Der Krieg soll grüner werden

Das Pentagon will seinen ökologischen Fußabdruck in Krisengebieten verkleinern - und gleichzeitig neue Energiequellen anzapfen

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Neben den militärischen Sorgen wie momentan im Irak quält die US-amerikanischen Schlachtenlenker angeblich vor allem ein Problem: bei einem Müllaufkommen von mindestens drei - vier Kilogramm pro Soldat und Tag besteht die Befürchtung, daß sich die Kapazitäten der einheimischen Müllentsorgung vor Ort als völlig unzureichend herausstellen. Wieder ist die DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) mit ihrer Heerschar an Dr. Seltsams zur Stelle und denkt mit MISER über eine Lösung nach, die gleichzeitig auch noch reichlich Energie liefern soll.

Landgestützte militärische Operationen der Zukunft sollen in den Vorstellungen der Militärs selbstgenügsam sein und eine überdimensionierte Logistik vermeiden. Es gibt bereits Projekte in anderen Versorgungsbereichen (Wasser-Ernte in der Wüste). Stationäre Einheiten im Kampfeinsatz fabrizieren große Mengen an Müll, vor allem in Form von Verpackungsmaterial. Eine Reduzierung der Menge an Verpackung selbst scheidet aus Gründen der Gesundheit, Sicherheit sowie wegen anderen Erfordernissen, wie etwa den Profitinteressen der beteiligten Verpackungsmittelhersteller, aus.

Der Heizwert von plastischem Verpackungsmüll (ca. 26-43 Megajoule pro Kilogramm bei einem Wasserstoffgehalt von 5-14 Masse-Prozent) reicht an den von Diesel (43.9 Megajoule pro Kilogramm bei einem Wasserstoffgehalt von 12.5 Masse-Prozent) heran. Polyethylen, Polypropylen und Polystyren haben, verglichen mit anderen Kunststoffen, höhere Heizwerte (zu sehen z.B. in der Studie Heats of Combustion of High Temperature Polymers).

Würde der Energiegehalt der Verpackungsplastik für eine Zweitnutzung als Treibstoffquelle zur Energiegewinnung optimiert, könnte das beim derzeitigen Müllaufkommen militärische Einheiten unabhängig von Treibstofflieferungen für deren Feldgeneratoren machen. Eigens dafür wurde ein DARPA-Projekt namens Mobile Integrated Sustainable Energy Recovery (MISER) ins Leben gerufen. Das Ergebnis soll ein portables "Müll-zu-Treibstoff"-System sein, gekoppelt mit einem Generator, der dann eine Woche lang fünf Kilowatt an elektrischer Leistung bereitstellen kann. Drei Kilogramm Plastikmüll sollen pro Stunde mit einer Ausbeute von mindestens 90% des Energiegehalts verstromt werden - soweit die Projektvorgaben. Vorhandene Technologien wie die Vergasung und die Pyrolyse sind zu energieintensiv, zu ineffektiv und hinterlassen bedeutende Mengen an Nebenprodukten, die entsorgt werden müssen.

Die Firma DNA 2.0, Menlo Park, Kalifornien, erhielt einen Phase-I-Nachfolgezuschuss für Forschungsarbeiten an MISER. DNA 2.0 wurde 2003 gegründet und ist auf den Gebieten der Gen-Synthesen und Protein-Optimierungstechnologien führend. Hier wurden zwei technologische Plattformen entwickelt: die DNA-2-Go-Gen-Synthese sowie DeNovo Genes: ein Algorithmus, der publizierte Genom-Informationen in mathematische Regeln übersetzt und so erhellt, wie Proteine funktionieren. Diese Regeln fließen dann in die DNA-2-Go-Gen-Synthese ein.

Das Projekt ist eine Zusammenarbeit mit Professor Richard A. Gross, Polytechnic University, Brooklyn, New York, Preisträger der "grünen" Chemie (Presidential Green Chemistry Award 2003). Er leistete Pionierarbeit an der Schnittstelle von Biologie und Polymerchemie und ist Gründer und Chef des National Science Foundation Center for Biocatalysis and Bioprocessing of Macromolecules (CBBM). DNA 2.0 ist in diesem industriell-universitären Forschungsverbund Mitglied - wie z.B. auch Cargill Dow LLC, BASF, Novozymes und DSM).

1999 vergab die DARPA ein 2,6-Millionen-Dollar-Projekt an die Polytechnic University, um eine Kunststoffbeschichtung zu entwickeln, die in der Lage ist, Anthrax und andere biologische Kampfmittel nachzuweisen. 2002 gab es für das damals brandneue Biomacromolecular Engineering Laboratory der Polytechnic University unter Gross' Leitung einen DARPA-Auftrag zur Herstellung von potenten kunststoffabbauenden Enzymen. Gross soll nun einen Bio-Kunststoff mit ähnlichen Eigenschaften wie Polyethylen entwickeln. Dieser soll sich mit Hilfe von neuen Enzymkatalysatoren aus erneuerbaren Ressourcen wie Pflanzenölen synthetisieren lassen. DNA 2.0 soll die dafür erforderlichen Enzyme kreieren.

Ein kruder Mix aus "grüner" Chemie und Biotechnologie soll den Krieg ökologisch durchstylen. Schöne neue Welt. Der Krieg wird dadurch nicht "humaner" - das hat aber auch keiner versprochen.