3 D – Game over?

Gekaufte Patente sollen eine ganze Branche abzocken

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"Castle Wolfenstein" ist in Deutschland bereits wegen der verwendeten Hakenkreuze verboten. Nun gibt es noch einen Grund mehr.

Tektronix? Computernutzern ist das Unternehmen nicht mehr unbedingt ein Begriff. Es ist inzwischen vielmehr gemeinsam mit dem Hewlett-Packard-Ableger Agilent und dem etwas jüngeren Unternehmen Lecroy für besonders schnelle Oszilloskope für die Elektronikentwicklung bekannt, die fünf- bis sechsstellige Summen kosten und noch im Gigahertzbereich messen können.

Der Wettbewerb in diesem Bereich ist extrem aggressiv: Wenn in Fachzeitschriften ein Artikel über Tektronix-Produkte veröffentlicht wird, in dem sich der Hersteller – selbstverständlich ohne Namensnennung – auch zu den Produkten von Wettbewerbern und deren Schwächen äußert, so kann man sich darauf verlassen, dass sich sofort einer dieser direkt angesprochen fühlt, auch wenn es die ganze Branche betrifft. Außerdem gibt es auch postwendende eine Beschwerde bei Chef und Anzeigenabteilung, wie man denn so eine Äußerung abdrucken könne, ohne die Meinung der anderen Oszilloskophersteller abzufragen.

Doch Tektronix ebenso wie Agilent haben auch noch andere Geräte als Oszilloskope in petto. Und in der Vergangenheit waren es sogar noch viel mehr und verschiedenartigere Geräte als heute, wo man sich spezialisiert. So gehörten zum Tektronix-Portfolio auch Farbdrucker – und Displays. Und infolgedessen auch Entwicklungen und Patente zu Druckern und Displays. Manche davon waren eigentlich nicht mal wirklich neu – aber Tektronix war der erste, der ein Patent darauf einreichte, um nicht eines Tages jemand anders Lizenzgebühren zahlen zu müssen. Selbst erhob man keine.

Sortimentsbereinigung mit Folgen

Im Grafikbereich bietet Tektronix heute keine Produkte mehr an. Also hat das Unternehmen die nun überflüssig gewordenen Patente zu Geld gemacht und verkauft, damit jemand anders daraus Nutzen ziehen kann. In einigen Monaten wären die ersten ohnehin ausgelaufen.

Zugegriffen hat die texanische Anwaltskanzlei McKool Smith. Diese hat die Patente von Tektronix allerdings nicht gekauft, um nun besonders gute Computerbildschirme herzustellen, sondern vielmehr, um anderen den Spaß zu verderben:

Zunächst gingen sie mit dem vom April 1987 stammenden US-Patent 4.734.690 gegen Spielehersteller vor: Das Patent beschreibt die perspektivische Umsetzung dreidimensionaler Objekte auf normale Bildschirme, also ein Bestandteil aller 3D-Shooter von Castle Wolfenstein bis Doom 3. Dementsprechend zahlreich sind die verklagten Spielehersteller, von den größeren sind es Electronic Arts, Activision, Atari, THQ, Vivendi Universal, Sega, Square Enix, Tecmo, Lucas Arts, Namco, Take Two und Ubisoft.

Patente Abzocke

Doch dann legte McKool Smith noch weitere sechs der von Tektronix erworbenen Patente nach: 4,694,286, 4.730.185, 4.742.474, 4,761,642, 5.109.520 und 5.132.670. Diesmal geht es gegen 19 Hardwarehersteller, darunter Acer, Averatec, Dell, Fujitsu, Hewlett-Packard, IBM, JVC, Matsushita, Micro Electronics, MPC, Polywell, SCEA, Sharp, Systemax, Toshiba, Twinhead und Uniwill. Die Patente behandeln alle möglichen Computergrafik-Themen von Farbpaletten über Dithering und schnelles Zwischenspeichern bis zum Prinzip von Online-Spielen.

Vorbild der Aktion ist offensichtlich der Einkauf von jeder Menge auf Streaming anwendbaren Patenten durch Acacia Research (Porno- oder Webradiopatent?), die mit dieser Masche bislang recht erfolgreich sind. Die Wut der Hersteller ist dementsprechend, es ist von Mafia-Methoden die Rede. Zu Recht? Moralisch ja, doch nicht juristisch: Das Recht steht dank des umstrittenen amerikanischen Patentrechts auf der Seite der Anwälte, denn fast 20 Jahre alte Patente nun noch als ungültig zu erklären, ist zumindest schwierig, auch wenn manche der beschriebenen Techniken bereits bis zu 10 Jahre vor der Patentzuteilung gebräuchlich gewesen sein sollen.

Somit dienen Gesetze, die eigentlich mal Urheber und Erfinder schützen sollten, heute nur noch der Finanzierung von Konzernen und Anwälten.