Machinima versus Urheberrecht

Machinima Teil 5: Rechtliche Aspekte

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Machinima-Filmemacher nehmen Figuren, Sets und Töne aus Computerspielen als Ausgangspunkt für die Gestaltung ihrer Filme, die sie meist über das Internet vertreiben. Aus juristischer Sicht ist eindeutig, dass man die geistigen Inhalte - bei Computerspielen z. B. Geschichten, Figuren und Erzählwelten anderer Personen - nicht ohne Lizenzierung verwenden darf, wenn man damit kommerzielle Zwecke verfolgt.

Szene aus der Machinima-Produktion Matrix 4x1: Subway (Strange Company)

Die Spielepublisher sichern sich ihrerseits meist schon von vornherein gegen alle Eventualitäten ab: Das sogenannte End User License Agreement (EULA) in den meisten Spielen enthält detaillierte Informationen darüber, dass der Spielepublisher alle Rechte an den im Spiel vorkommenden Figuren, Objekten usw. innehat; dass nicht-kommerzielle Modifikationen durch die Fans erlaubt sind, aber dass es im Ermessen des Spielepublishers liegt, zu beurteilen, ob eine solche nicht-kommerzielle Veränderung des Produkts ihrer Marke gut tut (im gegenteiligen Fall kann der Spielepublisher sie jederzeit untersagen). Außerdem nimmt der Spielepublisher das Recht für sich in Anspruch, seine EULAs ständig revidieren zu können. Insbesondere enthält das Kleingedruckte einen Passus, der es Usern verbietet, die Spiele oder deren modifizierte Versionen für kommerzielle Zwecke zu nutzen.

Viele Machinima-Filmemacher betonen, dass sie keine ökonomischen Interessen verfolgen, sondern aus bloßem Spaß Filme machen. So lange Machinima nur als ein Hobby betrieben wird und die Filme über nicht-profitorientierte Websites vertrieben werden, ist die rechtliche Situation zwar prinzipiell eine Grauzone, aber meist drückt die Spieleindustrie beide Augen zu und erlaubt eine nicht-kommerzielle Verbreitung.

Im amerikanischen Urheberrecht erlaubt bspw. der "Fair-Use"-Passus, dass Künstler oder Forscher Kommentare, Parodien, Forschung kurze Sequenzen aus anderen kopiergeschützten Werken zitieren dürfen, ohne zuvor die Erlaubnis des Autors einzuholen. Diese Ausnahme soll verhindern, dass das Urheberrecht nicht die geistige Freiheit des einzelnen unterdrückt, die z. B. kritisch auf ein bestimmtes Werk reagieren wollen und es deshalb zunächst erst einmal darstellen müssen. Vielmehr geht es darum, das Ausmaß der Zitation im Rahmen zu halten und die Motivationen einzugrenzen, warum ein bestimmtes geistiges Eigentum anderer ausgedrückt wird. Hierbei sind die Absicht und der eventuelle Schaden am kommerziellen Wert wichtige Gesichtspunkte. Fair Use bezieht sich gewöhnlich auf kurze Ausschnitte, die zitiert werden müssen, damit der kommerzielle Wert des Produkts nicht geschädigt wird (in dem Sinne, dass das Werk nicht länger gekauft werden muss).

Wenn Machinima-Filmemacher jedoch eine auf Profit bedachte Verwertung anstreben, begeben sie sich auf dünnes Eis, da sie sensible Bereiche sowohl beim Urheber-, als auch beim Markenrecht berühren.

Wie umgehen mit zu kreativen Fans?

Verschiedene urheberrechtliche Konflikt-Szenarien in der Film- und Fernsehindustrie haben vorgemacht, wo der "Hase im Pfeffer" liegt. Die verständliche Angst von Unternehmen, dass ihre Marken durch Fankunst verwässern und damit ihren unverwechselbaren Markencharakter verlieren, hat in der Entertainmentbranche zu unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Strategien geführt.

