Schmiergelder bedrohen globale Artenvielfalt

Die Korruption offizieller Regierungsstellen beschleunigt Raubbau an der Natur

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Korruption ist ein weltweites Phänomen, besonders in jenen Entwicklungsländern, die einen großen Anteil an der globalen Artenvielfalt ausmachen. Besonders alarmierend ist die häufig anzutreffende Korruption offizieller Regierungsstellen, die mit dem Management natürlicher Ressourcen betraut sind.

Korruption belastet alle Gesellschaften, jedoch leiden einige Staaten besonders darunter (siehe Abbildung). Politische Korruption durch Machtmissbrauch zum Zwecke der persönlichen Bereicherung oder zur Erlangung anderer privater Vorteile ist besonders häufig in Entwicklungsländern anzutreffen.

Obwohl Korruption Umweltbelastungen durch Behinderung von Entwicklungsaktivitäten drosseln kann, wird sie wegen ihrer treibenden Kraft bei der übermäßigen Ausbeutung natürlicher Ressourcen und Behinderung von Schutzprogrammen üblicherweise als Bedrohung einer nachhaltigen Entwicklung wahrgenommen. Viele Ökosysteme wie die artenreichen tropischen Wälder und Korallenriffe sowie die Wälder der gemäßigten und borealen Zonen sind höchst gefährdet. In der aktuellen Ausgabe von Trends in Ecology and Evolution stellt William F. Laurance vom Smithsonian Tropical Research Institute, Balboa, Panama, eine Studie von Joyotee Smith und ihren indonesischen sowie US - Kollegen vor, die beleuchtet, wie Korruption ungezügeltes illegales Holzfällen und damit die Zerstörung tropischer Wälder in der indonesischen Provinz Kalimantan auf Borneo fördert.

Holzfällen ist in den Tropen ein Milliardengeschäft. Korruption ist derartig heimisch in der Tropenholz-Industrie, dass die Beziehung zwischen beiden nur als "symbiotisch" beschrieben werden kann. Korruption erlaubt Holzfällern, sich über Umweltschutzregulierungen hinwegzusetzen, Holzquoten zu missachten, außerhalb zugewiesener Flächen zu fällen sowie Holzzölle und Exportabgaben zu umgehen. In Indonesien führt illegales Holzfällen und unerlaubter Export zu massiven Verlusten im Staatshaushalt, die vom indonesischen Forstwirtschaftsministerium auf jährlich 4 Milliarden US-Dollar beziffert werden.

Regierungswechsel können die Korruption fördern

Die vorliegende Studie geht von zwei Formen der politischen Korruption aus: der geheim abgesprochene (collusive) Korruption und der nicht geheim abgesprochenen. Beide Formen grassieren in Indonesien. Bei der geheim abgesprochenen Korruption verschwören sich der Bestechende und die Regierung zum Diebstahl von Staatseinkommen. Nach Zahlung von Bestechungsgeldern erfolgen beispielsweise bevorzugte Lizenzvergaben, die gleichwertig mit einer Entwertung der vorhandenen Ressourcen sind und damit einer Begünstigung von Raubbau gleichkommen - anzutreffen in Ländern mit schwachen Regierungen. Diese Form der Korruption ist schwer nachzuweisen und auszumerzen. Nicht geheim abgesprochene Korruption ist ein Merkmal starker, zentralisierter Regierungen - die eingestrichenen Gelder werden zum Machterhalt genutzt. Gezahlt wird an hochrangige Offizielle oder direkt an die Regierung.

Es wird gezeigt, dass sich die relative Bedeutung beider Formen einschneidend veränderte, als die Zentralregierung instabil wurde und nach dem Abgang von Suharto 1998 zerbrach. Unter der stark zentralisierten Suharto-Diktatur (1967 - 1998) blühte die nicht geheim abgesprochene Korruption. Holzeinschlag-Konzessionen gingen in großem Maßstab an chinesisch-indonesische Konglomerate, die im Gegenzug Suhartos Familie massiv bereicherten, Unterstützung für seine politischen und militärischen Verbündeten boten und Regierungsprojekte förderten - wie das umweltzerstörende Transmigrationsprojekt, das Millionen Javaneser nach Borneo, Sumatra, Neuguinea und andere indonesische Inseln umsiedelte. Es wird vermutet, dass Suharto während seiner Präsidentschaftszeit die Rekordsumme von 15-35 Milliarden US-Dollar veruntreut hat.

