Transatlantische 9/11-Skepsis

Zum 3. Jahrestag hat der Unglaube an der offiziellen Version zwar die meisten New Yorker erreicht, aber nicht die großen Medien

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Dass 66% aller Bürger New Yorks nach dem Abschlussbericht der 9/11-Untersuchungskommission weitere Ermittlungen verlangen und 49% aller New Yorker überzeugt sind, dass die Bush-Regierung über die Anschläge im voraus informiert war – diese Nachricht, basierend auf Ergebnissen des renommierten Demoskopie-Institus Zogby Poll, machte zum 3. Jahrestag der Terroranschläge keine Schlagzeilen.

Vor einem Jahr noch, als eine Umfrage der "Zeit" ein ähnliches Meinungsbild in Deutschland erbrachte, schlugen die Wellen hoch (Der Countdown läuft) und die Kommentatoren mit Schaum vor dem Mund auf die vermeintlichen Verursacher ein. Eine Handvoll "Verschwörungstheoretiker" - so der allgemeine Tenor der Entrüstung – hätte mit ihren "Phantastereien" zwei Drittel der Bevökerung den Kopf verdreht, indem sie die typisch deutschen Vorurteile des Anti-Amerikanismus und Anti-Semitismus bedienten. Dass es sich bei diesem Vorwurf um ausgemachten Humbug handelt, sollte allerspätestens durch diese neue Umfrage klar geworden sein: Dass auch die Hälfte aller New Yorker/innen an der offiziellen Legende zweifelt, kann wohl schwerlich an diesen "deutschen" Vorurteilen liegen.

Doch die Tatsache, dass diese offizielle Legende schlicht unglaubwürdig ist und auch zum 3. Jahrestag kein überzeugender, gerichtstauglicher Beweis für die Alleintäterschaft von Osama und den 19. Hijackern vor liegt, kurz: dass die offizielle Version der Ereignisse nach wie vor kein anderes Prädikat als das einer lupenreinen Verschwörungstheorie verdient – diese Tatsache muß als Tabu weiträumig umschifft werden. Und so verschwinden Skepsis, Zweifel und Misstrauen der New Yorker in der Versenkung der Kurzmeldungen. In Deutschland nahm man sie überhaupt nicht zur Kenntnis – und rührte stattdessen zum Jahrestag noch einmal die Gleichung 9/11-Skepsis = Anti-Amerikanismus = Anti-Semitismus aus dem Vorjahr auf. Dass dabei, der Dramaturgie halber, ein bisschen gelogen werden mußte, demonstrierte das "Kulturzeit"-Magazin des TV-Senders 3-Sat gleich im ersten Satz seines Berichts:

31 Prozent der deutschen Jugendlichen unter 30 Jahren glauben, dass Juden und Amerikaner hinter den Anschlägen vom 11. September stecken.

Bei der Umfrage im letzten Jahr war allerdings nur gefragt worden, ob die US-Regierung möglicherweise selbst hinter den Anschlägen stecken könnten - von "Juden" war überhaupt nicht die Rede. Dass sie hier von der "Kulturzeit"-Redaktion hineingedichtet werden, scheint wohl weniger dem Zufall als der Diskreditierung der 9/11-Skepsis geschuldet, sowie der Diffamierung der üblichen Verdächtigen: von Bülow, Wisnewski, Bröckers. Als Experten fährt 3-Sat dann zwei Jungwissenschaftler auf, die den 9/11-Unglauben als typischen Fall von "Schuldabwehr-Antisemitismus" diagnostizieren – eine mentales Krankheitsbild, das mittlerweile auch die Hälfte der New Yorker Bevölkerung befallen hat, aber das konnten die "Wissenschaftler" ja nicht ahnen als sie diesen typisch deutschen Mumpitz erfanden.

So "underreported" die Nachricht von der wachsenden 9/11-Skespis in den Mainstream-Medien blieb – so rührig blieben im die Aktivisten im Untergrund, wie die lange Liste von Publikationen und Veranstaltungen des 911skeptics.blogspot zum Jahrestag deutlich macht. Freilich zeigt der Streit über chaotische Konferenzen, dubiose Finanziers und die generelle Ausrichtung des "9/11-Truth-Movement", dass auch diese politische Bewegung von der Gefahr interner Selbstzerstörung nicht verschont geblieben ist. Inwieweit von einer "Bewegung" überhaupt die Rede sein kann, hat Sander Hicks in einer ausführlichen Reportage für GNN untersucht und dabei auch die "Samen der Zerstörung" entdeckt:

Auf seiner schlechtesten Seite gibt einem das 9/11 Truth Movement die Einsicht, warum der Begriff "Verschwörungstheoretiker" im unsichtbaren Leitbuch der Mainstream-Medien zur Abkürzung für "unglaubwürdiger Spinner" wurde. Dann ist es auf einmal nicht mehr schwer zu verstehen, warum die offensichtlichen Anomalien der Kennedy-Ermordung niemals die angemessene Aufmerksamkeit anerkannter Medienkanäle erhielt. Wenn es so viele verrückte Theorien über den Fahrer der Limousine gibt, der sich herumdreht und JFK erschießt, wie es ordentliche wissenschaftliche Untersuchungen über die reale Wahrscheinlichkeit mehrer Schützen, versinkt der Weizen in der Spreu. Ähnlich trägt auch das 9/11 Truth Movement den Samen seiner eigenen Zerstörung.

