Stolpersteine auf dem Weg ins Vierte Reich

Während NPD und DVU ihre Zukunft gemeinsam planen, gehen die Republikaner auf Distanz zum Projekt einer "Volksfront von rechts"

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"Heute Sachsen, morgen Deutschland." Mit dieser Parole feiert Karl Richter, einer der emsigsten rechtsextremen Publizisten in einer Gastkolumne der "Deutschen Stimme" den Wahlerfolg der NPD vom 19. September 2004. Die Anlehnung an Hans Baumanns Nazi-Hymne "Es zittern die morschen Knochen" ist unüberhörbar, auch wenn die geographischen Ansprüche vorerst etwas bescheidener erscheinen. Während Baumann noch prophezeite, dass "uns" heute Deutschland und morgen die ganze Welt (ge)hört, konzentriert sich der nachdichtende Karl Richter einstweilen auf das "Fanal von Sachsen" und die Wiedergeburt einer Partei, "die von allen patriotischen Parteien am längsten und konsequentesten den politischen Kampf gegen das System von 1949 führt."

Richter, der sinniger Weise eine Komparsenrolle in Bernd Eichingers zwielichtiger Geschichtsstunde "Der Untergang" bekam, sieht Sachsen bereits als "Keimzelle der nationalen Erneuerung" und Vorbote eines neuen Deutschland: "Jetzt müssen aus der Begeisterung des Augenblicks die Instrumente, Kader und Strukturen künftiger Siege geschmiedet werden. Es gibt viel zu tun."

Auf dem NPD-Parteitag im thüringischen Leinefelde wurden am vergangenen Wochenende die ersten Ergebnisse der strategischen Überlegungen vorgestellt, die der NPD 2006 den Einzug in den Bundestag und der DVU 2009 Abgeordnetenmandate im Europäischen Parlament sichern sollen. Sie basieren auf der Erkenntnis, dass die Erfolge in Brandenburg und Sachsen auch dem Umstand zu verdanken sind, dass beide Parteien darauf verzichtet hatten, gegeneinander zu kandidieren. 2006 soll deshalb nur eine um DVU-Vertreter ergänzte NPD-Liste zur Wahl stehen, drei Jahre später wird dann die DVU versuchen, in eben das Parlament einzuziehen, dass sie im Grunde am liebsten abschaffen würde.

Aber das Problem haben schließlich auch die rechtsextremen Gesinnungsgenossen, die gerne von der Reichshauptstadt Berlin reden, am Ende eines Parteitags die ersten beiden Strophen des Deutschlandliedes singen und es ansonsten mit dem wiedergewählten Parteichef Udo Voigt halten. Voigt verkündete in Leinefelde, der historische Nationalsozialismus sei zwar tot, allen nationalen Sozialisten stehe es jedoch frei, zur NPD zu kommen.

Der schon vor Monaten etwas hilflos wirkende Versuch, die NPD als "junge, dynamische Partei" ("Eine junge, dynamische Partei ...") zu etikettieren, die praktisch allenfalls lose Kontakte zur Neonazi-Szene habe, wurde nur noch vom gefeierten Gastredner, dem DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey, aufrechterhalten, der den neugierigen Journalisten versicherte: "Wir haben damit nichts zu tun." Derweil gaben seine Partner die Zurückhaltung auf und machten deutlich, dass sie sich nach dem erfolgreichen Kampf um die Köpfe und Parlamente nun wieder auf den Kampf um die Straße und den "organisierten Willen", wie es Voigt ein wenig verblümt ausdrückte, widmen wollen.

Die neue Zusammenarbeit

Zu diesem Zweck wurde ein Mann in den Bundesvorstand gewählt, der kurze Zeit später sämtliche Nachrichtenticker der Republik beschäftigte. Thorsten Heise, Jahrgang 1969, gilt als einer der führenden Köpfe der hiesigen Neonazi-Szene. In seiner Bewerbungsmappe für die NPD stehen Verurteilungen wegen schwerer Körperverletzung, Landfriedensbruch und Nötigung sowie langjährige Erfahrungen als Landesvorsitzender der 1995 verbotenen "Freiheitlich Deutschen Arbeiterpartei" und Führer der ultrarechten "Kameradschaft Northeim".

