Medienaktivismus in der Bewegungflaute

Beim ersten bundesweite Media-Acivist-Gathering blieben die Aktivisten von Indymedia weitgehend unter sich

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"Vernetzung der freien und unabhängigen Medien: Quantensprung in der medialen Evolution - Visionen und Strategien?" Unter diesem komplizierten Obertitel stand eine Open-Space-Konferenz, die zu Höhepunkt des ersten bundesweiten Media-Activist-Gathering gehörte vgl. auch Ziviler Ungehorsam im 21. Jahrhundert).

Zum fünften Jahrestag von Indymedia zogen Medienaktivisten Bilanz und planten weitere Schritte. Das Resümee des ambitionierten Programms, zu dem neben der Konferenz auch die Media-Gathering Messe gehörte, ist zwiespältig. Einerseits hat sich der Medienaktivismus verbreitert, andererseits bleibt man unter sich.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Gruppen, die mit einer Videokamera arbeiten und die Filme dann entweder ins Internet stellen oder günstig verbreiten. Projekte wie Kanal-B oder Labour-B haben in der letzten Zeit einen beachtlichen Output gehabt. Auch zahlreiche Radioprojekte, vor allem in Universitätsstädten, stellten auf der Messe ihre Arbeit vor. Doch die Besucher der Veranstaltungen waren größtenteils selber Medienaktivisten. So konnte man sich vorzüglich über die eigene Projekte austauschen. Doch der Brückenschlag zu den Bewegungen, die sich nicht zu den Medienaktivisten zählten, aber durchaus daran Interesse haben könnte, ist nicht gelungen.

Bei den Protesten gegen Hartz IV haben sich beispielsweise viele Betroffene, die erstmals auf einer Demonstration waren, sicherlich über die vielen Kameras gewundert, die dort von den Aktivisten mitgeführt wurden. Viele ließen sich vor der Kamera auch über ihre Beweggründe für die Demoteilnahme befragen. Den Schritt aber, selber Teil eines Medienkollektivs zu werden und beispielsweise den Alltag auf dem Arbeitsamt oder anderen Behörden zu dokumentieren, machen nur wenige. So kommen die Medienaktivisten in erster Linie aus dem universitären Milieu.

Das spielt beispielsweise bei der Frage eine Rolle, wo man breitere Kreise der Bevölkerung mit den Produkten des Medienaktivismus konfrontiert. So werden bei dem Prinzip der Videoguerilla an öffentlichen Plätzen Kurzfilme mit gesellschaftlichen Inhalten gezeigt. Dabei spielt der Überraschungsmoment eine wichtige Rolle. Beim Public Screening hingegen werden die öffentlichen Filmvorführungen vorher angekündigt. Hierbei steht die bewusste Vermittlung von Inhalten im Vordergrund. Ob man mit solchen Aktionen mehr Wirkung in Stadtteilen mit einen hohen Arbeiter- und Erwerbslosenanteil oder eher in studentischen Gegenden erzielt werden kann, blieb auch am Wochenende unbeantwortet.

Mehr auf ein schon anpolitisiertes Publikum zielen Medienaktivisten, die sich auf Proteste gegen den G8-Gipfel im nächsten Jahr in Schottland vorbereiten oder sich mit eigenen Inhalten in das Gründungstreffen des Sozialforums in Deutschland im nächsten Juli in Erfurt einklinken wollen. Sie hoffen, ein neuer Bewegungsschub könnte auch den Medienaktivismus beflügeln. Schließlich wurde Indymedia bei den schon legendären Auseinandersetzungen von Seattle vor fünf Jahren gegründet. In Europa so richtig bekannt wurde es 2001, als die globalisierungskritische Bewegung von Gipfel zu Gipfel zog.

Das Abflauen der Bewegungen machte sich bei Media-Activist-Gathering an der geringen Teilnehmerzahl der Besucher bemerkbar. Die Eintrittspreise waren zumindest keine Hürde. Nach dem Indymediaprinzip wurde alles auf Spendenbasis angeboten. Auch für das Anschauen der Filme aus dem Bereich des Antirassismus und der Globalisierungskritik, die noch bis zum 1. Dezember in 7 Berliner Kinos gezeigt werden, braucht man kein Ticket. Trotzdem bleibt der erwartete Ansturm aus.