"Im Zweifelsfall gegen den Angeklagten"

Die einstige Hoffnung auf Musterurteile, die Normalbürger im Internet vor den großen Konzernen schützen, muss inzwischen begraben werden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In den Jahren 2000 und 2001 entdeckten die Juristen das "Reverse Domain Hijacking", die Taktik, sich fremde Internetadressen durch eine Markenrechtsklage über irrsinnige Summen einzuklagen. Der Beklagte geht dabei meist bankrott – der Kläger aber mitunter auch, wie im vom Betroffenen tapfer bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) getragenen Holzmann-Fall

Als das Internet immer populärer wurde und nicht nur E-Mail, sondern auch Webzugang und die Möglichkeit, eigene Webseiten zu erstellen, allgemein erschwinglich wurden, machten sich neben reinen Privatleuten auch viele Freiberufler und Kleingewerbetreibende auf, sich ein virtuelles Häuschen im Web einzurichten. Mancher solcher Versuch war vom Design her nicht einmal besonders weit von den peinlichen Privat-Homepages mit rotierenden Briefkästen, Musikgedudel und Schriftfarbe kreischgelb blinkend auf kotzgrünem Hintergrund entfernt.

Doch die Webseiten großer Firmen waren mitunter sogar noch schlimmer und es zählte auch meist weniger das große Geld, mit dem vor dem Dotcomboom sowieso niemand rechnete, als überhaupt etwas Eigenes ins Netz zu stellen und sich selbst auf mehr oder weniger gelungene Weise zu präsentieren. Statt: "mein Haus, mein Auto, meine Frau" war es dann halt "unser Büro, unsere Leistungen, unsere Ideen". Das Internet war der "Wilde Westen" – wer zuerst kam, belegte seinen Claim und stellte sein Häuschen drauf, was auch zunächst niemand störte, denn es gab und gibt Platz genug.

Das änderte sich, als die Konzerne begannen, sich Gedanken über "diese paar Internet-Spinner" zu machen, die unerwarteterweise immer mehr wurden. In Deutschland achtet man nun einmal nicht darauf, ein gutes Produkt anzubieten und damit die mögliche Konkurrenz auszustechen; nein, man lässt das Produkt lieber so schlecht, wie es nun einmal ist und widmet seine Zeit stattdessem dem Ziel, der Konkurrenz kräftig ans Bein zu treten, so wie sich ja auch privat manch guter Deutscher lieber um seinen Nachbarn kümmert als um seinen eigenen Dreck.

Die Kirschen in Nachbars Garten…

Wer auf das Haus seines Nachbarn oder dessen Lage neidisch ist, kann sich darüber natürlich maßlos ärgern. Er kann aber auch aktiv werden und sagen "Ich bin soviel bekannter als Du, ich sollte in diesem Haus am Berg über der Stadt mit dem großen Swimmingpool wohnen und Deine Freundin sollte mich verwöhnen und nicht Dich". Allerdings würde er mit solch einer Äußerung nur Gelächter hervorrufen – und Empörung, denn natürlich stehen ihm weder Freundin, noch Gehalt oder Arbeitsplatz des Nachbarn zu.

In Internetdingen sieht die Rechtssprechung dies jedoch anders: Hier darf man das schöne Häuschen nicht behalten, wenn es dem des mächtigen Nachbarn zu ähnlich geraten ist. Das Hinterhältige dabei ist, dass hier oft seit Jahren bewohnte Häuser innerhalb weniger Tage zwangsgeräumt werden. Und der anschließend einziehende neue Besitzer dann die Post des vorherigen Inhabers erhält, denn einen Nachsendedienst wie die Post kennt das Internet nicht.

