Palästinenser bereiten Präsidentschaftswahlen vor

Gestärktes Parlament nach Arafat

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Sechs Wochen vor den palästinensischen Präsidentschaftswahlen laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Die 12-tägige Nominierungsperiode für die Anwärter auf das höchste Amt endet nächsten Samstag. Aber schon vor Veröffentlichung der Listen ist klar, dass mindestens zehn Kandidaten am 9. Januar um Stimmen werben werden.

Inzwischen sorgte die größte Partei, die Fatah des am 11. November verstorbenen Präsidenten Jassir Arafat, für Einheit in den eigenen Reihen. Der sogenannte Revolutionsrat der Fatah wählte am Samstag mit 105 Stimmen bei zwei Enthaltungen den PLO-Vorsitzenden Mahmud Abbas zu ihrem Kandidaten. Der in Israel inhaftierte Abgeordnete Marwan Barguti hat seinen Kandidatur zurückgezogen, um eine Spaltung der Partei zu verhindern.

Auch von anderer Seite aus werden Vorbereitungen getroffen. Die islamistische Hamas-Bewegung will sich an den Präsidentschaftswahlen beteiligen, falls die Autonomiebehörde ebenfalls ein Datum für Parlamentswahlen festlegt. Die Bewegung hat unter Arafat stets Wahlen boykottiert mit der Haltung, dass der Präsident unabhängig vom Abstimmungsergebnis sowieso nicht bereit sei, seine Macht zu teilen. Die Demokratie sei eine Farce. Dies sein nun anders.

"Aber um Mahmud Abbas zu unterstützen", sagte Scheich Hassan Jusef von der Hamas-Führung, "muss er die Rechte des palästinensischen Volkes bewahren, für die Jassir Arafat angegriffen wurde." Und weiter: "Abbas muss eine vereinte palästinensische Führung schaffen, an der sich alle beteiligen. Die Korruption im Verwaltungs- und Finanzbereich muss bekämpft werden." Politische Beobachter rechnen damit, dass der nächste Präsident auf jeden Fall eine kollektive Führungsstruktur aufbaut, da sonst Entscheidungen nicht durchsetzbar wären.

Mehrheit der Wähler unentschieden

Eine Umfrage der Universität Nablus zeigt, dass zwar fast die Hälfte der Palästinenser noch unentschieden sind. Mahmud Abbas könnte aber etwa ein Viertel der Stimmen auf sich vereinigen. An zweiter Stelle der gewünschten Präsidenten folgt mit 9,8 Prozent bereits Mustafa Barguti, der Kandidat der neuen Palästinensischen Nationalen Initiative, die einen dritten Weg zwischen der alten Führung und den Islamisten sucht. Weitere Präsidentschaftsanwärter sind unter anderen der unabhängige Universitätsprofessor Abdul Sattar Qassem und Madschedah al-Batsch, Journalistin und bisher einzige Frau auf der Liste.

Fünf Linksparteien diskutieren zur Stunde noch über die Einigung auf einen Kandidaten. Allerdings ist die Volkspartei, die ehemaligen Kommunisten, bereits ausgeschert und nominierte Bassam Salhi, ihren Generalsekretär. Die Gespräche "werden deshalb wohl nur auf einer unteren Ebene zu einer gemeinsamen Grundlage führen", meint Qais Abdelkarim von der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas (DFLP). Einzeln haben die palästinensischen Linken bei Wahlen keine Chance, ebenso wie die restlichen Kandidaten, die wenig bis nicht bekannt sind.

Derweil wurden die Registrierungszentren für die Wähler wieder geöffnet. 72 Prozent der Wahlberechtigten haben sich bereits in die ausliegenden Listen eingetragen, erklärte Rami Hamdallah auf einer Pressekonferenz in Ramallah. "Wir garantieren eine freie und ehrliche Abstimmung. Sechstausend lokale und internationale Wahlbeobachter haben sich bereits angemeldet", so der Generalsekretär der Wahlkommission. "Allerdings haben wir noch keine internationalen Garantien für einen ungestörten Ablauf der Wahlen."

Das israelische Militär hält immer noch das gesamte Westjordanland und weite Teile des Gazastreifens unter direkter Besatzung. Über einige Orte ist eine Ausgangssperre verhängt. Bedingungen, die freie Wahlen unmöglich machen. Von der internationalen Gemeinschaft erhoffen sich die Palästinenser deshalb Druck auf Israel, sein Militär bis spätestens Anfang Januar aus den Bevölkerungszentren in den besetzten Gebieten abzuziehen. Zudem bezeichnet Israel die Abstimmung im palästinensischen Ost-Jerusalem als illegal. Eine "Gesetzeslage", die bei den Wahlen 1996 noch nicht bestand. Israel annektierte Ost-Jerusalem direkt nach der Eroberung 1967. Der Rest des Westjordanlands und der Gazastreifen werden bis heute unter Besatzungsstatus gehalten.

Nach Arafat: Aufwind für Parlament

Unterdessen erlebt das zu Arafats Zeiten marginalisierte Parlament unter dem Übergangspräsidenten Rauhi Fattuh, seines Zeichens Parlamentssprecher, einen politischen Frühling. Nicht nur unterzeichnete Fattuh alle vom Parlament verabschiedeten Gesetze, die sich lange auf Arafats Schreibtisch stapelten. Am Dienstag soll auch ein neues Wahlgesetz durchgebracht werden. Ähnlich wie in Deutschland soll die Stimmabgabe nach nationalen und Distriktlisten erfolgen.

"Ich denke, dass das neue Gesetz zu größerer politischer Partizipation führt", so der derzeitige Parlamentssprecher Hassan Khreishe. "Darüber hinaus enthält es eine Frauenquote." Diese hatte zwar die Unterstützung Arafats, war aber im Parlament gescheitert. Frauenorganisationen werben für die Quote bereits seit Jahren. Ihr jetziger Erfolg ist als Teil der Bemühungen der Führung zu werten, den autokratischen Regierungsstil Arafats abzuschaffen und weite Teile der Bevölkerung in den politischen Prozess einzubinden.