Kristallplanet

Bevor ein neuer Planet entsteht, bilden sich in der Staubwolke rund um eine junge Sonne erst einmal Kristalle

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. Das berichtet ein europäisches Forscherteam

Roy van Boekel vom Astronomisches Institut der Universität Amsterdam und Kollegen von verschiedenen europäischen Instituten unter anderem vom European Southern Observatory (ESO) und vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg haben sich die protoplanetaren Scheiben rund um sehr junge Sterne genauer angesehen, um den Mechanismen der Entstehung erdähnlicher Planeten auf die Spur zu kommen.

Der Geburtsort von Planeten sind protoplanetaren Scheiben rund um junge Sonnen, sich verdichtenden Gas- und Staubwolken, in denen sich Materie zuerst zu Staubkörnern, dann zu Planetenkeimen (Planetesimalen) und durch zunehmende Anziehungskraft schließlich zu kompletten Himmelskörpern zusammen ballt. Junge Sonnensysteme, in denen gerade Planeten heranwachsen, interessieren die Wissenschaft besonders, weil sie Rückschlüsse über die Entstehung der Erde zulassen.

Oben eine schematische Ansicht der zirkumstellaren Scheibe. Darunter die Spektren aus dem inneren und äußeren Bereich, die in den drei Sternen beobachtet wurden. In allen Fällen gibt es deutliche Unterschiede zwischen den innen und außen emittierten Spektren, die auf eine unterschiedliche mineralogische Zusammensetzung der emittierenden Staubteilchen hinweisen. Die breitere Form der Spektren aus dem inneren Bereich weist auf die Anwesenheit größerer Teilchen hin; das nur im Inneren auftretende Maximum bei 11.3 Mikrometer Wellenlänge ist für kristalline Silikate charakteristisch. Bild: European Southern Observatory

Untersuchungen der Infrarotstrahlung ermöglichen es den Astromineralogen, die Größe, chemische Zusammensetzung und Kristallstruktur der kosmischen Staubkörner in den Wolken zu analysieren. Dadurch können die Verteilungsmuster und Evolutionen in protoplantaren Scheiben erkannt werden.

Die Forscher beobachteten, wie sie in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature berichten, mithilfe des Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte (VLT) die inneren Bereiche zirkumstellarer Staubscheiben rund um drei junge Sterne, die Ähnlichkeit mit unserer Sonne haben und stellten fest, dass dort die Entwicklungsprozesse bereits begonnen haben, die zum Aufbau neuer Planeten führen.

Bis vor kurzem wäre eine derartige Beobachtung nicht möglich gewesen, weil die Auflösung der Instrumente nicht ausreichend war, um eine so detaillierte Aufnahme zu machen. Am VLT in Chile steht aber nun die spezialisierte Infrarotkamera MIDI zur Verfügung, die aus dem Licht von zwei 100 Meter auseinander stehender Teleskopen, die vereint den Himmel beobachten, eine extreme Bildschärfe gewinnt. Dadurch gelang es, einen Bereich rund um die jungen Sterne abzubilden, der in etwa dem Abstand der Erde von der Sonne entspricht. Die Infrarotstrahlung der Scheiben zeigt im beobachteten Wellenlängenbereich um 10 Mikrometer Strukturen, aus denen sich die chemische Zusammensetzung des strahlenden Staubs und die durchschnittliche Größe der Staubkörner erschließen lassen.

Es ist schon seit einiger Zeit bekannt, dass der meiste Staub in den Scheiben um neu geborene Sterne aus Silikaten besteht. Zunächst ist er amorph, d.h. die Atome und Moleküle sind völlig unregelmäßig angeordnet. Die Staubkörner sind in diesem Stadium winzig, nur etwa ein Zehntel Mikrometer groß. In unmittelbarer Nähe zum Stern sind Temperatur und Dichte der staubreichen Scheibe am höchsten und die Teilchen haften nach Zusammenstößen aneinander. Der Staub heizt sich auf und die Atome und Moleküle ordnen sich so um, dass die Staubkörner kristallisieren. So wird der Staub im Innenbereich der Scheibe vom ursprünglichen Zustand (kleine, amorphe Teilchen) in so genannten prozessierten Staub (größere, teilweise kristalline Teilchen) umgewandelt.

Staub und Kristalle

Das Team um van Boekel fand heraus, dass sich im inneren Bereich der Scheibe eine Art feiner Sand, das heißt ca. 1/100 mm große Silikatkörnchen anreichern. Durch die neuen Untersuchungsmethoden konnten die Forscher genau zuordnen, wo sich in der Staubwolke mehr ursprüngliches und wo mehr prozessiertes Material ballt. Bei zweien der Sterne (mit den Katalognummern HD 144432 und HD 163296) ist der Staub innen weit entwickelt, außen praktisch im ursprünglichen Zustand. Im Fall des dritten (HD 142527) hat sich der Staub in der ganzen Scheibe entwickelt, im Innenbereich aber in extremer Weise, sodass praktische nur noch kristallines Material vorhanden ist. Das entspricht den theoretischen Voraussagen.

Einer der Autoren, Rens Waters, erläutert: "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass, wenn die Grundbausteine am richtigen Platz vorhanden sind, der Aufbauprozess wieder abbrechen würde, nachdem er bereits begonnen hat. So ist es fast unvermeidlich, dass sich größere und größere Gesteinsbrocken und schließlich auch erdähnliche Planeten aus diesen Scheiben bilden werden."

Die neuen Erkenntnisse deuten daraufhin, dass die Kometen in unserem Sonnensystem, die sowohl ursprüngliches als auch kristallisiertes Material enthalten, wahrscheinlich Boten aus der Frühzeit des Planetensystems darstellen. Sie bildeten sich in einer Zeit, als die Erde und die anderen Planeten noch nicht existierten, aber die Kristallisationsvorgänge schon angelaufen waren. Unsere Sonne wurde vor 4.5 Milliarden Jahren aus einer großen staubhaltigen Scheibe geboren, in der sich dann die Erde und alle andere Planeten, die Kometen und Asteroiden formten.