Das Pentagon will ein neues Internet

Erste Ansätze für die Verwirklichung des netcentric warfare und die Beseitigung des Flaschenhalses bei der Bandbreite wurden bereits mit dem Global Information Grid realisiert

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Die Kriegsführung hat sich schon entscheidend verändert, auch wenn der viel propagierte netcentric warfare noch in seinen Kinderschuhen stecken mag. Doch die Möglichkeiten der Informationstechnologien sollen nach Militärstrategen im Pentagon eine "Revolution" der Kriegsführung einleiten und ein mit Truppen, Fahrzeugen, Waffensystemen, Satelliten, Robotern und allen möglichen Sensoren ein tödliches, alles wahrnehmendes und schnell (re)agierendes Netzwerk bilden. Noch aber fehlt es auch schlicht an Bandbreite für den Übergang von traditionellen Kampfverbänden zu netzförmig strukturierten, räumlich verteilten Schwärmen.

Total Information Awareness hieß ein bekannt gewordenes Projekt, das von der Darpa entwickelt werden sollte, um mögliche Terroristen in den USA durch die Suche nach verdächtigen Verhaltensmustern zu entdecken, nach denen mit neuartigen Data Mining-Techniken in zahllosen Datenbanken gesucht werden sollte. Das Projekt ist schließlich gekippt worden, doch der Wunsch nach einem weitestgehenden Überblick ist natürlich schon immer ein Traum der Militärs gewesen, dem man nun mit Sensoren am Boden und in der Luft oder am Himmel schon ein gutes Stück näher gekommen ist, um militärische Einsatzgebiete schon vor, aber auch während der Kämpfe aus möglichst vielen Perspektiven beobachten zu können.

Die Grundlage der Vernetzung sind die Verbindungen. Sie könnten das "Internet am Himmel" ermöglichen, das sich Peter Teets von der Luftwaffe so vorstellt, dass Soldaten auch unter schlechtesten Bedingungen jederzeit alle möglichen Bilder der Umgebung, in der sie sich befinden, innerhalb von Sekunden von einem Satelliten auf ein Laptop herunterladen können. Noch aber haben Soldaten unter Kriegsbedingungen oft keine Verbindung, aber auch die vorhandenen Kapazitäten erlauben es oft nicht, alle verfügbaren Informationen tatsächlich zu erhalten. Ein neues, schnelleres Netzwerk mit einer großen Bandbreite steht daher im Pentagon, wie die New York Times berichtet, ganz oben auf der Wunschliste.

Die Grundlagen für das Netzwerk werden bereits unter dem Titel Global Information Grid (GIG) geschaffen, ein Projekt, das 2002 gebilligt worden ist. Im Rahmen von Global Information Grid Bandwidth Expansion (GIG-BE) wurden bereits erste Umsetzungen verwirklicht, die den Truppen im Irak und in Afghanistan schon unmittelbar zugute kommen sollen, um beispielsweise Bilder von Satelliten und Drohnen besser nutzen zu können. Angeblich wurden solche Bilder, wenn sie dringend vor Ort gebraucht werden, bislang meist in die Kampfgebiete geflogen und dann dort übergeben.

Insgesamt sollen 100 Standorte in den USA und weltweit für 800 Millionen Dollar durch ein Glasfasernetzwerk mit höheren Bandbreiten für die bessere Nutzung von Multimedia versorgt werden. Bislang wurden Aufträge an die Unternehmen Sprint, Sycamore Networks, Juniper Networks, Cisco Systems, Qwest Communications International und Ciena Corp für den ersten Teil des Projekts vergeben. Ende September haben die ersten sechs Standorte einen Anschluss erhalten, vier weitere sollen noch in diesem Monat, die übrigen bis Ende 2005 ans Netzwerk. GIG-BE soll die Infrastruktur bereitstellen, die für "Internet ähnliche" netzwerkgestützte Kommunikation erfordert wird. Dazu gehört die Bandbreite, zur Sicherheit werden unterschiedliche Verbindungen angelegt, zwischen denen bei Störungen automatisch umgeschaltet wird, um die Kommunikation aufrechtzuerhalten. Das GIG soll überdies eine gemeinsame Infrastruktur und eine Vereinheitlichung der Standards für das gesamte Militär, einschließlich der Geheimdienste, schaffen.

Die 100 vernetzten Standorte sind natürlich nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was man im Pentagon eigentlich will. Weil aber allein der Betrieb des neuen Netzwerks für jeden "Knoten" jährlich 50 Millionen Dollar kostet, ist die Selektion schlicht eine Frage des Budgets. Man spricht deshalb bereits von einem "fiber divide" (Glasfiberkluft) zwischen den gut und den schlecht vernetzten Standorten. In ein paar Jahren, so schätzt man bei der für GIG zuständigen Defense Information Security Agency will man aber schon eine Bandbreite von 160 Gigabits pro Sekunde erreichen.

Insgesamt geht das Pentagon davon aus, das im nächsten Jahrzehnt mindestens 200 Milliarden US-Dollar für Hard- und Software investiert werden müssten, um den technischen Bedingungen für einen netcentric warfare zu genügen. Der Ausbau des Netzwerks soll nach Informationen der New York Times mindesten 24 Milliarden Dollar in den nächsten fünf Jahren kosten - mehr als Manhattan-Projekt zur Entwicklung der Atombombe gekostet hat. Dazu gehört neben dem GIG-BE aber auch der Ausbau von Joint Tactical Radio System, Transformation Satellite Communications, Net-Centric Enterprise Services und GIG Information Assurance.

Die Verschlüsselung der Daten wird auf weitere 5 Milliarden geschätzt. Das GIG überträgt die Daten nämlich angeblich mit 10 Gigabits pro Sekunde so schnell, dass die bislang genutzte Verschlüsselungstechnik der National Security Agency versagt, die nur mit Übertragungsgeschwindigkeiten von 100 Megabits pro Sekunde mitkommt. Alleine die Army plant Ausgaben von 120 Milliarden für die Einrichtung des gewünschten "Kriegsnetzwerks".

Es gibt allerdings Skepsis gegenüber den teuren Visionen im Pentagon. Zwar hat die Darpa einst das Internet entwickelt, aber beim netcentric warfare geht nicht nur alleine um die Technik. Allerdings warnt auch nur im Hinblick auf die Technik Vint Cerf, der auch als Pentagon-Berater für Netzwerke arbeitet, vor zu großem Optimismus: "Ich will sicher stellen, dass wir eine Vision und keine Halluzination realisieren. Das ist so etwas wie Star Wars, wo die Politik sagte: 'Fangen wir an und bauen dieses System', währen die Technik weit hinterher humpelte. Es ist nichts Falsches an ehrgeizigen Zielen. Aber man muss sie mit der Physik und der Realität in Einklang bringen."

In einem im Juli veröffentlichten Bericht The Global Information Grid and Challenges Facing Its Implementation wies das General Accountability Office (GAO) darauf hin, dass eines der größten Probleme die erforderte Interoperabilität aller vorhandenen Computersysteme und Netzwerke darstellt. Dafür habe das Pentagon noch keine Pläne vorgelegt.