed. They're not armed. They're not armed for good reason because they're going to go fly a training sortie, so you don't want to be up there flying training sorties armed. So we would have to upload the munitions. And so therefore, if it's a come-as-you-are party or tragedy, as it was that morning, we had to take the assets that were armed because otherwise all they could go up and do is observe, which is better than nothing but it doesn't work the problem. ... So even though, for example, we talk about the aircraft that took off from Andrews that morning, they weren't armed. So they were observers is what they were. So they couldn't have shot down an airplane if need be.

Ralph Eberhart

Eberhardt war nach der Andrews AFB nicht gefragt worden und gab diese Story vorauseilend von sich aus zu Protokoll - offenbar wohl wissend, dass diese Frage - wenn nicht von der Kommission, dann von den Opferangehörigen - gestellt werden würde. Dass auf der Andrews AFB - Heimatflughafen der Präsidentenmaschine "Air Force One" und Luftüberwachungsstation des Washingtoner Regierungsviertels - vor dem 11.9.defintiv Jets im QRA (Quick Reaction Alarm)Zustand stationiert waren, ist Fakt. Dass sie am 11.9. - General Eberhardts Aussage zufolge - unbewaffnet gewesen sein sollen, ist ungefähr so wahrscheinlich, wie dass sie aus Versehen Diesel getankt oder wegen eines platten Reifens nicht in die Luft kamen.

Auf Andrews ist die District of Columbia Air National Guard (DCANG) stationiert, die als ihre Aufgabe beschreibt: "To provide combat units in the highest possible state of readiness." Besser geht's doch eigentlich nimmer, als für "Kampfeinheiten im höchsten Bereitschaftsstatus" zu sorgen.... Doch am 11.9. hat es halt mal nicht geklappt und am 13.9.2001 - so haben wir bereits in unserem Buch "Fakten. Fälschungen und die unterdrückten Beweise des 11.9." gezeigt - wurde die Webseite der Andrews Airforce Base geändert. Das vollmundige Mission Statement ist seitdem verschwunden.

Ob dereinst die Frage einmal beantwortet wird, wie die AA 77 fast 50 Minuten Zeit haben konnte, unbehelligt das Pentagon anzusteuern, bleibt abzuwarten - bis dahin müssen wir uns damit zufrieden geben, dass sie zuerst einmal über eine halbe Stunde einfach nicht beachtet wurde (Pleite), dass die nächstgelegene "Feuerwehr" auf Andrews nicht fähig war zu "löschen" (Pech) und die Abfangjäger aus Langley und Otis zu langsam waren (Panne). Und da es bei den anderen drei Flugzeugen so ähnlich lief, insgesamt also PPP hoch vier, sind vor lauter Missgeschick und Durcheinander dann schon fast gar keine Täter mehrnotwendig. Was auch besser so ist, denn wenn wir da genauer hinschauen, landen wir doch nur wieder bei den Märchen von KSM aus tausendundeiner Terrornacht...

Damit dieser recht durchsichtige Vertuschungszirkus nicht so gar zu plump daher kommt, wurde mit den jüngsten Zwischenberichten der Kommission noch ein kleiner Pseudo-Konflikt inszeniert, der die großartige Unabhängigkeit der von Bush/Cheney handverlesenen Kommission herausstreichen soll: die Veröffentlichung von "Erkenntnissen", dass es keinerlei Zusammenarbeit von Bin Laden und Saddam Hussein gegeben habe. Nun hat eine solche Zusammenarbeit außer den Kriegstreibern im Weißen Haus nie auch nur ein einziger ernsthafter Kenner des Mittleren Ostens jemals behauptet - dies jetzt als große Erkenntnis der Ermittlungen zum 11.9. herauszustellen, dient insofern nur als Vorlage, dank der Vizepräsident Cheney "die Medien frontal angreifen" kann - und damit indirekt die Kommission mit ihren "unabhängigen", gar regierungskritischen Erkenntnissen adelt. Deren Abschlußbericht wird für den 26. Juli erwartet - geht aber vor der Veröffentlichung in Buchform erst noch zur Überprüfung an den Auftraggeber George W.Bush. Spätestens dann dürfte sichergestellt sein, dass er außer unvermeidbaren PP&P rein gar nichts mehr enthält...