Die (nicht so) verdeckte US-Intervention in Venezuela

Finanzierung und Unterstützung aus dem Norden für die Opposition

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Die Historie der US-amerikanischen Einflussnahme in Lateinamerika ist lang. Meist sind Drogen der Anlass, mitunter jedoch auch das Öl, wie in Venezuela.

Den USA sind vor allem Chávez’ unabhängige Außen- und Ölpolitik ein Dorn im Auge. Venezuela fügt sich nicht der US-Politik gegen Kolumbien und hat sowohl das Überfliegen des eigenen Territoriums durch die USA als auch eine militärische Einkreisung Kolumbiens abgelehnt, die Mitarbeit in Bushs "Antiterrorallianz" verweigert und zum Afghanistankrieg gemeint man könne "Terrorismus nicht mit Terrorismus bekämpfen".

Chávez hat sich gegen das ökonomische Prestigeprojekt der USA, das Freihandelsabkommen für ganz Lateinamerika FTTA/ALCA ausgesprochen und setzt auf eine Stärkung einer kontinentalen Allianz sowie die Zusammenarbeit mit anderen Ländern des Südens. Er hat die OPEC – deren Vorsitz Venezuela lange Zeit innehatte – wieder geeint, wieder verbindliche Förderquoten eingeführt und die Ölpreise sind gestiegen.

Auch ist Chávez ein persönlicher Freund Fidel Castros und Venezuela hat eine weitreichende Kooperation mit Kuba in die Wege geleitet. Nicht zu vernachlässigen ist schließlich die Ausstrahlung des venezolanischen Projektes auf andere Länder in Lateinamerika und die Bewegungsspielräume, die es vor allem für kleine Länder eröffnet.

Nachdem die US-Regierung den Sieg Hugo Chávez’ im Referendum um seine Abberufung am 15. August diesen Jahres mit fast 60 Prozent anerkannte, schöpften viele Beobachter Hoffnung, es würde zu einer Entspannung des Verhältnisses zwischen beiden Ländern kommen. Doch diese Annahme entbehrt jeder Grundlage. Die US-Regierung setzt weiterhin alles daran, den Transformationsprozess unter der Regierung Chávez in Venezuela zu blockieren, zu sabotieren und letztlich zu einem Ende zu bringen, gleich mit welchen Mitteln.

Die Verwicklung der USA in putschistische Aktivitäten

Nach Angaben des Magazins Newsweek pflegten die Putschisten vom 11. April 2002 bereits mindestens zwei Monaten vorher regelmäßige Kontakte zur US-Botschaft in Venezuela. Die New York Times berichtet sogar von mehreren Treffen hochrangiger Funktionäre der Bush-Regierung mit Anführern der Putschisten im Verlauf der vergangenen Monate. Die Zeitung beruft sich dabei auf nicht genannte offizielle Quellen und weist darauf hin, dass die Äußerungen der USA zum Putsch nie klar gewesen seien – es hätte unterschiedliche Ansichten innerhalb der Bush-Administration gegeben. Doch stimmte die US-Vertreter den Putschisten bezüglich der Notwendigkeit Chávez aus dem Amt zu entfernen zu.

Ein weiterer US-Vertreter äußerte gegenüber der New York Times, es sei den Putschisten niemals klar abgeraten worden, den Putsch durchzuführen. Die private Geheimdienstagentur Stratfort erklärte, die Haltung der US-Regierung hätte als Zustimmung gewertet werden können und das sei durch die Putschisten auch geschehen. Darüber hinaus erhielten Vizeadmiral Molina und Luftwaffenoberst Pedro Soto, die im Februar öffentlich gegen Chávez aufgetreten waren und auch eine wichtige Rolle im Putsch spielten, als Lohn jeweils 100.000 Dollar von einem Bankkonto in Miami überwiesen.

Pedro Soto war wenige Tage vor dem Putsch sogar noch zu mehreren Gesprächen in den USA. Und sogar mit dem US-Präsidenten Bush persönlich sollen die Putschisten in Kontakt gestanden haben. Als Kommunikationskanal diente nach Angaben der Washington Post das "International Republican Institute", das sich um die außenpolitische Linie der Regierungspartei kümmert.

