Quantenfluss unter der Donau

Erfolgreiche Teleportationsversuche im Wiener Untergrund

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Im Untergrund von Wien war einst der Dritte Mann unterwegs und warf seine lange Schatten an die Wände der Abwasserkanäle. Jetzt gibt es einen Quantenkanal in einem Tunnel unter der Donau, der die Teleportation von Quantenzuständen zwischen zwei Labors möglich macht.

Die Wiener Quantenphysiker unter Leitung von Anton Zeilinger ("Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist") machten zuletzt im April Schlagzeilen, als sie die erste quantenkryptisch verschlüsselte Banküberweisung öffentlich durchführten (Beam Your Money!). Bei dieser Demonstration nutzte die Forscher-Gruppe bereits das unter der Donau in einem Tunnel verlegtes Glasfaserkabel für die Übertragung der Quantenzustände.

Schema des Experiments (Bild: Rupert Ursin

Jetzt stellt Rupert Ursin zusammen mit anderen Physikern vom Institut für Experimentalphysik der Universität Wien im Wissenschaftsmagazin Nature das Konzept dieser unterirdischen Quantenteleportation vor (Long Distance Teleportation).

Unterm Fluss liegt der Kanal

Zuverlässige und effiziente Quantenteleportation über lange Strecken (Scotty, beam me up, there is no intelligent life on this planet!) ist einer der Knackpunkte für kommende Anwendungen im Bereich der Quantenkommunikation und entsprechender Netzwerke. Teleportation wird nach der legendären Fernsehserie Star Trek auch oft als Beamen bezeichnet (Beam me up), aber während sich Spock und Captain Kirk auf dem Bildschirm problemlos ent- und wieder materialisieren lassen, verwenden Wissenschaftler auf unserem Heimatplaneten für den Transfer von Informationseinheiten die kleinsten Elemente des Lichts, die Photonen.

Teleportation nennen die Physiker die Herstellung einer exakten Kopie eines Quantensystems an einem anderen Ort durch Ausnutzung verschränkter Zustände, wobei das Original eigenschaftslos wird, d.h. es überträgt alle seine Eigenschaften und ist dann selbst "ausgewaschen", sozusagen seiner Information beraubt. Es handelt sich also nicht um einen wirklichen Kopierprozess, sondern eine komplette Informationsübertragung. Dieser Prozess reagiert sehr empfindlich auf Störungen von Außen, denn diese führen rasch zum Zerfall des Zustands der Verschränkung (Dekohärenz).

Die Wiener haben nun einen Kanal etabliert, der 630 Meter lang ist und zwei Labors verbindet. Unter der Donau verlegte die Wiener Kanal Abwassertechnologie ein Glasfaserkabel, wie es vielfach auch für die Telekommunikation verwendet wird. Glasfaser eignet sich hervorragend, um gepulste Lichtimpulse – resp. die kleinsten Lichteinheiten namens Photonen – zu versenden. Die einfache und durchaus bereits verbreitete Technik, gängige Kabel in einem bestehenden Kanalnetz zu verlegen, sehen die Quantenphysiker als möglichen Grundstein für ein internationales Quantenkommunikationsnetzwerk.

Alice und Bob bleiben zuverlässig in Verbindung

Die Physiker bezeichnen Sender und Empfänger in der Quantenkommunikation ganz menschlich als Alice und Bob (Bob und Eve tun es im Quantenland). Bei dem Experiment der Wiener wird das Glasfaserkabel als Quantenkanal zwischen Alice und Bob genutzt, daneben gibt es in klarer räumlicher Trennung noch eine Funkverbindung von Ufer zu Ufer, die eine klassische Kommunikation zur Kontrolle zwischen den beiden Labors ermöglicht.

Trotz Temperaturschwankungen und anderen Umwelteinflüssen ist die Erfolgsrate der erfolgreichen Teleportationen beachtlich. Die Autoren ziehen das Fazit:

Wir haben unter den Bedingungen der realen Welt, außerhalb der Laboratorien, Quantenteleportation über eine weite Distanz und mit hoher Zuverlässigkeit demonstriert. Unser System verbindet unseres Wissens zum ersten Mal einen Bell Zustand-Analyzer (Bell Zustand: maximal verschränktes Quantensystem aus zwei Qubits) mit aktiver unitärer Transformation, die im Vergleich mit früheren Experimenten mit unabhängigen Photonen eine Verdoppelung der Effizienz der Teleportation ermöglicht.

Die moderne Glasfasertechnologie ist ein viel versprechender Ansatz, um mit dem neuen Verfahren eine zuverlässige und effektive Quantenkommunikation verschränkter Teilchen zwischen Alice und Bob zu erreichen, selbst bei vielen Störungen durch eine reale Umgebung.