Erster Flug des SpaceShipOne für den X-Prize erfolgreich

Teurer Kurzflug in die Schwerelosigkeit oder Aufenthalt in einem Obitalhotel? EADS Space Transportation in Bremen über langfristige Entwicklungen des Weltraumtourismus

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Heute um 7 Uhr 12 Ortszeit (16 Uhr 12 MEZ) ist im kalifornischen Mojave der erste Versuch erfolgreich verlaufen, den mit 10 Millionen US-Dollar dotierten Ansari X-Prize zu gewinnen. Nach dem ersten erfolgreichen Testflug vom 21. Juni, bei dem das mit privaten Geldern gebaute SpaceShipOne die vorgeschriebene Höhe von 100 Kilometern erreichte, geht es diesmal darum, einen solchen Flug innerhalb von zwei Wochen noch einmal durchzuführen. Der zweite Flug ist für den 4. Oktober geplant. Der Ansari X Prize wurde in Anlehnung an den Orteig-Preis ausgeschrieben, den Charles Lindberg 1927 mit der Spirit of St. Louis für seine Atlantiküberquerung von New York nach Paris gewonnen hat.

Diese kurzfristige Wiederholbarkeit ist eine entscheidende Bedingung, um den Wettbewerb zu gewinnen, mit dem die Entwicklung des Weltraumtourismus voran gebracht werden soll. Bei den amerikanischen Raumfähren sind derzeit noch mehrere tausend Ingenieure einige Wochen lang beschäftigt, um sie nach der Landung wieder flott zu machen. Das treibt die Kosten in die Höhe: Für einen Flug des Space Shuttle müssen etwa 400 bis 500 Millionen US-Dollar veranschlagt werden. Für die kommerzielle Personenbeförderung ist ein solches System untauglich. Raumschiffe, die zahlende Passagiere ins All bringen sollen, müssen mit erheblich geringerem Wartungsaufwand auskommen können.

Eine weitere Bedingung besteht darin, dass das Fluggerät mindestens drei Personen transportieren kann. Zwar war bei dem heutigen Flug nur der Pilot an Bord, die Passagiere wurden aber durch Gewichte simuliert. Zunächst brachte ein Spezialflugzeug SpaceShipOne in eine Höhe von 14,3 Kilometern. Dort zündete der Raketenmotor und beschleunigte das Fluggerät auf 4.000 Kilometer pro Stunde. Kurz darauf ereichte SpaceShipOne, allerdings mit unerwarteten, Korkenzieher-ähnlichen Drehungen, die inoffizielle Höhe von etwa 105 Kilometer. Nach 81 Minuten Flugzeit landete der Pilot Michael Melvill wieder auf dem Flugplatz.

Der britische Unternehmer Richard Branson hat sich mit dem Konstrukteur von SpaceShipOne, Burt Rutan, zur Firma "Virgin Galactic" zusammengetan. Er glaubt, solche Flüge schon in drei Jahren kommerziell anbieten zu können. Die Preise für ein Ticket sollen bei etwa 200.000 US-Dollar liegen. Beim Jungfernflug will Branson selbst mit an Bord sein. "Innerhalb von fünf Jahren wird Virgin Galactic über 3.000 neue Astronauten aus vielen Ländern hervorgebracht haben", verspricht er.

Ob sich wirklich ausreichend Kunden finden, die bereit sind, für einen kurzen, suborbitalen Flug so viel Geld zu bezahlen, darf getrost bezweifelt werden. Wer Urlaub im All plant, will etwas länger dort oben bleiben. Ein Transportsystem, das den Weltraumtourismus in Gang bringen soll, muss also wenigstens eine erdnahe Umlaufbahn erreichen können. Dort könnten die Passagiere dann in ein Orbitalhotel umsteigen.