Ein berühmt berüchtigtes Beispiel, das einen Exkurs verdient, ist das Vorgehen von Fox im Zusammenhang mit der Zeichentrickserie The Simpsons. Mitte der 90er Jahre existierten mehr als 3000 Simpsons-Fanseiten. Zur Jahreshälfte 1995 begann Fox damit, nach Seiten zu suchen, die das Copyright ihrer Filme und Serien verletzten. Die Betreiber dieser Seiten erhielten harsch formulierte Abmahnungsbriefe mit der Aufforderung, die Inhalte herunterzunehmen und Fox alle Namen und Adressen zur Verfügung zu stellen, an die solche Inhalte weitervertrieben worden waren.

Eine Betroffene war Jeannette Foshee, die Hunderte an Icons zu den Simpsons-Figuren gebastelt hatte. Sie hielt sich an die Forderungen von Fox, schickte aber den Brief an das Simpson's Archive und wurde so zu einer Heldin in Netz. Anscheinend brach der Computer des Fox-Anwalts nach einem E-Mail-Blitzkrieg wütender Simpsons-Fans zusammen. Das Verhalten von Fox erzeugte ein lebhaftes Medienecho und einige Protestseiten wurden über Nacht gegründet. Die Seite FIST etwa informierte über die Aktionen von Fox und gab Surfern Tips, wie sie sich vor Abmahnungsbriefen schützen konnten. Zahlreiche Seiten packten FIST-Support-Banner auf ihre Seiten. FÜXWorld ist eine Parodie auf das frühere Fox-Design. Es gibt erstaunliche Parallelen zwischen der früheren offiziellen Simpsons-Seite und der Sampsons-Seiten von FÜXWorld, was schließlich sogar dazu führte, dass Fox das Design seiner Seite sechs Monate nach dem Launch von FÜXWorld überarbeitete. Viele Seitenbetreiber, die einen Abmahnungsbrief erhalten hatten, machten trotzdem weiter oder parkten ihre Seiten auf anderen Servern. Trotz des harten Vorgehens von Fox gibt es immer noch Tausende und Abertausende an Seiten mit copyrightgeschützten Material.

Nicht nur Simpsons-Fansites, sondern auch Spielefans wurden durch Abmahnungsbriefe von Fox an der Weiterentwicklung ihrer persönlichen Versionen gehindert. So ging Fox als Lizenzinhaber der Alien-Filme auch gegen das von Fans entwickelte Alien Quake Mod vor. In der Szene setzte sich der Begriff "foxed" dafür durch.

Andere von Fans verfasste Add-Ons , die bei der Veränderung der Grafiken und Levels des Originalspiels an popkulturelle Inhalte anknüpften, änderten einfallsreich und humorvoll zugleich ihre Namen, um zu überleben. Das Quake Add-On Lego3D änderte seinen Namen zu Quego, das an Star Wars orientierte st@r w@rs nannte sich eine Zeitlang Stellar Conquest.

Der hohe Imageverlust der Heavy-Metal-Band Metallica und die Verspottung der Band im World Wide Web nach ihrem Feldzug gegen illegales Kopieren von mp3-Dateien bei Napster ist allerdings ein aufschlussreiches Beispiel dafür, dass eine solch rigide Politik der lizenzbesitzenden Unternehmen gegenüber Fan-Aktivitäten und illegalem Kopieren dem Image der Produkte und Künstler nicht unbedingt zuträglich sind. Es erscheint klüger, die Fan-Aktivitäten in Form von Wettbewerben zu kanalisieren, wie das z. B. George Lucas in Kooperation mit Atomfilms beim Star Wars Fan Film Network versucht, wo einmal jährlich die besten Fanfilme prämiert werden. Eine geschickte Strategie, Interessenskonflikte zu vermeiden: So fühlen sich Fans von ihren Idolen ernst genommen und gebauchpinselt, während gleichzeitig die Industrie ein gewisses Maß an Kontrolle darüber hat, was mit ihren Marken geschieht und gleichzeitig junge Talente direkt abschöpfen kann.

Wenn auch die Machinima-Gemeinschaft sich weder in ihren Foren noch auf individuelle Anfragen sehr auskunftsfreudig zeigte, was eine Einschätzung der rechtlichen Lage betrifft, so scheint sich doch eine ähnliche Bandbreite an möglichen Reaktionen abzuzeichnen, wie sie für die alten Medien gerade skizziert wurde. In den überwiegenden, wenn auch nicht in allen Fällen scheint die Industrie - bei gleichzeitiger Absicherung in den EULAs - bislang die filmischen Modifizierungen ihrer Spiele zu tolerieren. Dieses Stillhalten ist vermutlich damit zu erklären, dass man einerseits nicht die Fans vergraulen möchte und dass man sich andererseits bewusst ist, dass ein Spiel, das die User entsprechend ihrer Vorstellungen weiter bearbeiten können, die User stärker bindet, wodurch das Spiel gute Chancen auf ein längeres Leben in den Kaufhausregalen hat.