Wie einst "Realos" und "Fundis" bei den Grünen fetzen sich in Sachen 9/11 das LIHOP- (Let it happen on purpose) und das MIHOP (Make it …)–Lager über die Frage, ob die US-Regierung nur von den Anschlägen wusste oder ob sie auch aktiv daran beteiligt war. Hypothesen über das fehlende Flugzeug im Pentagon oder Raketen unter den WTC-Boeings werden von der LIHOP-Fraktion als Desinformation und "Rote Heringe" gebrandmarkt, etwa unter Verweis auf eine von Penny Schoener zusammengestellte Liste mit 86 Augenzeugenberichten des Pentagon-Crashs. John Judge, Mitgründer der Initiative Citizen Watch, wird dafür von der anderen Seite als Fake Opposition denunziert, die bloß staatstragende Schadensbegrenzung betreibe. Den radikalen MIHOPs dagegen wird ihrerseits vorgeworfen, letztlich im Namen des Staats unterwegs zu sein, um mit verrückten Theorien und Internet-"Beweisen" jede ernsthafte öffentliche Diskussion zu diskreditieren.

Wie aber, fragt Sander Hicks, kann eine Bewegung wachsen,

wenn skeptische und intelligente Menschen auf inakzeptable unlogische Theorien stoßen? Sie wenden sich ab und wollen mit der ganzen Untersuchung nichts mehr zu tun haben. Wenn nur eine Theorie existiert, die offensichtlich falsch ist, können die Massen weiter in intellektuellem Gehorsam gehalten werden, denn die offizielle Geschichte bedeutet Sicherheit und Gültigkeit, keine Gefahr sich lächerlich zu machen. Der 9/11-Report fungiert dabei als eine Art mitverantwortlicher Elternteil, der Bequemlichkeit verspricht und mehr Anhängigkeit an die große Familienlüge. Die Architekten der Desinformation bauen darauf, dass die Leute Angst haben sich lächerlich zu machen.

Dem entspricht, was einer der Aktivisten auf seine Umfrage antwortete:

Ich weiß, dass Bush und seine Kameraden Lügner sind. Ich weiß, dass sich rechtsstehende religiöse Ideologien benutzen, um ihre unmoralischen Aktionen zu rechtfertigen. Aber ich bin noch nicht so weit zu sagen, dass sie auch bei einem Mord an 3.000 unschuldigen Menschen die Hand im Spiel hatten.

Auch bei den US-Grünen, die eine weitere Untersuchungskommission fordern, ist man noch nicht soweit, Mitch Cohen, Grüner aus Brooklyn, auf die Frage, ob er bestimmte Theorien, die im 9/11 Truth Movement diskutiert weden, auschließt: "Kein Kommentar. Wir alle arbeiten extrem hart um die Wahrheit auszugraben."

Dass diese Grabungsarbeiten nicht nur von der Komplexität des gesamten 9/11 Falls erschwert werden, sondern auch von einigen mit Tarnen, Täuschen und Vertuschen befaßten "Wahrheitssuchern" ist sicher keine übertrieben paranoide Annahme. Auch die bei Gralssuchern verbeitete Egomanie erleichtert die Wahrheitsfindung nicht. Und wenn dann irgendwann, wie einst mit CoIntelPro, jeder jeden für einen Agenten hält, wäre die Bewegung erfolgreich paralysiert – und das Märchen von Osama und der Wilden Neunzehn (von den Machern der Southpark-Cartoons jetzt als Puppentheater: Team America –World Police) endgültig ein Fall für die Geschichtsbücher. Doch soweit ist es hoffentlich noch nicht – und der Unglaube der New Yorker Bevölkerung sollte zumindest den öffentlichen Druck nach weiteren Untersuchungen verstärken.

Da die Lücken des offiziellen 9/11-Reports von der Vorbereitung der Tat - dem Treiben und dem Umfeld der Hijacker in Florida - bis zu ihrem Ende – dem Einsturz des dritten WTC-Gebäudes – reichen, und auch die Schlüsselfrage nach dem Ausbleiben der Luftabwehr noch unbeantwortet ist, werden noch zahlreiche Zeugen gehört werden müssen. Die will auch die Opfer-Witwe Ellen Mariani aufrufen, deren Prozess gegen die Bush-Regierung vom "Project Censored" der Sonoma University gerade unter die Top Ten der am meisten unterdrückten Nachrichten des Jahres gewählt wurde.

Dass ein ordentliches Untersuchungsverfahren und die damit zusammenhängenden polizeilichen Ermittlungen bis heute nicht stattgefunden haben - und wenn es nach dem Willen des Bush-Regimes geht auch künftig nicht stattfinden werden -, ist der eigentliche Skandal zum dritten Jahrestag. Und wohl kein Zufall: Nur so lange niemand verantwortlich gemacht wird und Fiktion und Wahrheit des 11.9. ununterschiedbar bleiben – nur so lange bleibt der Universalteufel Al-Qaida als Drohkulisse flexibel einsetzbar.