"Emergency.de" – ein echter Domain-Notfall

Einer der ersten derartigen Fälle in Deutschland, der größere Publizität gewann, war der Streit um das Häuschen mit dem Namen emergency.de. Das hatte sich der Privatmann Michael Best eingerichtet, um darauf Informationen über Notarztwagen zu sammeln. Der Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel war nun als Vertreter der Firma Topware der Ansicht, dass Informationen über Notärzte, Notfälle und ähnlicher kostenloser Hobbykram nichts im Internet zu suchen haben, sondern Topware dort vielmehr ihr Computerspiel "Emergency" bewerben solle. Ebenso ging er gegen -zig Domainbesitzer mit "d-" als Bestandteil der Internetadresse vor. Seine eigene Website ist dagegen hochprofessionell, insbesondere im Gästebuch stapeln sich Einträge wie "Joachim, ich will ein Kind von Dir" oder "Sollen sich doch all die verklemmten Weiber über Dich aufregen (...und weiter im Frauenbuchladen einkaufen) – ich finde Dich extrem geil. Diese souveräne, arrogante Art, rhetorisch immer brillant – was kann es erotischeres geben?"

Michael Best gewann zwar am Ende vor Gericht, war aber vom rüden Vorgehen des Anwalts so entnervt, dass er sich dazu noch während des Verfahrens auf seiner Website äußerte und auch einen Link zu einer "Steinhöfel-Love-Page" setzte, auf der über den Anwalt ebenso derb hergezogen wurde, wie dieser gerne über andere spricht. Doch auch wenn der Statements wie "Ich bin doch nicht blöd" singende Joachim Steinhöfel sich schon mal selbst "Arschloch" nennt, um den CD-Verkauf anzukurbeln, hat er es gar nicht gern, wenn dies andere tun: Er verklagte Michael Best wegen des Links auf die Läster-Seite, weil er deren eigentliche Urheber nicht ermitteln konnte oder wollte.

Umstritten: Die Link-Haftung

Die Frage, ob man für Links haftbar gemacht werden kann, war zu dieser Zeit offen und um den teuren Prozess für den nicht vermögenden Best, der sonst sofort kapituliert hatte, finanzieren zu können und ein die Freiheit des Web und seiner Verlinkungen bestätigendes Grundsatzurteil zu erreichen, gründete sich der Verein "Freedom for Links". Doch dieser Prozess ging prompt – gerade, weil so viele darauf hofften – verloren: Eine Verunglimpfung gilt seitdem auch dann als solche, wenn man nur wie Michael Best sagt "Ich möchte mich zu diesem Menschen nicht selbst äußern, aber lesen Sie doch mal, was andere über ihn sagen und bilden Sie sich daraus Ihre Meinung".

Michael Best bekam seine Unkosten zwar von Freedom for Links ersetzt, nahm aber dennoch entnervt die Notarztwagen aus dem Netz und Joachim Steinhöfel harkte anschließend noch jahrelang auf Freedom for Links herum, bis er dort eine Lücke fand und auch dieser Verein aufgeben musste. Auch andere stets auf Publicity versessene Anwälte erwiesen sich als schlechte Verlierer.

Nur wenige gingen auf dem Zahnfleisch bis vor den BGH

Die meisten per millionenschwerer Klage Abgemahnten gaben nach der ersten verlorenen Instanz auf, oft unter massiven Vorwürfen der Internet-Gemeinde. Auch der Autor musste sich im Streit um wdr.org einst etliche Vorwürfe anhören, nicht nur von persönlich bekannten Leuten inklusive des Chefs, die ihre versandten Mails nun mal nicht beim westdeutschen Rundfunk sehen wollten, sondern auch von völlig Unbekannten, die nicht wollten, dass diese Entscheidung fixiert wird, sondern auf eine Revision in einer höheren Instanz hofften. Nur wäre diese bei einem Streitwert von einer halben Million nicht finanzierbar gewesen, was auch durchaus so beabsichtigt war.

