Die Produktion von Machinima-Filmen

Machinima Teil III

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Für die Produktion eines "typischen" Machinima-Films braucht ein Regisseur weder Schauspieler, noch eine Kamera oder ein Filmteam, sondern lediglich einen PC, eine Kopie des Spiels, mit dem er arbeiten möchte, zusätzliche Software für die Filmerstellung sowie ein Mikrophon für den Ton.

A Great & Majestic Empire. (AgaME)

Zunächst muss sich der Filmemacher entscheiden, welche Game Engine er verwenden möchte. Game Engines unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Funktionen und Möglichkeiten z. B. beim Skripten, ihrer Benutzerfreundlichkeit, ihrer Anforderungen an die Hardware des Users und ihrer Verbreitungsrate voneinander. Anfängern werden die Engines von Half-Life und Unreal Tournament empfohlen, da beide Spiele gute Filmtools mitliefern und es eine riesige Fan-Gemeinschaft gibt, die Modelle, Texturen und Sets entwirft.1

Wie bei anderen Filmproduktionen steht ein wohldurchdachtes Storyboard am Anfang, obwohl manche Machinima-Produzenten die Bedeutung des Storyboard geringer einschätzen. Dann werden die Charaktere geschaffen, wobei entweder Figuren oder Objekte des Games modifiziert werden, indem man ihre Texturen (Oberflächen) auswechselt, komplett neue Charaktere mit Hilfe von Animationssoftware wie z. B. 3D Studio Max baut oder modelliert, bzw. fertige Objekte und Figuren kauft (z. B. bei Turbo Squid). Parallel dazu wird die Tonspur aufgenommen.

Wenn alle Figuren und Objekte fertiggestellt sind, kann gedreht werden. Hier gibt es zwei grundlegende Möglichkeiten: Die Figuren werden entweder von den Produktionsbeteiligten per Tastatur und Maus bewegt. Theoretisch kann ein Film von nur einer Person hergestellt werden. Sind es mehrere Spieler, werden mehrere Computer zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. Jeder Spieler steuert - wie ein Puppenspieler - mittels umdefinierter Tastaturtasten eine Figur. Komplexe Bewegungsabläufe sind über die Tastatur schwierig zu realisieren, daher sind die Filmemacher gut damit beraten, durch minimalistische Bewegungen Lebendigkeit und Mobilität in der Szene zu suggerieren bzw. wirklich nur die Körperteile zu animieren, die in der Einstellung tatsächlich sichtbar sind.

Der leistungsstärkste Computer fungiert als Server und die Person, die ihn bedient, als Regisseur und Kameramann, indem sie z.B. die Kameraperspektive steuert. Es ist allerdings nicht zwingend notwendig, dass alle Beteiligten zur gleichen Zeit im gleichen Raum anwesend sind. Manche Produktionsteams, wie z. B. die Macher der StarWars-Parodie A Great Majestic Empire (kurz AGaME), kennen sich lediglich aus Online-Spielgemeinschaften, erledigen ihre Aufgaben unabhängig voneinander und kommunizieren nur per Telefon und Email. Die Alternative zu manuell gelenkten Figuren besteht darin, die Figuren über Skripte zu steuern, die per Playback abgespielt werden.

Neu: Produktion in Echtzeit

Als ein großer Vorteil und Definitionsmerkmal von Machinima im Unterschied zu herkömmlichen 3D-Animationen gilt - wie schon oben erwähnt - die Produktion in Echtzeit. Anders als bei CGI-Animationen, bei denen die Filme je nach zur Verfügung stehenden Hardware-Kapazitäten stunden-, tage- oder auch wochenlang gerendered werden, ist bei Machinima das Ergebnis sofort sichtbar, deutlich spontaner und für die Filmemacher stärker kontrollierbar. Fehler oder unbefriedigende Ergebnisse können sofort korrigiert werden.

Arcoxia (Strange Company)

Mit der Produktion in Echtzeit wird die traditionelle technische Definition von Animation, die auf dem Prinzip der Einzelbildschaltung basiert und die bislang alle noch so unterschiedlichen Animationstechniken vereinte, hinfällig, denn bei der 3D-Animation gibt es auf der Produktionsseite keine voneinander isolierbaren Einzelbilder mehr, sondern nur noch Objekte und Steuerungsbefehle.

Konkurrenz für High-End CGI?

Machinima-Filme können je nach den graphischen Möglichkeiten der verwendeten Game-Engine dreidimensionalen Raum überzeugend darstellen. Der gern bemühte Vergleich mit den CGI-Blockbustern erscheint gegenwärtig doch noch sehr überhöht, denn Machinima-Filme können bislang nicht an den Realismus heranreichen, den CGI mittlerweile produzieren kann. Der visuelle Stil ist eher cartoonhaft, den Figuren wie auch Szenerien ist ihr grobpolygoner2 Charakter meist deutlich anzusehen. Gesichtszüge sind häufig nur sehr reduziert und Bewegungen der Figuren - nicht zuletzt auch aufgrund der Live-Produktion - grob und holprig.

Ähnlich wie Folienanimation und anders als Realfilm müssen Machinima-Filme sich nicht um Unschärfe ("out of focus") kümmern. Unendliche Tiefenschärfe des gesamten Filmraums ist die Regel, nicht die Ausnahme. Der Wechsel zwischen Schärfe und Unschärfe, der in der konventionellen Filmsprache ein effektives Mittel ist, Personen oder Objekte zu akzentuieren, steht bei Machinima also nicht zur Verfügung.