Zusammen mit Heise sollten auch Ralph Tegethoff und Thomas Wulff, der einst die mittlerweile ebenfalls verbotene "Nationale Liste" anführte und sich nach dem SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Felix Steiner gerne den Beinamen "Steiner" gibt, für den Vorstand kandidieren. Dass beide in Leinefelde schließlich doch auf eine Nominierung verzichteten, ändert nichts an dem Umstand, dass die drei prominenten Aktivisten die Bildung einer "nationalen Volksfront" (O-Ton Voigt) nachhaltig unterstützen. Die rund 170 "Freien Kameradschaften", denen etwa 3.000 Mitglieder zugerechnet werden, sollen mit Hilfe von Heise, Tegethoff und Wulff auf Dauer in die politische Arbeit einbezogen werden. Der NPD-Chef erinnerte die Versammlung deshalb an gemeinsame Erlebnisse:

Die volksverhetzende Schau des ehemaligen Zigarettenfabrikanten Reemtsma gegen die Ehre des deutschen Soldaten, an dem sein Vater nicht schlecht verdient hatte, brachte viele Tausend nationale Aktivisten aus Protest auf die Straße und dort wurde nicht nach dem Parteibuch gefragt. Angesichts des für alle, durch die diffamierende Schau, wieder deutlich werdenden Opferganges unserer Väter und Großväter, die im Krieg täglich ihr Leben für Familie und Vaterland einsetzten, verpufften die Repressionsmaßnahmen des Systems der BRD wirkungslos.

Was sind denn Berufsverbote, Hausdurchsuchungen und lästige Personenkontrollen im Vergleich zum heldenhaften Kampf unserer Väter und Großväter? Als die etablierten vaterlandslosen Gesellen dann merkten, daß ihre Maßnahmen gegen uns nicht mehr die gewünschte Wirkung erzielten, mußte ein Parteiverbot her. 2004 begannen wir, nach vorangegangenen Gesprächen mit Thorsten Heise, Thomas Wulff und Ralph Tegethoff, eine neue Art der Zusammenarbeit mit den 'Freien'.

"Politische Hygiene" unter den Rechten

Noch wichtiger als ein Schulterschluss mit Neonazis und rechtsextremen Aktivisten aller Art ist Voigt und Frey allerdings ein Bündnis mit den Republikanern, für deren Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer auf dem Parteitag bereits ein symbolisches Namensschild bereitgehalten wurde. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Kaum war die Feierstunde in Thüringen beendet, da meldete sich Schlierer, der in Kürze einem mit Spannung erwarteten Parteitag entgegensieht, auch schon zu Wort:

Mit Parteien, die diesen Staat und die Demokratie beseitigen wollen, um ein 'Viertes Reich' zu errichten, gibt es keinerlei Gemeinsamkeiten und auch keinerlei Kooperation. Wir wollen keine braune Volksfront, sondern werden uns intensiv darum bemühen, eine seriöse nationalkonservative Alternative zu den Altparteien anzubieten. Dazu haben bereits Gespräche mit anderen demokratischen Rechtsparteien stattgefunden.

Schlierer verwahrte sich gegen den Versuch, seine Partei mit DVU und NPD gleichzusetzen und drohte rechtliche Schritte an, "sollten jetzt erneut Versuche unternommen werden, agents provocateur nach dem Vorbild von Axel Reichert in unsere Parteien einzuschleusen". Nur einen Tag später veröffentlichten die Republikaner, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1983 mit begrenztem Erfolg um eine inhaltliche oder wenigstens verbale Abgrenzung von der äußersten Rechten bemühen, eine "Frankfurter Erklärung", in der eine engere Zusammenarbeit mit der Deutschen Partei und der Deutschen Sozialen Union anvisiert wurde. Die Deutsche Partei wollte von diesem Schulterschluss zunächst nichts wissen und gab postwendend zu Protokoll:

Auf der Bundesvorstandssitzung am 24.10.2004 in Klieken bei Dessau hat der Vorstand mit großer politischer Mehrheit den abgrenzungsfreien und partnerschaftlichen Kurs zu allen nationalen Parteien erneut bestätigt. Das. o. a. Spaltungsbündnis gegen Rechts stand dabei in keinster Weise zur Diskussion und würde auch niemals eine Mehrheit im Bundesvorstand bekommen. Aus gegebener Veranlassung wurde Dr. Kappel (Dr. Heiner Kappel, Vorsitzender der Deutschen Partei, Anm. d. Red.) mehrfach gefragt, ob es in den letzten Wochen Gespräche mit der REP-Führung gegeben habe. Diese Frage wurde von Dr. Kappel klar und deutlich verneint.

Es wurde in Dessau auch sehr deutlich, dass der partnerschaftliche Kurs der DP natürlich auch zu den Republikanern gilt, aber ganz sicher nicht zu derzeitigen REP-Bundesführung. (...) In der Deutschlandpost vom August haben wir klar zum Ausdruck gebracht, daß wir mit Schlierer und Winkelsett keine Gespräche mehr suchen werden. Dies ist auch eine Frage der politischen Hygiene. Wir sind schließlich keine Politmasochisten.