Später gab es einige Mutige, die tatsächlich durch alle Instanzen zogen, so Dr. Shell um seine Adresse shell.de oder der Online-Spieler Maxem um maxem.de. Und wer dachte, dass die unteren Instanzen in Internet-Dingen schon unsinnige Entscheidungen treffen, der durfte feststellen, dass der Unsinn auf dem Weg zum BGH durchaus noch beliebige Steigerungsmöglichkeiten bietet. So bei dem Streit um die Domain tipp.ag, bei dem nun ernsthaft rechtskräftig entschieden wurde, dass Antigua-Domains (.ag) in Deutschland nur eingetragenen Aktiengesellschaften zustünden und keinesfalls von einer GmbH benutzt werden dürfe, die zudem "Moramis" hieße und nicht "Tipp". Außerdem wurde in zweiter Instanz die Revision nicht mehr zugelassen, da "das Urteil keine grundsätzliche Bedeutung habe".

Genau die Urteile, auf die alle schauen, haben plötzlich "keine grundsätzliche Bedeutung"

Dabei hat es genau diese, denn auch wenn es in der Entscheidung um spezielle Eigenheiten des Falls ging, wird die Rechtssprechung zukünftig genau auf diese Entscheidung zurückgreifen, so wie ja auch bei shell.de. Demnach müsste nun also für GmbHs folgerichtig die Top-Level-Domain ".gmbh" neu eingeführt werden und solange es die nicht gibt, haben GmbHs gefälligst aus dem Internet zu verschwinden. Der unseriöse Teil der Anwaltschaft reibt sich schon die Hände beim Gedanken an die nun folgenden Abmahnwellen.

Von den bekannteren Fällen positiv ausgegangen sind lediglich der Fall "oil-of-elf.de", bei der die gegen Greenpeace klagende Firma Elf in der zweiten Instanz verlor und dann nicht vor den BGH zog, sondern das Urteil akzeptierte und der Fall Deutsche Welle gegen die US-Firma Diamond Ware, der allerdings vor einem internationalen Schiedsgericht der WIPO entschieden wurde und nicht vor einem deutschen Gericht.

"100 Jahre U-Bahn sind genug, damit ist jetzt Schluss!"

Dass die kommerziellen Interessen der Konzerne mittlerweile sogar direkt in unseren Sprachgebrauch eingreifen, wird längst akzeptiert. So sind inzwischen alle denkbaren Kombinationen des Begriffs "Metro" unter Beschuss. Zwar ist "Metropolis" ein berühmter Film von Fritz Lang und ein uralter Begriff für Großstädte und "Metro" als Kurzform von "Metropolitain" für die Pariser U-Bahn, die Moskauer U-Bahn sowie die U-Bahn in noch 42 europäischen Städten und allgemein als Begriff für U-Bahnen auch in Amerika und Asien gebräuchlich, nun auch gut 100 Jahre alt und hierfür im Duden eingetragen und nicht etwa als Firmenname, doch durch einige Schülerwebseiten über U-Bahnen in Nürnberg (www.nuernberg-metro.de) und Berlin (www.berlin-metro.de) sah sich der Metro-Konzern prompt in seiner Entfaltung beeinträchtigt, obwohl der Cash & Carry-Gigant nicht einmal die für ihn viel logischeren Adressen wie www.metro-nuernberg.de besitzt und auch unter www.metro-muenchen.de nicht zu finden ist, ohne dass deshalb bisher die Käufer ausblieben: Der Konzern ist schließlich die meiste Zeit der 40 Jahre seiner Existenz hervorragend auch ohne Internet ausgekommen.

Doch "dank" der in der Vergangenheit fast immer zugunsten der Großkonzerne gefallenen Entscheidungen wagt inzwischen niemand mehr, aufzumucken, wenn ein Konzern so sogar in die Privatsphäre von Schülern eindringt. Es wird sich zeigen, wie der Metro-Konzern mit dem geplanten "Metro-Express" der Deutschen Bahn als Nachfolgeprojekt des ausgebremsten "Metro-Rapid" in Nordrhein-Westfalen umgehen wird oder mit den in Hamburg, Berlin und München gestarteten Nachtbuslinien namens "Metrobus".

"Metrosexuals? Klar, das sind Leute, die es mitten im Großmarkt treiben!"