Dass die Kameraperspektive frei gewählt werden kann, gilt als einer der Vorteile von Machinima und ermöglicht ungewöhnliche Kameraperspektiven oder -bewegungen wie z. B. den Korkenzieher-Shot. Außerdem braucht die Kamera keinen Platz am virtuellen Set und ist so niemals im Weg. Sorgfältig eingesetzte Kamerabewegungen sind eine Möglichkeit, von nur minimal animierten Charakteren abzulenken. Manche Machinima-Filmemacher übertreiben es allerdings mit der Kamerafreiheit und lassen die Kamera unmotiviert im Raum herumfahren (z. B. bei Anachronox).

Ozymandias. (Strange Company)

Um spieltypische Eigenarten unsichtbar zu machen, arbeiten Machinima-Artisten mit verschiedenen Tricks: Durch Verwenden hoher Auflösungen, Abschneiden der Ränder oder Einfügen transparenter Grafiken in die Engine können vom Spiel vorgegebene Statusanzeigen vermieden werden.3

Vom Produzent zum Zuschauer: Distributive Facetten

Fertig gestellte Machinima-Filme werden vor allem über das Internet verbreitet. Um sie ansehen zu können, braucht normalerweise nicht nur der Produzent, sondern auch ein Zuschauer das Spiel, in dem der Film hergestellt wurde, und benutzt dieses quasi als Player. Für den Download wird der Film in seine Komponenten gespalten, was seine einzelnen Dateien, die die geänderten Objekte, Modelle, Sounds, Maps usw. enthalten, klein und transportierfähig macht. Während mit gängigen Codecs (Real Media, Windows Media) komprimierte Videofilme je nach Komprimierungsgrad im negativen Extremfall nur in Briefmarkengröße mit verwischten und ruckartigen Bildern abspielen, kann der Film bei Benutzung eines Spiels als Player im Vollbildmodus abgespielt werden. Außerdem ist es zumindest theoretisch möglich, interaktive Elemente - wie z. B. freie Kamerasteuerung durch den User - in Machinima-Filme einzubetten. Allerdings wurde diese Möglichkeit bislang kaum genutzt.

Um jedoch die Zuschauerschaft nicht nur auf Spielbesitzer zu beschränken, spielen die meisten Filmemacher die Filme (auch) auf Video aus und komprimieren sie anschließend. Das hat auch den Vorteil, dass die Filme mit Videoschnittsoftware wie Adobe Premiere nachbearbeitet werden können und kompakter in nur einer Datei zusammengefasst sind.

Damit sind die Filmdateien - je nach gewünschter Auflösung - allerdings deutlich größer und das Filmbild kleiner. So ist etwa der knapp 56minütige Speedrun Half-Life Done Quick als Demo-Datei, die das Spiel Half-Life als Player benötigt, 55 MB groß. Komprimiert mit einer Auflösung von 320x240 Pixel umfasst die Datei 196 MB, in hoher Auflösung mit 800x600 Pixel sogar 650 MB, d.h. sie ist nahezu zehn mal größer als die Demo-Datei.4

Was genau ist Machinima?

Wie alle 3D-Animationen spielen Machinima-Filme in einer virtuellen, dreidimensionalen Umgebung. Das Besondere dabei ist, dass die Szenen von der Game Engine in Echtzeit berechnet (gerendert) werden. Das Rendern in Echtzeit ist der kleinste gemeinsame Nenner für Machinima-Filme, darüber hinaus existieren in der Szene verschiedene konkurrierende Definitionen und Abgrenzungsversuche für Machinima, die lebhaft in den Foren diskutiert werden.

Einige Filmemacher plädieren für einen weiteren Begriff und subsumieren unter Machinima auch noch die Cinematics oder Cutscenes, die narrativen, nicht-interaktiven Zwischensequenzen in Computerspielen, sofern sie mit der 3D Engine des Spiels produziert werden, geskriptete Sequenzen, programmierte Animationen wie Demos sowie auch die Echtzeit-Vorschau von Grafik-Programmen. Wieder andere schränken Machinima ein, indem sie neben der Echtzeitberechnung den Aspekt der Live-Produktion betonen - nach dieser Definition wären Cinematics kein Machinima.5

Diese Tendenz der Machinima-Bewegung, bereits wesentlich länger etablierte Techniken wie z. B. Demos unter dem Dach von Machinima zu vereinnahmen, könnte auch eine Strategie der Autopromotion sein, um den eigenen Gegenstand als bedeutungsvoller und größer erscheinen zu lassen.

Mit den gerade skizzierten Merkmalen ist Machinima ein schwammiges Konglomerat aus so unterschiedlichen Künsten und Handwerken wie Realfilm, Animation, Puppentheater, Improvisation, Spielentwicklung und Programmierung in - je nach Film - unterschiedlichen Anteilen. Machinima teilt mit Realfilm die Aufzeichnung in Echtzeit; mit Animation ähnliche Produktionsschritte wie bei CGI; mit Puppentheater, dass die Figuren von Spielern quasi wie mit Strippen (fern-)gesteuert werden; mit Improvisation, dass einige Machinima-Künstler ihre Filme live und unter Einbezug des Publikums produzieren; mit Programmierung, dass manche Machinima-Filmemacher eigene Engines entwickeln und dass es Filmemacher gibt, die die Bewegungen ihrer Figuren durch Skripte steuern.

Wie sich diese unterschiedlichen Definitionsversuche in der visuellen Ästhetik niederschlagen und welche unterschiedlichen Machinima-Stile sich in der lebhaften Szene herausgebildet haben, folgt im nächsten Teil.

Bibliographie