Russland rettet Kyoto-Protokoll

Und könnte damit dicke Geschäfte machen

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Jahrelang hatte sich Russland geziert, das Kyoto-Protokoll zur Reduktion von Treibhausgasen zu unterschreiben. Vergangenen Donnerstag billigte das russische Kabinett schließlich den Beitritt. Damit tut Russland nicht nur etwas für die Umwelt, sondern könnte einer norwegischen Beraterfirma zufolge bis zu zehn Milliarden Dollar an der Umsetzung des Protokolls verdienen.

Bis zum Jahr 2012 sollen die von Industriebetrieben, Heizungen und Autos ausgestoßenen Gase wieder auf den Stand von 1990 gedrückt werden. So sieht es das 1997 verabschiedete Kyoto-Protokoll vor. Allerdings tritt das Abkommen erst dann in Kraft, wenn 55 Staaten, welche zusammen mehr als 55 Prozent der Treibhausgas-Emissionen (bezogen auf 1990) der Industrieländer verursachen, das Abkommen ratifiziert haben.

Die USA haben unter Bill Clinton das Kyoto-Protokoll zwar unterschrieben, aber letztlich nicht ratifiziert. Die Unterschrift wurde 2001 von Bill Clintons Nachfolger George W. Bush widerrufen. Wäre Russland auch noch ausgestiegen, so wäre das Abkommen in seiner ursprünglichen Fassung wohl endgültig gescheitert. Denn die Zahl der Staaten, die das Protokoll ratifiziert haben, lag mit Stand Dezember 2003 zwar bei 120 (zwei Drittel der Weltbevölkerung), aber die Summe ihrer Emissionen entsprach gerade mal 44,2 Prozent.

Aufgrund der Dringlichkeit des Klimaproblems einigte sich die EU zusammen mit einigen anderen Staaten, darunter Kanada und Japan, auf ein Art "Kyoto light". Auch ohne Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls wollten diese Länder ihre zugesagten CO2-Minderungsziele bis 2012 erreichen. Das wäre aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen und das Fehlen der russischen Unterschrift war in jüngster Zeit willkommenes Argument für viele Wirtschaftsvertreter, das Abkommen überhaupt in Frage zu stellen.

Die EU forderte demnach Russland eindringlich zur Ratifizierung auf. Die Befürworter in Russland hatten aber im Kabinett erhebliche Widerstände zu überwinden. Gegner machten - ähnlich wie in den USA - geltend, dass die Reduzierung der Treibhausgase das Wirtschaftswachstum bremsen könnte. Selbst nach der jüngsten Zustimmung sprach Andrej Illarionow, der Wirtschaftsberater von Präsident Wladimir Putin, von einer erzwungenen Entscheidung, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtet. Offensichtlich will sich Wladimir Putin aber mit der Akzeptanz des Kyoto-Vertrags die Unterstützung der EU für einen russischen Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) sichern. Vermutlich soll die Geste aber auch die Kritik im Ausland an der Tschetschenien-Politik und der Einschränkung der Demokratie besänftigen.

Millionen- oder Milliarden-Geschäfte?

Auf Russland entfielen im Jahr 1990 immerhin 18 Prozent der Treibhausgas-Emissionen. Mit dem Beitritt steigt der Anteil der Ratifizierungsländer auf rund 62 Prozent. Inzwischen ist der Ausstoß Russlands wegen der Stillegung von Betrieben aus der Sowjetzeit im Vergleich zu 1990 um 32 Prozent zurückgegangen.

Das Kyoto-Protokoll sieht vor, dass Russland bis 2012 nicht über die 18 Prozent-Marke von 1990 kommen darf. Da Russland ohnehin inzwischen weit darunter liegt, sieht es sich in der komfortablen Position, künftig Emissionszertifikate verkaufen zu können. Allerdings zeichnete sich in den letzten Jahren eine Trendumkehr ab, sprich: die Emissionen steigen wieder in dem Land.

Zwar wird allgemein angenommen, dass die Staatsduma das Kyoto-Protokoll noch bis Ende des Jahres endgültig ratifizieren wird, die Kritiker bleiben aber skeptisch. Zeitungsberichten zufolge bezeichnete der Direktor des Instituts für Klimaveränderung und Ökologie der Akademie der Wissenschaften, Juri Israel, das Kyoto-Protokoll als "ineffektiv " und als wissenschaftlich "nicht begründet". Auch wirtschaftlich bewege sich der zu erwartende Gewinn aus dem Emissionsquotenhandel im eher bescheidenen Rahmen von 200 bis 400 Millionen Dollar. Das sieht die norwegische Analysten- und Beratungsfirma Point Carbon allerdings ganz anders. Nach Meinung des Unternehmens könnte Russland sogar ein Milliarden-Geschäft mit dem Emissionshandel bis 2012 machen. "Russland könnte bis zu 10 Milliarden Dollar (8 Milliarden EUR) verdienen", schätzt Point Carbon. Erzielt werden könnte dieser Gewinn mittels der Entwicklung einer richtigen Verkaufsstrategie. Allerdings dürfte ein solch gewiefter Handel mit Emissionszertifikaten nicht unbedingt im Sinne der EU und allgemein den Erfindern von Kyoto liegen. Ob nun aber Millionen oder Milliarden Gewinne, der Weg für Kyoto ist jedenfalls mit der zu erwartenden Ratifizierung durch die Duma frei. Ob die Vereinbarungen von Kyoto überhaupt ausreichen können, um einen Klimakollaps zu vermeiden, wird von Umweltschützer allerdings bezweifelt. Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderung der Bundesregierung stellte bereits November 2003 in einem Sondergutachten fest, dass eine Klimakatastrophe nur verhindert werden kann, wenn die Emissionen deutlich stärker als vereinbart abgebaut werden:

In dem Gutachten betonen die Wissenschaftler, dass gefährliche Klimaänderungen nur noch vermeidbar sind, wenn die derzeit international vereinbarten Klimaschutzziele deutlich höher als bisher gesetzt werden. Insbesondere muss der vom Menschen verursachte Ausstoß von Kohlendioxid bis 2050 global um etwa 45-60% gegenüber 1990 gesenkt werden. Dies bedeutet, dass die Industrieländer ihren Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um mindestens 20% verringern müssen.

Umweltpolitische Sorgenkinder bleiben aber nach Kyoto-Verweigerer China allen voran die USA. Gleich nach Bekanntgabe der russischen Entscheidung ließ Washington wissen, dass die USA nichts an ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Kyoto-Protokoll ändern werde. Der amerikanische Anteil der weltweiten Emissionen betrug 1990 aber bereits sechsunddreißig Prozent. Und selbst wenn Bush vom demokratischen Präsidentschafts-Kandidaten Kerry abgelöst werden sollte, ist es ganz und gar nicht sicher, ob die USA eine Kursänderung vornehmen würde.