Dass der Cash & Carry-Konzern dann allerdings auch eine – standesgemäß mit Popups verzierte – Seite über Metrosexuelle auf sich bezieht, ist ebenso absurd wie die Klage gegen den Kleinverlag Metroplanet, der lediglich zwei Fanbücher über U-Bahnen im Programm hatte und damit auch keinen Gewinn erzielte, doch außerdem seit fünf Jahren unter www.metropla.net und später auch unter www.metroplanet.de mit einer Informationsseite über U-Bahnen im Netz war.

Alleine wegen der Tatsache, dass der Inhaber der Webseiten Robert Schwandl, als er von den zunehmenden Prozessen gegen auch schon jahrelang genutzte Domains hörte, sich seinen Domain- und Verlagsnamen auch als Marke schützen ließ, um eben nicht eines Tages die Domain samt auch privater E-Mails geklaut zu bekommen, wurde er jedoch von der Metro-Rechtsabteilung härter angefaßt. Denn genau um die Übernahme gut eingeführter Websites und ihrer Besucher geht es ja beim "Reverse Domain Hijacking", da bis heute die Auffassung gilt "Traffic ist Geld und viel Traffic ist viel Geld". Ein DDos-Angriff gegen die eigene Webseite müsste einen nach dieser Logik folglich zum Millionär machen...

Alles Balla-Balla auf dem Metro-Planeten?

Seine restlichen Bücher – je etwa 2000 bereits gedruckte Exemplare des "Berliner U-Bahn-Albums" und des "Berliner S-Bahn-Albums" – darf Robert Schwandl zwar noch verkaufen, den über Hunderte von Links kommenden Traffic der U-Bahn-Fans zieht der Metro-Konzern nun aber ebenfalls auf seine eigenen Inhalte, obwohl diese größtenteils gar keinen Gewerbeschein haben dürften und somit als Kunden für den Großhändler gar nicht in Frage kommen. Ab 1. Juli 2004 hat sich der Metro-Konzern nun auch alle kommerziellen Verwertungsrechte auch für private, an die Adresse info@metroplanet.de versandte E-Mails zugesichert: Robert Schwandl musste unterschreiben, dass er diese E-Mail-Adresse nur noch bis zum 30. Juni 2004 abrufen darf und auf die Domains verzichten.

Die internationale Adresse www.metropla.net, an der der deutsche Konzern weniger Interesse hatte, hat sich ein Holländer geschnappt, der nach der Analyse des eintreffenden Web- und Mailtraffics mit ständig knapp 100 Besuchern nun unter dem Titel "Metro Books" englische Bücher über U-Bahnen über Amazon.com anbietet. Da die beiden unerwünschten Bücher von Robert Schwandl nicht über Amazon und somit auch nicht über www.metropla.net erhältlich sind, ist der Metro-Konzern damit zufrieden. Auch Robert Schwandl speakt unter der neuen Adresse www.urbanrail.net sicherheitshalber nur noch englisch, was dem Abverkauf der deutschen Bücher sicher nicht hilfreich ist, aber zumindest vor der weiteren Gier deutscher Konzerne auf U-Bahn-Fans und andere Hobbyisten schützen dürfte. Es bleiben ihm zudem 1500 Euro Anwaltskosten als Schaden. Weitere Bücher über "öffentlichen Personen-Nahverkehr" im Selbstverlag wird er sich daher kaum mehr antun.

Die Leiche klagt noch aus dem Grab: "Holzmann gegen Holzmann"

Ein weiterer, heute längst vergessener Musterprozess dieser Art war der Fall "Holzmann gegen Holzmann". Der zeitweise in Australien aufgewachsene Selfmademan Gerhard Holzmann war mit dem in einer großen Krise steckenden und 1999 bereits einmal vor dem Bankrott gestandenen Baukonzern Philipp Holzmann aneinandergeraten, der unter philipp-holzmann.de residierte und Gerhard Holzmann – nein, nicht unter gerhard-holzmann.de, sondern unter holzmann-bauberatung.de, eine von Rechtsexperten anerkannte Bezeichnung aus Nachnamen und Branche, die auch nicht verwechslungsfähig war, da Gerhard Holzmann lediglich Bauberatung anbot, jedoch keine Ausführung.