Doch die Verwicklung der USA in den Putsch ist durchaus weitreichender. Als US-Botschafter für die Bush-Administration befand sich damals Charles Shapiro in Caracas. 1999 bekleidete er das Amt des Verantwortlichen für die Kuba-Politik im Aussenministerium und davor arbeitete er von 1983 bis 1988 als CIA-Verbindungsmann in der US-Botschaft in El Salvador. Während dieser Hochzeit des Bürgerkrieges waren die USA in zahlreiche Aktionen schmutziger Kriegsführung verwickelt.

Damals bestand eine Zusammenarbeit zwischen dem venezolanischen Militärgeheimdienst DISIP und dem CIA zugehörigen Exilkubanern in der Unterstützung salvadorianischer Todesschwadrone. Nicht ganz zufällig war Shapiro 1973, zu Zeiten des Putsches gegen Salvador Allende, auch noch Militärattaché der US- Botschaft in Chile, so dass seine Ernennung zum Botschafter in Caracas ein schlechtes Omen war. Am 12. April wurde Shapiro beobachtet, wie er lachend und den Möchtegerndiktator Carmona umarmend aus dem Präsidentenpalast kam. In der Militärkaserne Fuerte Tiuna, am Stadtrand von Caracas, wo auch Chavez zu Beginn inhaftiert wurde, befanden sich zu dem Zeitpunkt auch zwei ranghohe US-Militärs. Zumindest einer von ihnen, Oberstleutnant James Rodgers, befand sich stets unter den Putschisten. Zeitgleich wurden auch die US-Streitkräfte in Kolumbien und in der Karibik in Einsatzbereitschaft versetzt.

Die Verwicklung in putschistische Aktivitäten hielt auch nach dem misslungenen Putschversuch weiter an. Ende Oktober 2003 legten die Abgeordneten der Chávez-Partei MVR (Bewegung V. Republik) der Presse ein Video vor, in dem Beamte der oppositionell geführten Stadtpolizei von Baruta und Chacao mit einigen Mitarbeitern von dem US-amerikanischen Sicherheitsunternehmen Wackenhut und einem Angestellten der US-Botschaft, Ex-Army-Oberst Corri, zu sehen sind. In den Gesprächen über "Operationsweisen" und "Diskretion" geht es immer wieder um "die Botschaft" und den "Botschafter". Einer der Anwesenden äußert schließlich:

Wir können ja nicht rumlaufen und an jeder Ecke erzählen, dass wir vom CIA sind

Steter Tropfen höhlt den Stein

Hightech-Krieg

Auch nach dem gescheiterten Putsch blieben die USA zutiefst in putschistische Aktivitäten involviert. Einen besonders brisanten Fall stellt das Unternehmen INTESA (Informática, Negocios y Tecnología, S.A.) dar, das als Subunternehmen des staatlichen Erdölbetriebs PDVSA seit 1999 für die Software und Steuerung in der PDVSA zuständig war, so auch während des oft als Streik bezeichneten Protestes der Unternehmer im Dezember 2002 / Januar 2003, der den Sturz der Chávez-Regierung zum Ziel hatte.

Der schwerste Schlag für die venezolanische Wirtschaft war damals die Lahmlegung von PDVSA. Das gelang vorwiegend durch die Managementebenen und Sabotage an der Software des computergesteuerten Unternehmens. Die Arbeiter und viele Ingenieure, die sich nicht am "Streik" beteiligten, brachten die Produktion manuell wieder in Gang, nachdem sie die einzelnen Bereiche vom Computernetz isoliert hatten. Für die computerisierten Steuerungssysteme zeichnete INTESA verantwortlich, die das gesamte Informationssystem von PDVSA kontrollierte.

INTESA wurde offiziell mit einer Beteiligung von 40 Prozent von PDVSA und von 60 Prozent des US-Unternehmens Science Applications International Corporation (SAIC) gegründet, obwohl PDVSA das gesamte Kapital beisteuerte – der damalige PDVSA-Vorsitzende Luis Giusti ist übrigens heute Berater des US-Präsidenten Bush in Erdölangelegenheiten. Zum Vorsitzenden von INTESA wurde Roger Brown ernannt, der zugleich Direktor der Global Oil & Gas Initiatives, einer Abteilung der SAIC war.