Nach dem Zusammenbruch des Suharto-Regimes gewann die geheim abgesprochene Korruption schlagartig an Bedeutung. In Kalimantan schmierten Holzunternehmer die lokalen Behörden, um an eine übertrieben große Zahl kurzfristiger Holzfäll-Genehmigungen zu kommen. Bedacht wurden außerdem Militär und Polizei, offizielle Vertreter der Forstwirtschaft der jeweiligen Provinz, Regierungsbeauftragte der Distrikte sowie örtliche Häuptlinge. Nicht zu vergessen die Grenzpatrouillen und malaysischen Behörden, die den illegalen Holzexport in den malaysischen Teil Borneos ermöglichten. Die Schmiergelder überstiegen bei weitem die durch die Regierung eingenommenen Holzzölle.

In dieser anarchischen Situation wurde illegales Holzfällen zum Problem, das mit einer nachhaltigen Holznutzung nichts mehr gemein hatte. Die Fläche des gefällten Waldes überstieg die vorher autorisierte Fläche um Größenordnungen. Holzfällen in Nationalparks wurde zur Normalität. Durch die Kombination mit einer schneller Umwandlung der Wälder in Ölpalmen-Plantagen erreichte die Entwaldung in Kalimantan katastrophale Ausmaße. Zwischen 1985 und 2001 wurden 56% des Tieflandwaldes innerhalb von geschützten Gebieten zerstört, zusammen mit dem Großteil des Tieflandwaldes außerhalb dieser geschützten Zonen.

Die Verbreitung von Korruption in den Entwicklungsländern. Dargestellt ist der Zusammenhang von Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (Per-capita GDP) und Korruptions-Wahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International. Je kleiner die Werte, desto beherrschender die Korruption.

Was kann im Kampf gegen Korruption getan werden? Anti-Korruptionsstrategien sind vielfältig und wenden sich an internationale, nationale, zivile und geschäftliche Organisationen. Transparency International ist eine Nichtregierungsorganisation, die Korruption und deren Auswirkungen studiert. Hier ist man der Meinung, dass die wohlhabenden Nationen praktische Hilfe zur Korruptionsbekämpfung in den Entwicklungsländern leisten sollen. Geberländer und internationale Finanzinstitutionen sollen Druck auf uneinsichtige korrupte Regierungen ausüben. Ebenso sollten reiche Länder aktiver bei der Durchsetzung internationaler Abkommen mitwirken - wie bei der Anti-Bestechungskonvention der OECD, um Bestechungen durch multinationale Gesellschaften einzudämmen. Hier liegt einiges im Argen.

Die Neigung zu Bestechung innerhalb neu entstehender Märkte findet seinen Niederschlag im Schmiergeldzahler-Index (Bribe Payers Index) von Transparency International. Multinationale Unternehmen aus Russland, China, Taiwan und Südkorea belegen vorderste Plätze, dicht gefolgt von Vertretern aus Italien, Malaysia, Japan, USA und Frankreich.

Die Anti-Korruptionsgesetzgebung bleibt ohne strafrechtliche Vollstreckung fruchtlos. Bisher haben 35 Staaten Strafen für Korruption in Zusammenhang mit länderübergreifenden Geschäftsaktivitäten verhängt; Anti-Korruptions-Spezialeinheiten werden geschaffen, über Schutzprogramme für Informanten wird nachgedacht. Ein weiterer Punkt ist die Sensibilisierung und Information der Öffentlichkeit. So wird in Brasilien 2005 ein "Globales Forum zur Bekämpfung von Korruption" stattfinden.

Für jene, denen etwas an Erhalt und Schutz unserer Umwelt liegt, ist das Beispiel der Korruption in Indonesien ein ernüchternder Ausblick in die Zukunft. Unter Suharto betrug die Rate der Waldzerstörung ca. 1 Million Hektar pro Jahr. Nach dem Zusammenbruch des Regimes erfolgte eine extreme Beschleunigung auf ca. 2 Millionen Hektar pro Jahr.

In der problembeladenen Welt von heute besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit destabilisierender Regierungswechsel - siehe ehemalige Sowjetunion, Irak sowie einige an die Sahara grenzende Staaten. Diese können begleitet werden von einem Zusammenbruch der Kontrolle der natürlichen Ressourcen. Das wiederum begünstigt Korruption und eine Mentalität des Plünderns, Raubbau wird zur Norm. Waldvernichtung (Wer stoppt die Waldvernichtung?) und Umweltzerstörung gehen weiter.