Doch der Holzmann-Baukonzern sah es genau andersherum als die Experten: gerhard-holzmann.de wäre durchaus ok gewesen, holzmann-bauberatung.de dagegen nicht. Vermutlich hätte der Konzern jedoch auch in diesem Fall geklagt, nur genau andersherum. Und wirklich zufrieden sei man nur mit einer Adresse wie gerhard-holzmann-bauberatung.de oder gar gerhard-holzmann-bauberatung-augsburg.de, die dann garantiert auf keine Visitenkarte mehr passt und am Telefon nur die Telefongesellschaft freut, weil sie das Gespräch in die Länge zieht.

Wer wird schon gerne mit einem Bankrotteur verwechselt?

Gerhard Holzmann war hiermit verständlicherweise nicht einverstanden, da er nie irgendwie versucht hatte, mit dem Bauunternehmen verwechselt zu werden – wozu sollte er auch, wo dieses doch bereits als Bankrotteur bekannt war? – und all seinen Mailverkehr über die strittige Domain abwickelte. Außerdem wollte Gerhard Holzmann erreichen, dass solche Unsitten gar nicht erst einreißen, dass eine große Firma einfach allen kleineren Unternehmen mit gleichem Namen die Internetadressen entführen könne. Er wusste: Gibt er auf, wäre genau dies der Fall.

Obwohl er kein Vermögen hatte, ging er also brav gegen den Baukonzern vor Gericht. Das hatte dieser sich in Hamburg ausgesucht – schön weit weg vom bayrischen Augsburg. Dort wurden dann die Hauptverhandlungen geführt – in zwei Instanzen. Diese übernahmen das Urteil samt aller Rechtschreibfehler direkt vom Statement des Konzernanwalts und auch hier wurde die Möglichkeit der Revision vor dem BGH vom Hamburger Gericht ausdrücklich ausgeschlossen.

Schwer eingeschränkt: Das "Recht der Gleichnamigen"

Nicht berücksichtigt wurden dagegen Entscheidungen des BGH, dass bei Gleichnamigen nicht die Internetadresse allein zur Unterscheidung dient, sondern auch die Gestaltung der Eingangsseite zu berücksichtigen sei. Und hier unterschieden sich der Baukonzern und der Augsburger Kleinunternehmer sowohl in Optik wie Inhalt eindeutig.

Gerhard Holzmann konnte diese Ungerechtigkeit nicht glauben und dachte immer noch, "Gericht" komme von "gerecht" und nicht etwa von "gerächt". Er suchte sich einen der 31 am BGH zugelassenen Anwälte, um dort doch noch eine Revisionsmöglichkeit zu erreichen und sein Anwalt schrieb die Begründung

... Zudem besteht eine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Recht der Gleichnamigen unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten der Domain-Adressen, nicht zu verwechseln mit dem Begriff "Domain-Name", ist höchstrichterlich weiter erklärungsbedürftig und im vorliegenden Fall auch entscheidungserheblich. Durch die Einmaligkeit der Second-Level-Domain-Adressen haben sich die Probleme der Gleichnamigkeit maßgeblich verschärft. Nunmehr treffen auf dieser Ebene alle Gleichnamigen zusammen, die bisher wegen der gegebenen territorialen Ferne nicht miteinander kollidierten (vgl. als plastischen Vergleich die Tatsache, dass sich unter "www.bgh.de" die "BGH-Unternehmen" auf dem Gebiet des Edelstahls im Internet melden!)

Beschwerdebegründung von Gerhard Holzmann

Der BGH-Anwalt weigerte sich jedoch, in seiner Eingabe an den BGH auch das bereits ergangene Urteil über die Unterscheidungskraft unterschiedlicher Websites beizulegen. Nur die Rechnung kam – und nach einigen Wochen ein kurzes Bedauernsschreiben der beiden Anwälte und ein etwa zehn Zeilen langes, getipptes Urteil mit dem Vermerk

...Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilssenat vom 25. September 2003 wird zurückgewiesen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht erfordert (§543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens....