Wer hat also Zugriff auf die gesamten Informationen von PDVSA und auf die Steuerungssysteme, wenn SAIC INTESA kontrolliert? Für die Antwort reicht ein kurzer Blick auf SAIC. Das Unternehmen hat einen Jahresgewinn von etwa zwei Milliarden Dollar, 90 Prozent davon stammen aus Verträgen mit der US-Regierung in den Bereichen Verteidigung und "Informationsdienste". Zu den Tätigkeiten von SAIC gehören Informationsverwaltung, Entwicklung von Waffensystemen, Effektivitätsstudien für Waffensysteme und technische Expertisen, wie etwa zu den Anschlägen auf die Twin Towers.

SAIC hatte auch zahlreiche Aufgaben für die US-Army im ersten Krieg gegen den Irak übernommen, arbeitet für die NASA und ist der Entwickler für das Informatiksystem des US-Verteidigungsministeriums. So ist auch die Unternehmensleitung von SAIC in den USA prominent besetzt. Der Vorsitzende J. R. Beyster ist Mitglied des 30köpfigen Beratungsstabes für Sicherheit in der Telekommunikation, der auch alle Geheimdienstdirektoren vereint. Und in der Führung von SAIC finden sich die Ex-US-Verteidigungsminister William Perry und Melvin Laird, die ehemaligen CIA-Leiter John Deutsch und Robert Gates, Max Thurman, Kommandeur der Panamainvasion und Donald Hicks, Untersuchungschef des Pentagon. Aber auch General Wayne Downing, Ex-Leiter der US-amerikanischen Spezialkräfte, General Jasper Welch, Ex-Koordinator des Nationalen Sicherheitsrates und Bobby Ray Inman, ehemaliger Leiter derselben Behörde und des CIA.

Offiziell diente das Outsourcing der Steuerung und Informationsverwaltung der Kostenersparnis, doch die trat nicht ein. Angesichts der SAIC-Firmengeschichte verwundert es jedoch nicht, dass die wesentlichen Angriffe auf die Computersteuerungssysteme von PDVSA während des "Erdölstreiks" von INTESA ausgingen.

Die Strategie der Verleumdung

Ein weiteres Bemühen der US-Regierung gilt der ständigen Diskreditierung und Verleumdung Venezuelas. Die Vorgehensweise könnte aus einem Handbuch psychologischer Kriegführung entstammen und wiederholt sich seit Jahren: Ein Sprecher der US-Regierung erhebt den Vorwurf der "Unterstützung terroristischer Gruppen" an die venezolanische Regierung unter Hugo Chávez, diese beschwert sich öffentlich, da für den Vorwurf keinerlei Beweise vorliegen und ein anderer US-Repräsentant macht einen öffentlichen Rückzieher.

So auch, als die rechte kolumbianische Tageszeitung El Tiempo Anfang November 2003 davon berichtete, dass der US-Senat im Rahmen der Abstimmung über den für 2004 zur Verfügung stehenden Posten für "Auslandsoperationen" dem US-Verteidigungsminister Colin Powell freie Hand gegeben hat, im Falle einer Konkretisierung der Hinweise auf eine Unterstützung der FARC durch Venezuelas Regierung, die Fonds für die Kooperation mit Venezuela zu sperren. Dies würde die Gelder für die Militärkooperation sowie die Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung betreffen. Die Summe ist zwar nicht hoch, sie wird auf etwa 25 Millionen Dollar geschätzt, doch es geht wohl vielmehr um die symbolische Aussage der Maßnahme. Nach Beschwerden des venezolanischen Botschafters in Washington erklärte Adam Ereli, stellvertretender Sprecher des US State Department, wenige Tage später auf einer Pressekonferenz:

Die Regierung verfügt über keinerlei Pläne die Hilfe an Venezuela aufzuheben. Wir versuchen unsere Kooperation mit den venezolanischen Behörden im Kampf gegen den Drogenhandel und den Terrorismus zu verbessern und wir stehen mittels diplomatischer und polizeilicher Kanäle in Kontakt.

Das klang wenige Tage zuvor noch ganz anders. Die US-Regierung stützte sich bei ihrem Auftritt vor dem Senat stark auf einen am 6. Oktober 2003 in der Zeitung U.S. News and World Report unter dem Titel "Terror nah an zu Hause" erschienen Artikel der Journalistin Linda Robinson. Diese behauptet unter anderem Chávez "flirte mit dem Terrorismus”, vergebe Tausende von Pässen an Ausländer und unterstütze direkt die kolumbianische Guerilla FARC. Anstatt Beweise vorzulegen, beruft sich Linda Robinson aber lediglich auf "offizielle Quellen", die natürlich ungenannt bleiben.

