Eine deutsche Fleißarbeit

In "Der Untergang" kriegt Adolf Hitler seinen Abgang nochmal in Farbe

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"Längst fällig" und "eine historische Aufgabe" war es laut den Machern von "Der Untergang", dass der deutsche Film sich mit den letzten Tagen des Nazi-Regimes beschäftigt. Bernd Eichinger, Oliver Hirschbiegel und andere redliche Menschen haben sich dieser Aufgabe gestellt. Das war brav von ihnen.

Berlin, April 1945. Draußen tobt der Häuserkampf. Der Krieg ist fast verloren. Im sogenannten Führerbunker müssen sich die prominenten Figuren des Dritten Reichs auf die baldige Niederlage vorbereiten. Der innere Zirkel hat sich um Adolf Hitler versammelt, neben Funktionären, Medizinern und sonstigen Schergen auch die Familie Goebbels, Eva Braun und die Sekretärin Traudl Junge. Die letzten Tage des Nazi-Regimes sind angebrochen.

Wenn das nicht ein Superstoff für eine Verfilmung ist! Einer, bei dem mal alle Drehbuchregeln gebrochen werden können, denn schließlich muss man sich ja an die Fakten halten oder wenigstens an die Bücher von Traudl Junge und dem Historiker Joachim Fest.

Eva Braun und Adolf Hitler halten Händchen (Bild: Constantin Film)

Alles zunächst nicht so schlimm. "Der Untergang" ist nicht "Gloomy Sunday", "Comedian Harmonists" oder "Nichts als die Wahrheit". Er ist kein reißerischer Scheiß, sondern ein relativ diskreter Film, was Zeigefingerschwingen, Zelebrieren der eigenen Gutheit, Versöhner-Schmonzens und diverse andere Tücken betrifft. Das ist vielleicht verwunderlich, da der Produzent und Autor Bernd Eichinger oft nicht so diskret ist und mit so einem Projekt sicher auch auf einen Erfolg wie "Das Boot" schielt, wenn nicht gleich auf den Oscar. Schließlich hat der deutsche Film mit Nazi-Themen im Ausland immer beste Chancen. Und für dieses Mal hat sich Eichinger ein besonderes Eckchen der deutschen Geschichte rausgesucht, in dem der große Auftritt der Allerallerbösesten gewährleistet wird.

Wer weiß, vor ein paar Jahren hätte Eichinger noch Götz George oder Uwe Ochsenknecht als Hitler besetzt. Mit Bruno Ganz hat er sich einen Garanten für Seriöses ins Boot geholt, auch wenn dessen Imitation des privaten Hitler (man denke nur an Walter Moers "Adolf" und das Wörtchen "Kriek!") sehr gewöhnungsbedürftig ist. Auch für die anderen Rollen sind äußerst versierte Darsteller gefunden worden, etwa Juliane Köhler als Eva Braun, Ulrich Matthes als Goebbels oder Ulrich Noethen als Himmler. Diverse Scheußlichkeiten im Kampfgemenge hat der Film durchaus nicht ausgespart, aber Regisseur Hirschbiegel verzichtet auf viel Vordergründiges, etwa auf grummelnde Bässe, schwenkt auch mal von einer Erschießungsszene weg, als genauer hinzuzoomen. Magda Goebbels Mord an ihren Kindern indessen gibt es dann wieder in voller Länge.

Weit vor dem Filmstart wurde bereits, nachdem Ganz in seiner Eigenschaft als Schauspieler über "Mitleid mit Hitler" nachgedacht hat, eine trottelige Debatte begonnen, ob man Gestalten wie Hitler, Goebbels oder Himmler als Menschen zeigen darf oder nicht. "Der Untergang" tut es einfach und versucht dabei eine Charakterskizze der Nazi-Führungsriege zu erstellen: Der Hitler-gläubige Goebbels; seine fanatische Frau; Albert Speer mit seinem zwiespältigen Verhältnis zu Hitler; der Opportunist Fegelein, der sich lieber zum Saufen und Vögeln absetzt; Eva Braun mit ihrer Mischung aus Lebenslust und nackter Blödheit. Dazu treten diverse Offiziere auf, darunter Pflichterfüllungs-Neurotiker, Fanatiker und Fatalisten.