Nur einen Tag später wurde dann aber schon wieder zurück- und hineingerudert in das alternative Parteienbündnis. Auf der Internetseite der Deutschen Partei, auf der 24 Stunden zuvor noch alle Gespräche mit der Bundesführung der Republikaner dementiert wurden, hieß es plötzlich:

In der vergangenen Woche haben die Vorsitzenden der drei Parteien DIE REPUBLIKANER, DEUTSCHE PARTEI und DEUTSCHE SOZIALE UNION in Frankfurt eine engere Zusammenarbeit ihrer Parteien vereinbart. Die drei Vorsitzenden Rolf Schlierer, Heiner Kappel und Roberto Rink bekräftigten ihre Absicht, zusammen mit weiteren Parteien zu einer engen Kooperation und zu gemeinsamen Wahlkampfantritten zu kommen.

NPD-Boss Voigt reagierte empört und fiel - selbst in der schriftlichen Stellungnahme - einmal mehr aus der in Anspruch genommenen Rolle des souveränen Politprofis:

Wie lange wird Dr. Schlierer noch unsere immer noch ausgestreckte Hand der Zusammenarbeit ausschlagen - und warum? Was ist da so toll dran, jetzt noch den Versuch eines Gegenbündnisses zu starten um unsere neue Volksfront unter fünf Prozent zu drücken? Kann dies das Ziel eines Patrioten sein? Es ist unglaublich aber leider wahr: die wollen wirklich noch an Bord des absaufenden BRD-Schiffs klettern.

Bei der sächsischen Kommunalwahl funktionierte die Zweckgemeinschaft mehrerer rechter Gruppierungen und brachte dem "Nationalen Bündnis Dresden" immerhin drei Sitze im Stadtrat ein. Doch jetzt, da es bundesweit um die Verteilung von Mandaten und Machtpositionen geht und die Triumphe bei zukünftigen Wahlen ausgekostet werden, bevor sie überhaupt stattgefunden haben, offenbart sich ein altes Dilemma der rechtsextremen Parteienlandschaft. Obwohl zwischen den programmatischen Grundsätzen eine hohe Deckungsgleichheit besteht und alle genannten Gruppierungen mit skrupellosen ausländerfeindlichen Parolen operieren, revisionistische Geschichtsbilder verfechten, das politische System der Bundesrepublik grundlegend verändern wollen und selbst in Detailfragen übereinstimmen, wenn es darum geht, gegen den EU-Beitritt der Türkei oder die Hartz IV-Regelungen zu protestieren, sind sie in den seltensten Fällen bereit, die eigenen Interessen den gemeinsamen Zielen unterzuordnen.

Unter diesen Umständen bleibt auch abzuwarten, ob die Allianz von DVU und NPD die nächsten Jahre schadlos übersteht oder an den machtbewussten Parteivorsitzenden scheitert, die lange Zeit keine erkennbare Begeisterung füreinander hegten. Für den Umgang mit der rechten Szene spielen diese Erwägungen freilich nur eine untergeordnete Rolle. Um ein weiteres Erstarken der selbsternannten nationalen Bewegungen zu verhindern, bedarf es der öffentlichen politischen Auseinandersetzung mit Inhalten und Personen, und in genau diesem Bereich hat die etablierte Parteienlandschaft, aber auch die Gesellschaft insgesamt noch eine Menge aufzuholen.

Die Unterstützung von Aufklärungskampagnen, Antirassismus- und Demokratieprojekten, wie sie sich etwa im Netzwerk Tolerantes Sachsen zusammengefunden haben, war der dortigen Landesregierung keine Unterstützung wert - und das Bundes-Aktionsprogramm "Jugend für Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus" ursprünglich bis 2006 begrenzt. Im Gegenzug versuchte die NPD - wie auch die DVU in Brandenburg - gezielt auf junge Menschen einzuwirken und verbuchte gerade hier entscheidende Zugewinne.

Wenn Sachsens CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt erklärt: "Mit einer NPD im Landtag kann ich mir in Zukunft Fahrten in die Vereinigten Staaten sparen, auf denen ich für Investitionen in Sachsen werbe", oder der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering volksnah bestimmt: "Diese braune Soße darf in Deutschland keine Chance haben", dann ist weder in der einen noch in der anderen Äußerung das Bemühen um eine ernsthafte Auseinandersetzung erkennbar. Gleiches gilt für die wenig souveränen Auftritte der Politiker, die sich am Abend der Landtagswahlen vor laufenden Kameras einer Diskussion mit DVU- und NPD-Vertretern entzogen. Das Problem einer wiedererstarkten rechten Szene wird sich aber weder durch Schweigen, noch durch Floskeln und Gemeinplätze lösen lassen.