Die Folgen: Bei mittlerweile fast 80.000 Euro Schulden ist Gerhard Holzmann nun seit dem Frühjahr 2004 bankrott. Internet und Telefon sind längst abgestellt und damit hat er natürlich auch keine Möglichkeit mehr, Aufträge zu bekommen und Geld zu verdienen. Also ein großer Sieg für den Holzmann-Konzern?

Holzmann: Eine Pleite kommt selten allein

Natürlich nicht, denn dieser ging schon lange vor Gerhard Holzmann zum zweiten Mal und diesmal trotz Kanzlerhilfe endgültig pleite und existierte zur Zeit der Urteilsverkündung gar nicht mehr. Den Anwälten ging es mit der Fortführung des Prozesses lediglich darum, den Wert der Marke "Philipp Holzmann" zu steigern, um diese noch gewinnbringend verkaufen zu können. Doch das Interesse, den Namen eines für Misswirtschaft bekannten Bankrotteurs zu übernehmen, hält sich bis heute schwer in Grenzen und nicht einmal Gerhard Holzmann würde diese Marke haben wollen.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass in Internetfragen auf absehbare Zeit nicht dieselben Massstäbe angesetzt werden wie im "richtigen Leben", Gerichte selbst gegen den Wunsch, die Privatpost fremder Leute konfiszieren und kommerziell auswerten zu wollen, nicht vorgehen und Einzelpersonen vor Gericht selbst gegenüber praktisch nicht mehr existenten Zombie-Konzernen keine Gerechtigkeit erwarten können, sondern nur ein Urteil.

Rechtssicherheit? Fehlanzeige!

Die Hoffnung auf Musterurteile und zukünftige Rechtssicherheit geht dagegen praktisch immer nach hinten los: Während seinerzeit für die Mehrheit der Juristen klar war, dass Gerhard Holzmann absolut nichts Unrechtes getan hatte und den Rechtsstreit ohne Probleme gewinnen müsse, sagen heute viele derer, die es nachher prinzipiell immer besser wissen, "na also das hätte ich Ihnen auch gleich sagen können, wenn Sie mich gefragt hätten".

Alles, was Gerhard Holzmann bleibt, sind etliche verpfuschte Jahre und ein verlorenes Vermögen, das er zuvor nicht einmal besessen hat. Gegenüber den 6000 Arbeitslosen, die die letzten Aktivitäten des Holzmann-Konzerns sonst noch bewirkt haben, ist die Pleite von Gerhard Holzmann natürlich nur eine unbedeutende, doch trotzdem völlig überflüssige Randnotiz der Konzerngeschichte. Von Gerhard Holzmanns einstiger, völlig undeutscher positiver Zuversicht statt des hierzulande üblichen und gesellschaftlich eher anerkannten Gejammers über Staat und Konjunktur ist jedoch nichts geblieben, seine eigene Schilderung der Vorfälle, die er Telepolis zukommen ließ, erwies sich als nicht veröffentlichbar.

Bleibt zu hoffen, dass er sich zumindest nicht umbringt, denn das würde – so makaber es klingt – den Wert der Unglücksmarke "Philipp Holzmann" auf ein am Markt kommerziell wieder interessantes Level steigern: Markenrecht geht durchaus gerne über Leichen. So war der bislang einzige Kommentar zum Vorfall, dass ein vom LG Köln angeordnetes Impressumsverbot mittelbar zu einem ziemlich unappetitlichen Todesfall führte:

"Das ist gut – das stärkt unsere Marke!"

Ironie des Schicksals: Ausgerechnet das unselige Objekt der einstigen Auseinandersetzung, die heute unter www.baubedarfhandel.com erreichbare, aber nun nutzlose Website, ist – da im Voraus bezahlt – noch existent. Die einstige Website der Philipp Holzmann AG existiert dagegen nicht mehr.