Auch hier gibt es Unternehmen, die auf ihre Fans zugehen und deren Fankunst explizit wertschätzen: Bungie Software, die Halo für die Xbox produzierten, luden das erfolgreiche Red vs. Blue-Team, die in Halo die Blood Gulch Chronicles gedreht hatte, auf das Fanfest auf der Computerspielmesse E3 ein und baten sie sogar, eigens eine Episode für das Fest zu produzieren. Und dass, obwohl das Red vs. Blue-Team mittlerweile die Episoden der Blood Gulch Chronicles auf zwei DVDs ($ 20) vertreibt, darüber hinaus noch diverse Fanartikel (T-Shirts, Baseball-Caps usw.) im Shop hat und Spenden einwirbt (mit dem Argument, die Bandbreiten finanzieren zu können), die den Zahlungswilligen höhere Rechte erlauben wie z. B. Episoden in höherer Auflösung und zwei Tage früher online. Das erstaunt insofern, da bei einem konsolenbasierten Machinima-Projekt die Spielcharaktere und -umgebungen direkt dem Spiel entlehnt und dadurch auch in Machinima-Filmen sofort als eine Weiterentwicklung des Spiels erkennbar sind, so dass eine Angst vor Markenverletzung hier viel verständlicher erscheint.

Anders der Half-Life Hersteller Valve: Das Unternehmen untersagte den Machinima-Filmemachern Buddy und Keglenec, die Fake Science mit der Valve Engine produziert hatten, eine öffentliche Vorführung im Fernsehen.

Sollte es mehr Machinima-Filmemachern gelingen, in kommerzielle und Mainstream-Bereiche der Pop-Kultur aufzusteigen, sind weitere Streitereien um fankünstlerische Freiheit und Markenschutz absehbar.

Legale Lösungen

Um solchen urheberrechtlichen Konfliktszenarien zwischen Markenschutz und Fan-Kunst, wie sie in der Film- und Fernsehindustrie bereits zuhauf durchgespielt wurden, vorzubeugen, empfiehlt Hugh Hancock Machinima-Filmemachern bei einer geplanten kommerziellen Verwendung ihrer Filme, die Entwickler und die Rechteinhaber von Spielen zu kontaktieren, um einen Kompromiss in Form von z. B. einer einmaligen Zahlung, Tantiemen oder einer Lizenzgebühr (gewöhnlich 5-15 Prozent) zu ersuchen.

Als mögliche Lösung wird auf der Machinima-Website die Verwendung einer Machinima Engine vorgeschlagen, die es erlaubt, kommerzielle Arbeit damit zu kreieren. Dafür kommen professionelle Tools mit Machinima-Fähigkeiten in Frage, für die allerdings zwischen mehreren Hundert und mehreren Tausend Dollar auf den Tisch gelegt werden müssen , wodurch die Vorteile von Machinima, kostengünstig zu sein, z. T. wieder aufgehoben werden. Andere Tools erfordern Programmier-Erfahrung. Schließlich stehen Open Source Game Engines zur Verfügung, die allerdings neuere grafische Features aktueller und kommerzieller Spiele noch nicht beinhalten.

Während Machinima als Hobby im großen und ganzen als Spielwiese toleriert wird, beinhaltet Machinima mit kommerziellen Interessen das Abwägen zwischen legalen Gradwanderungen, bei geringem Budget Abstriche an die Grafik und an die Tools, die zur Produktion verwendet werden können.

Bibliographie

In Teil 5 wird ein Blick darauf geworfen, in welchem Maße es Machinima als Technik gelungen ist, ernstgenommen zu werden von etablierten Organisationen und Kunst-Institutionen. An dieser Stelle wird weiterhin eine Einschätzung vorgenommen, wie Machinima Film- und Fernsehproduktion verändert und wie die Computerspielbranche mit diesem kreativen Potenzial umgeht.