Mit der Realisierbarkeit eines solchen Hotels hat sich Hartmut Müller beschäftigt, der bei der Raumfahrtfirma EADS Space Transportation in Bremen die langfristige Geschäftsentwicklung leitet. "Langfristig" bedeutet in diesem Fall Zeiträume von 30 bis 40 Jahren, die keine betriebswirtschaftlichen Kalkulationen, sondern lediglich Szenarien erlauben:

Für das Szenario zum Weltraumtourismus haben wir uns mit der Tourismusindustrie zusammengetan, um die Rahmenbedingungen, auch juristischer Art, zu definieren. Dabei haben wir uns auf Orbitalhotels in der Erdumlaufbahn beschränkt, mit einem Tourismus zum Mond oder Mars rechnen wir in den nächsten 50 Jahren nicht. Dann haben wir die Kollegen hier im Hause, die sich mit wiederverwendbaren Transportsystemen beschäftigen, gefragt, wie sich ihrer Meinung nach die Preise für Flüge in den erdnahen Orbit entwickeln werden.

Viele Fenster im rotierenden Weltraumhotel

Die Einschätzung der Experten von EADS Space Transportation hat einiges Gewicht: Immerhin ist hier das europäische Columbus-Modul für die Internationale Raumstation ISS entstanden. Auch das Versorgungsraumschiff ATV wird in Bremen gebaut. Und das Demonstrationsmodell "Phoenix" eines wiederverwendbaren Raumtransporters absolvierte im vergangenen Frühjahr in Nordschweden erfolgreich die ersten automatischen Landungen:

Als Preis für den Transport einer Person in den erdnahen Orbit haben wir 280.000 bis 300.000 US-Dollar ermittelt. Aufgrund von Studien aus den USA und Japan ergab sich auf dieser Basis ein Markt von etwa 20.000 Personen jährlich, die drei bis vier Tage im All bleiben wollen. Um diesen Bedarf zu decken, braucht man ein Hotel für ungefähr 220 Personen.

Ein solches Hotel würde rotieren, um künstliche Schwerkraft zu erzeugen. Das Design der einzelnen Kabinen wäre dabei an die Module der ISS angelehnt. Die künstliche Schwerkraft wirkt aufgrund des so genannten Coriolis-Effekts anders als die Massenanziehung: Ein Ball, den man hoch wirft, fällt nicht auf die gleiche Stelle zurück. Solche Effekte wie auch die Schwerelosigkeit im Zentrum des Hotels bieten Ansatzpunkte für ganz neue Unterhaltungsprogramme.

Aber die häufigste Antwort auf die Frage, was man da oben eigentlich unternehmen möchte war in unseren Umfragen: die Erde anschauen. Wir brauchen also viele Fenster.

Dabei werden sich die Weltraumtouristen mit vielen kleinen Fenstern begnügen müssen.

Die Architekten in unserem Team haben natürlich von großen Panoramafenstern geträumt, mit Sitzreihen auf mehreren Ebenen oder Rundumblick im Bereich der Mikrogravitation. Technisch wäre das vielleicht sogar machbar, aber wir müssten dafür so große Massen ins All transportieren, dass es sich ökonomisch nicht mehr rechnen würde.

Als Zubringer zum Weltraumhotel stellt Müller sich eine große Version des "Phoenix" vor, mit 70 Meter Länge und 50 Meter Spannweite. Ein solches Raumschiff könnte bis zu 120 Passagiere transportieren. Es würde seinen Anfangsschub auf einer mehrere Kilometer langen Rampe erhalten und später horizontal wie ein Flugzeug landen.

Obwohl Müller und sein Team in den nächsten 50 Jahren keinen Tourismus über den erdnahen Orbit hinaus erwarten, haben sie sich auch mit den "klassischen Zielen" Mond und Mars beschäftigt.

Dabei sind wir zu dem für uns überraschenden Ergebnis gekommen, dass wir in Europa über das Potenzial verfügen, autonom eine bemannte Mission zum Mond und die Errichtung einer permanent bemannten Mondbasis durchzuführen. Wir können mit der Ariane 5 mehrere Tonnen Nutzlast unbemannt zum Mond transportieren. Wir können die Elemente eines Transferfahrzeugs in den Erdorbit befördern und dort zusammenmontieren. Für den Transport in den Erdorbit schließlich steht uns das Sojusraumschiff zur Verfügung. Auf dieser technologischen Grundlage könnte Europa bei einer Rückkehr zum Mond nicht nur Juniorpartner sein, sondern sogar die Führung übernehmen.

Die Zitate von Hartmut Müller stammen aus einem Interview, das im vollen Wortlaut in dem Buch "Heimat Weltall - Wohin soll die Raumfahrt führen?" (Edition Suhrkamp, erscheint Februar 2005) nachzulesen ist