Blockierergruppe bricht das Schweigen

In einer Erklärung macht die Gruppe klar, dass der 21-jährige Atomkraftgegner nicht angekettet war, als er vom Zug erfasst wurde, die Gruppe äußert auch Kritik an den mangelnden Sicherheitsvorkehrungen bei dem Transport des hochgefährlichen Materials

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Die Gruppe um Sébastien Briat hat das Schweigen über die Todesumstände des 21-jährigen Atomkraftgegners am vergangenen Sonntag gebrochen. Gemeinsam hatten sie versucht, einen Atommülltransport zu stoppen, der sich auf dem Weg von der französischen Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague ins deutsche Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben befand (Trauer über den Tod eines Atomkraftgegners). Der junge Mann war unter den Zug geraten, der trennte ihm ein Bein ab, und er verblutete noch am Unfallort.

Schnell waren Zweifel an der offiziellen Version laut geworden, wonach der junge Mann angekettet gewesen sei (Die Anweisung "Vorsichtige Fahrt" wurde nicht gegeben). Damit hätte die Gruppe gegen alle Sicherheitsmaßnahmen verstoßen. Dieser Darstellung, die darauf zielte, sie als eine Art unerfahrene Abenteurer darzustellen, tritt nun auch die Gruppe selbst energisch entgegen.

Telepolis hat exklusiv die Erklärung erhalten und dokumentiert sie ungekürzt in deutscher Übersetzung: Erklärung der Gruppe .

Die Erklärung zeigt aber auch, dass die geplanten Sicherheitsstufen versagt haben. Sie basierten zum Teil, wie im Fall der fehlenden vorrausschauenden Beobachtung durch einen Hubschrauber, auf Vorgänge, die nicht in der Gewalt der Gruppe lagen. Die Erklärung zeigt aber auch ein Scheitern der Sicherheitskräfte, den Zug mit der hochgefährlichen Fracht gegen mögliche Anschläge schützen zu können . In aller Ruhe konnten die Aktivisten ihre Aktion vorbereiten. In drei Gruppen aufgeteilt wurden sie von den Sicherheitsdiensten nicht entdeckt, obwohl sie sich zehn Stunden lang in der Nähe der Gleise aufgehalten haben.

Es ist erstaunlich, dass Frankreich zwar alle Informationen über die Atomtransporte als Militärgeheimnisse behandelt und allen mit drakonische Strafen droht, die dazu etwas veröffentlichen, aber eine Sicherheit der Transporte nicht gewährleisten kann (Atomfragen als Staatsgeheimnis). Angebliche Schutzmaßnahmen beschneiden demokratische Rechte, tragen zur Sicherheit aber nichts bei. Ohnehin wäre der Zug mit unabsehbaren Folgen auch auf ein anderes Hindernis gefahren, wenn er ohne vorrausschauende Überwachung fast 100 Stundenkilometer schnell fährt.

Am Mittwoch haben in der lothringischen Stadt Bar-le-Duc etwa 500 Menschen bei der Beerdigung Abschied vom dem jungen Atomkraftgegner genommen. Seine Familie war von einer großen Anzahl seiner Freunde umgeben. Die Feier fand in der Sporthalle statt, in der er sonst regelmäßig Rugby trainiert hatte. Unter den Trauernden waren auch Mitglieder vom französischen Netzwerk für den Atomausstieg. Der junge Mann, Mitglied der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT, sympathisierte mit der Gruppe, die sich gegen das Endlager für hochradioaktiven Müll im nahegelegenen Bure wendet. Er war aber kein Mitglied des Netzwerks. Ein Freund der Familie betonte in einer Rede seinen dauerhaften Einsatz für eine bessere Welt.

Im Anschluss an die Beerdigung hatten sich in Bar-le-Duc und vielen anderen Städten Frankreichs und Deutschlands Menschen an Bahnhöfen versammelt. So sollte die Trauer über den Tod des Jugendlichen und der Protest gegen die Atomindustrie zum Ausdruck gebracht werden. Gilles Lemaire, der Sprecher der französischen Grünen, kündigt an, man werde Aktionen gegen Atomtransporte fortsetzen. "Wenn die demokratische Debatte blockiert ist, muss man alle möglichen Mittel nutzen", sagte er. Die französischen Grünen machten so erneut indirekt die Regierung für den Toten verantwortlich.