Streit um Standort für den Fusionsreaktor geht weiter

Während sich China, Russland und die EU für Frankreich aussprechen, stehen ebenfalls auch aus strategischen Gründen die USA und Südkorea hinter Japan

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Noch immer kam es zu keiner Einigung über den Standort des Internationalen Experimentellen Fusionsreaktors (ITER). Der geplante Fusionsreaktor, dessen Kosten auf 4,5 Milliarden Euro geschätzt werden, soll ein internationales Gemeinschaftsprojekt von China, Europa, Japan, Kanada, Russland, Südkorea und den USA werden. Als Standort käme entweder Japan oder Frankreich in Frage. Mittlerweile spiegeln sich in der Diskussion die neuen, durch den Irak-Krieg geschaffenen Allianzen.

Schematische Darstellung des Experimentalreaktors.Bild: Iter

Schon 1985 entstand zwischen der Sowjetunion, den USA, der EU und Japan der Plan, mit einem Reaktor zu erforschen, wie und ob sich Kernfusion für friedliche Zwecke auch auf der Erde nutzen lassen könnte. Ähnlich wie in der Sonne liegt dem geplanten Projekt zugrunde, Energie durch Verschmelzung erzeugen. Ein Fusionsreaktor wäre weitaus sicherer als ein Nuklearreaktor und der Brennstoff billiger, da reichlich vorhanden.

Das teure Vorhaben, in den Dimensionen vergleichbar der Internationalen Raumstation, scheint sich allmählich zu einem unendlichen Projekt zu entwickeln (Entscheidung über Fusionsreaktor wurde vertagt). Seit 2001 liegt zwar ein Entwurf für den Bau des 500-Megawatt-Reaktors vor, wichtige Teile wurden bereits in Form von Prototypen getestet, doch zuerst einmal sind die USA 1998 zunächst aus dem Projekts ausgeschieden, aber 2003 überraschend wieder zurück gekehrt, da der Testreaktor ein "wichtiges Element auf dem Weg hin zur Befriedigung des globalen Energiebedarfs" sei. Dazu gekommen ist im selben Jahr auch China, das sich ebenso wie die USA an 10 Prozent der Gesamtkosten beteiligen will. Später kam auch noch Südkorea hinzu, während Kanada Anfang 2004 ausgestiegen ist - vor allem wohl deswegen, weil es sich als Standort für den Reaktor beworben hatte, schließlich aber Japan und Frankreich übrig geblieben sind. Auch Spanien hatte sich ursprünglich dafür beworben, die EU aber hatte sich 2003 für das 70 km von der Küste entfernt liegende Cadarache in Südfrankreich entschieden.

Auch wegen der Konflikte über die Irak-Politik und das unilaterale Vorgehen der Bush-Regierung hatte diese sich schließlich für das abgelegene, aber direkt an der Küste gelegene Rokkasho-mura in Nordjapan als Standort ausgesprochen. Japan hat die Entscheidung zum Irak-Krieg mitgetragen und ist wichtiges Mitglied der "Koalition der Willigen". Daraufhin hatte die EU damit gedroht, möglicherweise ganz aus dem Projekt auszuscheren und einen eigenen Fusionsreaktor alleine oder mit einigen der Partner zu bauen. Bis Ende November will man sich im EU-Forschungsministerrat entscheiden. Manche denken auch an einen Kompromiss, so dass ein Standort den Reaktor erhält und am anderen geforscht und entwickelt wird.

Schwierig ist bei der Standortfrage, dass Südkorea sich vor kurzem wohl unter amerikanischem Druck den USA und Japan angeschlossen hat, während China, Russland und die EU zusammen für Cadarache votieren. China hat sich auch Galileo, dem Satellitennavigationsprojekt der EU, angeschlossen, was bereits zu Verstimmungen mit den USA geführt hat (Sicherung der militärischen Überlegenheit im Weltraum). Die chinesische Regierung erklärte, es dürfe nirgendwo ein Monopol geben, zudem sei Galileo genauer. Man werde es nur für zivile Zwecke nutzen. Da die EU behauptet, Galileo in Konfliktfällen nicht zu sperren oder die Genauigkeit herabzusetzen, fürchten die Amerikaner, dass sie dadurch ihr weitgehendes Monopol verlieren könnten. Ohne Satellitennavigation ist moderne Kriegsführung nicht möglich. Eine Einigung über Galileo und GPS ist ebenfalls erst vor kurzem zwischen der EU und den USA erreicht worden (Wie weit geht der Einfluss?).

Auch wenn nun die Standortfrage überlagert wird durch strategische Bündnisse, würde der Fusionsreaktor dem jeweiligen Land nicht nur wirtschaftliche, sondern auch wissenschaftliche und technische Vorteile bringen. Man geht alleine von jährlichen Betriebskosten von 265 Millionen Euro aus. Bei den Verhandlungen in Wien, die gerade stattgefunden haben, wurde keine Einigung erzielt. Angeblich seien die USA und Japan nicht mehr ganz gegen den französischen Standort, erklärte diplomatisch Fabio Fabbi, der Sprecher der EU-Kommission. Die EU übt freilich weiter Druck aus, notfalls den Fusionsreaktor mit anderen Partnern, möglicherweise auch neuen wie der Schweiz oder Indien, zu realisieren. Indien will sich übrigens auch am europäischen Satellitennavigationsprojekt beteiligen. Die Entscheidung über Iter könnte nach den Präsidentschaftswahlen in den USA zu einem Test werden, wie weit das transatlantische Bündnis hält oder das Alte und das Neue Europa in der EU größere Unabhängigkeit anstreben.