Flick und Bush

Die Enkel und das Nazigeld

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Während die mit "Blutgeld" aus der Nazizeit erworbene Kunstsammlung eines Enkels in Deutschland kritisch hinterfragt wird, bleibt ein anderer Profiteur und Enkel von Fragen unbehelligt, obwohl auch sein Familienvermögen aus Geschäften mit den Nazis resultiert. Die Rede ist von George W. Bush und seinem Großvater Prescott, der als Direktor der Union Bank Corporation (UBC) unter anderem das Vermögen des Stahlbarons Thyssen verwaltete.

Nachdem die Bush/Nazi-Connection schon vor einiger Zeit in verschiedenen TP-Artikeln (Skulls, Bones & Bush; Der Handel mit dem Feind) beleuchtet worden ist, hat sich anlässlich von drei neuen Büchern zum Thema jetzt der "Guardian" dieser Verbindung in einem ausführlichen Bericht angenommen (How Bush's grandfather helped Hitler's rise to power. An den neuen Dokumenten, die der US-Journalist John Buchanan im "National Archiv" und in der "Library of Congress" dazu entdeckt hatte, zeigten sich die großen US-Medien bisher nicht interessiert, auch wenn renommierte Historiker ihre Brisanz bestätigt haben.

Nachdem eine Klage von zwei ehemaligen Zwangsarbeitern und Auschwitz-Überlebenden, Kurt Goldstein und Peter Gingold, die von den USA und der Bush-Familie Entschädigung verlangen, von einem US-Gericht zurückgewiesen wurde - die Kläger hatten vorgebracht, dass das Lager Auschwitz aufgrund amerikanischen Geschäftsinteressen bis kurz vor Kriegsende vor Angriffen verschont blieb - haben ihre Anwälte die Klage dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vorgelegt. Damit könnten die Aktivitäten Prescott Bushs jetzt doch in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit geraten, dessen UBC auch noch nach 1939 im Geschäft mit Deutschland blieb - bis sie 1942, ein Jahr nach dem Erlass des "Trading with the enemy"-Gesetzes, zusammen mit weiteren Firmen, an denen Bush beteiligt war, gerichtlich geschlossen wurde.

Neben der UBC, die von Bushs Schwiegervater Herbert Walker als US-Holding der Thyssens gegründet worden war, wurde auch gegen die Inverstment-Bank "Brown Brothers Harriman" (BBH) ermittelt, bei der Walker und Bush ebenfalls im Direktorium saßen. Weiterhin wurde ihre "Silesian American Company" (SAC) unter staatliche Kontrolle gestellt - eine Firma, die in der Nachbarschaft von Auschwitz eine Stahlfabrik betrieb, die sie von Thyssen und Flick übernommen hatte. Auch die von Thyssen und Flick betriebene Consolidated Silesian Steel Company (CSSC) war 1934/35 in Besitz der von Harriman, Walker und Bush dirigierten Holdings - ob sie es allerdings auch noch bei der Beschlagnahme durch die US-Behörden 1942 war, ist unklar. "Alle konkreten Belege über die Besitzverhältnisse nach 1935 sind verschwunden", so Eva Schweitzer, deutsche US-Korrespondentin und Autorin des Buchs "Amerika und der Holocaust - Die verschwiegene Geschichte" (Droemer-Knaur) gegenüber dem "Guardian".

Für John Loftus, einen ehemaligen Staatsanwalt und Verfolger von Nazi-Tätern, der schon vor einiger Zeit über den Fall publizierte und im nächsten Jahr einen Roman dazu veröffentlicht, kann man George W. Bush keinen Vorwurf für seinen Großvater machen:

Man kann Bush für das, was sein Großvater tat, nicht mehr vorwerfen als J. F. Kennedy für das, was sein Vater tat - Nazi-Aktien zu kaufen; aber wichtig ist die Vertuschung, und wie sie über ein halbes Jahrhundert so erfolgreich laufen konnte, und was für Implikationen das für uns heute hat.

Dies war der Mechanismus, mit dem Hitler finanziert wurde um an die Macht zu kommen, dies war der Mechanismus, mit dem die Militärindustrie des Dritten Reichs wiederbewaffnet wurde, dies war der Mechanismus, mit dem die Naziprofite an die amerikanischen Besitzer repatriiert wurden, und dies war der Mechanismus, mit dem die Untersuchungen über die Geldwäsche des Dritten Reichs abgestumpft wurden.

In der Tat ist es unsinnig, Enkel noch für die Schuld ihre Großväter in die Haftung zu zwingen, und die tauben Ohren, auf die solche Forderungen bei Enkeln wie Bush oder Flick stoßen, sind durchaus verständlich. Wer nicht von selbst darauf kommt, dem ist einfach nicht zu helfen.

Unbewältigte amerikanische Vergangenheit

Unsinnig wäre es auch, jetzt zu Wahlkampfzwecken die Naziprofite der Bush-Familie medial kurz aufzukochen und dann wieder zu vergessen, denn der Mechanismus, den Loftus beschreibt, hat durchaus Implikationen für unsere heutig Zeit. Und ist es allemal wert, von den Historikern und Zeitgeschichtlern nun ernsthaft unter die Lupe genommen zu werden. Von der Finanzierung der NSDAP-Zentrale in München in den 20er Jahren, über die Aufrüstung in den 30ern zum Krieg und Auschwitz bis in die 50er Jahre, als Prescott Bush die 1,5 Millionen Dollar seines beschlagnahmten UBC-Anteils zurückerhält, zog in den USA eine Seilschaft die Stränge, ohne deren Großinvestitionen Hitler keinen Krieg hätte führen können. Neben den Harrimans, Walkers und Bushs waren hier vor allem ihre Rechtsanwälte, die Brüder John Foster und Allen Dulles aktiv, die später als Außenminister bzw. CIA-Chef berufen werden, was sich bei der "Repatriierung" der Investitionen als äußerst hilfreich erweist.

Außer den jetzt vorliegenden Dokumenten schlummert mit Sicherheit noch Weiteres in den Archiven. Einen Hinweis, wo zu suchen wäre, gab der legendäre Chef der CIA-Spionageabwehr und Hardliner des Kalten Kriegs James Jesus Angleton dem Geheimdiensthistoriker John Trento kurz vor seinem Tod zu Protokoll:

Wissen Sie wie ich die Leitung der Gegenspionage bekommen habe ? Ich erklärte mich einverstanden, Allen Dulles und 60 seiner engsten Freunde keinem Lügendetektor-Test zu unterziehen und ihren Hintergrund nicht im Detail zu untersuchen. Sie hatten Angst, dass ihre eigenen Geschäfte mit Hitlers Kumpanen herauskommen. Sie waren zu arrogant zu glauben, dass die Russen es alles entdecken würden.

J.Trento: The Secret History of the CIA, 2001, S. 478

Kann es sein, dass dieses Stück unbewältigter amerikanischer Vergangenheit, das anders als die deutsche nicht einmal erzählt ist, für den kleinen Unterschied in der Enkelgeneration verantwortlich ist? Dass der eine Enkel sein Erbe in Kunst investiert und der andere nur in den Krieg, ist doch immerhin ein Fortschritt. Umso wichtiger scheint es, den Mechanismus zu untersuchen, mit dem schon die Großväter aus dem Aufbau und der Zerstörung von Monstern wie Hitler Profit zogen. Ihre Söhne und Enkel führen mit den Saddams und Osamas dieses Geschäftsmodell nur weiter...