Übertriebene Geheimhaltung kann Waffe der Selbstzerstörung sein

New Yorker Bundesrichter erklärt weitere Teile des Patriot Act für verfassungswidrig

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Verfassungswidrig sei, so ein US-Bundesgericht, der Teil des Patriot-Gesetzes, der es dem FBI erlaubt, sensible Kundendaten von Internetprovidern und anderen Firmen ohne gerichtlichen Beschluss anzufordern. "Einen historischer Sieg" über Justizminister Ashcroft und seine Versuche, im Namen der nationalen Sicherheit "in das Leben unschuldiger Bürger einzudringen", nennt es die amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU.

Es ist bereits das zweite Mal, dass Teile des umstrittenen Patriot Act für verfassungswidrig erklärt wurden. Das erste Mal ging es darum, dass Mitglieder einer terroristischen Vereinigung oder solche, die dieser Mitgliedschaft verdächtigt werden, niemandem "fachlichen Rat oder Beistand" anbieten durften. Dies bedeutete also für "verdächtige Anwälte" quasi ein Berufsverbot. Hier stand bei der Gerichtsentscheidung das Recht auf die Meinungsfreiheit in den USA im Vordergrund.

Diesmal fand das Gericht deutliche Worte in Bezug auf die Folgen des überstürzt kurz nach dem 11.9.im Kongress durchgeboxten Gesetzes für die Demokratie. "Zensur und Geheimhaltung können sich gegen uns als eine Waffe der Selbstzerstörung richten", heißt es in der Urteilsbegründung. Willkürlich und ohne Kontrolle könnten die Sicherheitsbehörden von Providern die Identität von Internetnutzern oder alle möglichen gespeicherten Daten anfordern. In einer "freien Gesellschaft" könne es solche Freiräume für die Sicherheitsbehörden nicht geben. Die Geheimniskrämerei der Regierung (Milliarden für die Staatsgeheimnisse), die sich auch in Bezug auf die Informationsfreiheit auswirkt, hat sich insbesondere bei den Klagen gegen die seit dem 11.09.2001 verabschiedeten Gesetze bemerkbar gemacht.

Der American Civil Liberties Union (ACLU) wurde es durch diesen Hang zur Geheimhaltung unmöglich gemacht, bisher über die anhängige Verfassungsklage zu berichten. Ann Beeson von der ACLU:

Nachdem man uns monatelang einen Maulkorb verordnete, ist es eine enorme Erleichterung, der Welt erläutern zu können, wie extrem und gefährlich die Macht des Patriot Act ist. Wie das Gericht hier treffend feststellte, hat der Patriot Act jedem, der einen National Security Letter erhielt (sowie auch seinen Anwälten), diesen Maulkorb verordnet - und das völlig automatisch und unbefristet.

Dieser "Maulkorb" war neben den datenschutzrechtlichen Gründen auch das, was die ACLU zu ihrer Klage bewog. Die Bürgerrechtorganisation, die sich auf ihren Safe and Free-Seiten insbesondere mit dem Patriot Act befasst, hatte bereits im April dieses Jahres gegen die umstrittene Regelung in Bezug auf die Herausgabe von privaten Daten Klage erhoben. Erst drei Wochen später konnte mit dem Gericht eine Einigung über die Veröffentlichung von Informationen, welche die Klage betreffen, erzielt werden

Die Praxis, auch grundsätzliche Informationen über einen erhaltenen National Security Letter geheim zu halten und nicht einmal das Ersuchen um Informationen veröffentlichen zu dürfen, gleicht damit der Praxis, Informationen von Bibliotheken über Lesegewohnheiten der Kunden einzuholen. Auch hier unterlag bereits das Informationsersuchen der Geheimhaltung - ebenfalls von der ACLU scharf kritisiert.

Richter Victor Marrero sah in der Geheimhaltung ob der Informationsbeschaffung wie auch in dem Gesetz, welches diese Beschaffung überhaupt ermöglichte, einen Verstoß gegen die amerikanische Verfassung. Immerhin bekam das FBI so einen Freibrief, da ein National Security Letter weder vom Gericht angeordnet noch jemals überprüft werden musste. Daten wie E-Mail-Adressen oder Logfiles konnten vom FBI gesammelt werden, ohne dass jedwede Information darüber überhaupt ans Licht der Öffentlichkeit gelangte. Dieser Regelung hat Richter Marrero nun einen Riegel vorgeschoben.

Justizminister John Ashcroft hat bereits angekündigt, gegen das Urteil in Berufung zu gehen sobald er sich näher mit der Begründung der Bundesrichter befasst habe. In diversen Mailinglisten wird das Urteil sowie auch John Ashcrofts Position heftigst diskutiert, wobei sich eine Meinung heraus kristallisiert: Immer öfter werden Gesetze auf den Weg gebracht, deren Kollision mit Grundrechten kaum übersehbar ist. Dennoch scheint man sich darauf zu verlassen, dass "die Gerichte es schon in Ordnung bringen werden". Ein Gesetz, dass diejenigen, welche verfassungswidrige Gesetze verabschieden, aus dem Amt entfernt, würde wohl kaum eine Mehrheit finden. Und schließlich sei da noch das Problem der Erwartungshaltung der Bevölkerung.

A constitutional amendment which removed from office those who sponsored laws later found to be unconstitutional would cut down on this kind of waste of the taxpayers money, but not one congresscritter would vote for it. Most of the worst laws are passed in the full knowledge - indeed, hope - that they will be overturned by the courts, because Congress knows the voters won't stand for Congress abiding by the law when there's Matters Of Grave Concern. Indeed, the most blatantly egregious violations of the Bill of Rights are often passed by abnormally large majorities.