Am Anfang war die Hölle

Die Geburt des Sonnensystems ging möglicherweise wesentlich turbulenter vonstatten, als man bisher glaubte

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Das Wissenschaftsjournal New Scientist nimmt sich in seiner aktuellen Ausgabe der Frühgeschichte unseres Sonnensystems an. Neuere Forschungen weisen immer deutlicher darauf hin, dass unser Zentralgestirn und seine Planeten in einem gigantischen Feuersturm geboren wurden.

Die Sonne (Bild: University of Alabama)

Lange gingen die Astronomen davon aus, dass unser Sonnensystem relativ gemächlich in einer ruhigen Ecke des Universums entstand. Eine riesige Molekülwolke ballte sich langsam zusammen, verdichtete sich, bis unsere Sonne entflammte und die Planeten um sie herum zu kreisen begannen. Dieses Bild einer gepflegten Kinderstube in der galaktischen Vorstadt gerät aber zunehmend ins Wanken. Wahrscheinlich war unsere Region im All eine äußerst turbulente und massive Supernovae waren maßgeblich beteiligt – darauf weisen zumindest die Meteoritenanalysen hin.

Bruchstücke aus dem All

"Alles hat sich verändert", meint Jeff Hester von der Arizona State University in Tempe, einer der Astronomen, die überzeugt sind, dass am Anfang die Hölle herrschte.

Meteoriten sind nicht nur eine allgegenwärtige Gefahr für die Erde (Meteoriten per Expresslieferung), sondern auch Boten aus der Zeit der Geburt unseres Systems vor 4,5 Milliarden Jahren, denn ihre chemische Zusammensetzung gibt Aufschluss über die Vorgänge dieser längst vergangenen Zeiten. Und durch die Analyse ihrer inneren Beschaffenheit steigen die Zweifel an den gängigen Theorien über die Geburt der Sonne.

Es gibt verschiedenste Typen der Gesteinsbrocken, die auf der Erdoberfläche einschlagen (Meteore, Meteoriten und Einschläge) und die Untersuchungen der begehrten "fallenden Sterne" sind aufwändig. Nichtsdestoweniger fanden schon in den 70er Jahren Forscher des California Institute of Technology in Pasadena in Meteoriten die Signatur von Aluminium-26, also die einschlägigen Zerfallsprodukte dieses instabilen Isotops, das eine Halbwertzeit von nur 720.000 Jahren aufweist. Diese Entdeckung war spektakulär, denn Astrophysiker gehen davon aus, dass Aluminium-26 nur in sehr massereichen Sternen gebildet wird und durch eine massive Supernova freigesetzt wird. Das wies auf einen Ursprung aus einer gewaltig explosiven Umgebung wie etwa den Adler-Nebel hin, in dem junge Sterne entstehen.

Adler-Nebel (Bild: NASA)

Aber Aluminium-26 allein reichte noch nicht aus, die Modelle der Bildung unseres Sonnensystems nachhaltig zu hinterfragen, denn das Material konnte auch durch im interstellaren Raum fliegende Atomkerne, die mit Protonen zusammenstießen, entstanden sein (Spallation). In den 90er Jahren folgte die Entdeckung der Zerfallsprodukte des ebenfalls relativ kurzlebigen Beryllium-10 in Meteoriten. Die darauf folgende Erklärung der Astronomen lautete, dass unsere Sonne in einer Nachbarschaft massearmer Sterne geboren worden, ähnlich der Molekularwolke Taurus-Auriga, ungefähr 450 Lichtjahre von uns entfernt. Für Jeff Hester ein Modell, das auf Krücken daher kam und nur deshalb überzeugte, weil es sich problemlos in den tradierten Ansatz einpassen ließ:

Das relativ nahe liegende Taurus-Auriga war bereits eingehend studiert. Das ist ein bisschen wir ein Betrunkener, der seinen verlorenen Schlüssel unter einer Straßenlaterne sucht, nicht weil er glaubt, ihn dort zu finden, sondern weil es dort schön hell ist.

Höllische Verhältnisse

Das stimmige Bild relativer Ruhe geriet endgültig unter Beschuss, als vergangenes Jahr das Zerfallsprodukt von Eisen-60 in Meteoritenstücken gefunden wurde. Auch Eisen-60 wird im Inneren von massereichen Sternen gebildet.

Und der letzte Baustein kam hinzu, als Steve Desch von der Arizona State University kürzlich im Astrophysical Journal seine alternative Erklärung über Beryllium-10 in Meteoriten präsentierte.

Jeff Hester ist völlig überzeugt, dass alles perfekt zusammen passt und nur eine Region von massereichen Sternen sowie mächtigen Turbulenzen von Vergehen und Werden eine stimme Erklärung für alle Untersuchungsergebnisse liefert:

Wenn man also nach einem Beispiel sucht, wie es hier aussah, als unsere Sonne entstand, muss man sich den Adler- oder Trifid-Nebel anschauen.