Die Darstellung der einzelnen historischen Figuren, vor allem des geradezu idyllischen Heino Ferch als Albert Speer, mag man missbilligen, die Aufdröselung ist sicher legitim. Denn nach all diesen B-Film-Nazis, die den lieben Filmhelden mit den immer gleichen Bösewicht-Sätzen - "Hohoho! So sieht man sich wieder." - auflauern, kann man es ja nicht oft genug betonen: Die Nazis waren keine Orks oder so etwas, sondern Angehörige der Menschheit und hätten durchaus die Möglichkeit gehabt, sich für ein anderes Leben zu entscheiden.

Es ist "Der Untergang" also ein Film für durchaus Erwachsene, keine Erläuterungswerk für 13-jährige Geschichtsschüler. Mag sein, dass ein belehrendes Erzählen über das Dritte Reich auch hin und wieder nötig ist, aber solche Filme hat man in Deutschland ja schon ein paar gedreht. Die Schuld der Figuren will in "Der Untergang" nicht ständig kenntlich gemacht werden, das Wissen darüber wird vorausgesetzt.

Der Krieg ist fast zu Ende, das Land im Chaos, die Rollen sind verteilt. Der Film sieht sich an, wie die Täter auf ihre nahende Vernichtung reagiert haben. Mit Stolz, Sturheit, Flucht, Resignation, Besäufnis oder eben mit Mord an den eigenen Familie. Hirschbiegel und Eichinger verzichten auch über weite Strecken auf die Kenntlichmachung des Guten in der ganzen Suppe. Nur Hitlers Sekretärin, die scheinbar unbedarfte Traudl Junge, und ein kleiner Bub dürfen für uns davon kommen, und ein Mediziner darf im finalen Chaos ein paar entrüstete Blicke um sich werfen.

Alles aber nicht so schlimm.

Aber nicht so schlimm zu sein wie Guido Knopp oder Joseph Vilsmaier reicht eben nicht.

"Ich habe es als eine historische Aufgabe gesehen, die ich als Deutscher annehmen sollte."
Oliver Hirschbiegel

"Es ist doch eine Aufgabe für deutsche Filmemacher, sich zu diesen letzten Wochen zu äußern."
Ullrich Matthes, Darsteller von Joseph Goebbels

"Das war seit langem fällig."
Christian Berkel, Darsteller von Professor Schenck

"Ich finde es wichtig, dass Deutsche so einen Film erzählen."
Thomas Kretschmann, Darsteller des Fegelein

Lauter ehrbar klingende Sätze, die jedoch die Notwendigkeit dieses Projekts keineswegs erklären. Denn im Film selbst ist kein vernünftiger Grund erkennbar, wieso das alles längst fällig sein und wichtig sein soll. Die an sich selbst gespürte Redlichkeit der Macher kann es ja nicht sein.

Sympathischer klingt da allemal die Aussage von Bruno Ganz, dass ihn "ganz simpler schauspielerischer Ehrgeiz" gepackt hat. Mehr als den Eindruck eines beflissenen, aber völlig banalen Streberprojekts mag "Der Untergang" nicht zu erwecken. Der Bunker wurde schönstens nachgebaut und mit Requisiten ausgestattet, die Schauspieler bieten Vorstellungen von hingebungsvoller Ernsthaftigkeit, und das Drehbuch umgeht etliche der Fallstricke, Fußangeln und Bumerangs des Themas.

Eine echte Fleißarbeit also, die leider womöglich ihrer Hauptfigur bestens gefallen hätte.

Er hat mit klarem Blick auf die Historie seinen Untergang geplant. Er hat es inszeniert und wenn man zynisch sein will, könnte man sagen, dass er dafür der beste Regisseur war. Er wollte diesen Untergang auch wegen des größtmöglichen Effekts genau so inszenieren: Nicht nur seinen Tod, sondern den Untergang des ganzen Volkes. So etwas schafft kein Gaukler, so etwas kann kein durchgeknallter Abenteurer, denn es erfordert Unmengen an Energie und mentaler Leistung. Dem muss man sich stellen. Und dem stellen auch wir uns im Film.

Bernd Eichinger über Adolf Hitler

Und zwar indem sie dieser Regieleistung ohne Not ein sauberes Remake angedeihen lassen.

Vielen Dank.