Powell berief sich auf die Informationen des Artikels, sprach von "ernsten Hinweisen" und wollte dazu einige CIA-Mitarbeiter hören. Dabei war der Artikel schon längst von verschiedensten Seiten dementiert und zerpflückt, der Effekt heischende Propagandajournalismus der Linda Robinson schon längst bloß gestellt worden. Nur wenige Tage nach Erscheinen des Beitrags erklärte General Benjamin Mixon, Operationsleiter der Kommando Süd der US Army, in dessen Bereich auch Venezuela fällt, gegenüber der Tageszeitung The Miami Herald, dass er "keinen Grund habe, um das zu glauben", er verfüge über keinerlei Informationen darüber, dass irgendein Land der Region mit dem Terrorismus zusammen arbeite. General James Hill, Leiter des Kommando Süd, erklärte ebenfalls er habe keinerlei Beweise die für den Artikel von Robinson sprächen. Ähnlich äußerten sich auch Roger Noriega, Staatssekretär im Außenministerium für Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre und Plilip Chicola, Direktor des Büros für Andenangelegenheiten im Außenministerium.

Doch John Walters, der Antidrogenzar des weißen Hauses und ein Falke der US-Administration, behauptete das Gegenteil, obwohl bisher alle Vorwürfe offensichtlich unhaltbar sind. Zuletzt war im August ein Venezolaner in Kolumbien aufgetaucht, der bezeugt hatte, als Pilot des venezolanischen Vizepräsidenten José Vicente Rangel auf dessen Befehl FARC-Kommandanten aus Kolumbien ausgeflogen zu haben. Nur wenige Tage später stellte sich der von Presse und Politik hofierte Zeuge als geistig verwirrter Geltungssüchtiger heraus, der in der Vergangenheit bereits mehrmals versucht hatte, mit spektakulären Geschichten aus dem Reich der Fantasie in die Medien zu gelangen. Doch die Meldung über die Verbindungen der Chávez-Regierung zur FARC war schon um die Welt gegangen, während die nachfolgende Richtigstellung in den meisten Redaktionen im Mülleimer landete.

Meisterhaft inszeniert war eine erneute Kampagne im September 2004, als das US State Department verlauten ließ die Regierung Venezuelas habe die kolumbianische Guerilla, vor allem die FARC, mit mindestens einer Million Dollar finanziell unterstützt, zudem verschiebe sie Waffen für die Guerilla durch venezolanisches Territorium. Die Meldung wurde sogleich von der venezolanischen oppositionellen Presse, allen voran den Tageszeitungen El Universal und El Nacional aufgegriffen.

Ein näherer Blick zeigt, wie einfach solche vermeintlichen Wahrheiten produziert werden: Das US State Department berief sich in der schriftlichen Erklärung auf einen Artikel der stramm rechten Tageszeitung "El Nacional". Diese wiederum auf das State Department in dem erneuten Aufguss der Meldung einige Tage später.

Schon während seiner Wahlkampagne 1998 wurde Hugo Chávez vorgeworfen, mit der kolumbianischen Guerilla zusammen zu arbeiten, Chávez stellte sich damals überraschend in Bogotá der kolumbianischen Staatsanwaltschaft, die ihn nur mit großen Augen ansah, da nichts gegen ihn vorlag. Auch die in den vergangenen Jahren erhobenen Vorwürfe, Venezuela sei eine Operationsbasis von Al Kaida, erwiesen sich als völlig haltlos und die angebliche Nähe Chávez zu Saddam Hussein und Muammar al-Gadaffi fußte auch nur auf dem Antrittsbesuch Chávez in allen OPEC-Ländern, nachdem Venezuela die Präsidentschaft der Organisation Erdöl fördernder Staaten übernommen hatte.

Doch die US-Regierung arbeitet weiter daran, Venezuela medial für die Einreihung in die "Achse des Bösen" vorzubereiten. Zuletzt wies sie auf die angebliche Anwesenheit kubanischer Geheimdienstangehöriger in Venezuela hin. Beweise wurden dafür freilich nicht vorgelegt.

Der Beitrag wird mit einer Beleuchtung des Aufbaus einer Contra und der Destabilisierung Venezuelas fortgesetzt.