US-Energieministerium empfiehlt weitere Erforschung der kalten Fusion

Teil 6: Hälfte der Gutachter ist überzeugt: "Hinweise auf Leistungsüberschuss sind zwingend." Zweifel an der nuklearen Natur des Effektes

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Am Mittwoch ist die weltweit mit Spannung erwartete Überprüfung der mittlerweile vorliegenden Forschungsergebnisse zur kalten Fusion durch das US-Energieministerium veröffentlicht worden. Anders als vor 15 Jahren folgte das Gutachten diesmal den Regeln eines wissenschaftlichen Peer Reviews und nicht denen eines politischen Untersuchungsausschusses. Die Gutachter empfehlen fast einstimmig die wissenschaftliche Erforschung der kalten Fusion. Forschungsgeldgeber sollten auf individuelle Forschungsanträge eingehen.

Das deutsche Forschungsministerium erachtet die kalte Fusion im Fall ihrer Realität als "großen Fortschritt in Richtung einer weltweiten, nachhaltigen Energieversorgung". Die Möglichkeit der Kernfusion bei Raumtemperatur ist erstmals im Frühling 1989 von zwei Universitäten im US-Bundesstaat Utah behauptet worden. Nachdem deren Ergebnisse in weltweit hastig angesetzten Experimenten oft nicht erfolgreich wiederholt werden konnten und Meinungsführer der Wissenschaft sich gegen die kalte Fusion ausgesprochen hatten, wandelte sich die anfängliche Euphorie über die Antwort auf die globale Erwärmung rasch in Ablehnung.

Ein Bericht des US-Energieministeriums (DoE) wirkte wie Zement für den sich etablierenden Konsens, die kalte Fusion sei auf Messfehler oder Fehlinterpretationen zurückzuführen. Der erste DoE-Untersuchungsbericht schloss im Herbst 1989, "dass es derzeit für die Entdeckung eines neuen Kernprozesses (...) keine stichhaltigen Beweise gibt", und sprach sich "gegen eine besondere Förderung zur Erforschung des der kalten Kernfusion zugeordneten Phänomens" aus. 15 Jahre später sind die DoE-Gutachter nun gespaltener Meinung, ob und wie weit die Hinweise auf Kerneraktionsprozesse überzeugend seien. Einigkeit herrscht jedoch in der Forderung, das Phänomen weiter zu untersuchen.

Ergebnisse des aktuellen Gutachtens

Das aktuelle Gutachten geht auf die Initiative vierer Wissenschaftler (Antragsteller) zurück, die die kalte Fusion seit 1989 erforschen. Das Wissenschaftsbüro des DoE ließ deren Forschungsbericht nebst sechs Anhängen von neun Wissenschaftlern begutachten. Diese hatten etwa einen Monat nebentätig Zeit, um den Fortschritt aus 15 Jahren zu begutachten. Ihre Gutachten dienten neun weiteren Gutachtern als Vorbereitung auf sechs Vorträge zum Stand der kalten Fusion. Die Gutachter wurden vom DoE gebeten:

  1. Die experimentellen und theoretischen Hinweise für das Auftreten von Kernreaktionen in kondensierter Materie bei niedrigen Energien (kleiner als ein paar Elektronenvolt) zu bewerten und zu bestimmen.
  2. Zu bestimmen, ob die Hinweise beweiskräftig dafür sind, dass solche Kernreaktionen stattfinden.
  3. Zu bestimmen, ob weitere Anstrengungen wissenschaftlich gerechtfertigt sind, und, wenn ja, die erfolgversprechendsten Ansätze, denen nachgegangen werden sollte, zu identifizieren.

1) Etwa die Hälfte der Gutachter gab an, dass die Hinweise auf einen Energiegewinn überzeugend seien.

Der oft und unter manchen verstandenen Bedingungen beobachtete Effekt ist zwingend.

Die andere Hälfte gab an, dass ein Energiegewinn nicht überzeugend sei, wenn über die Gesamtdauer des Experiments gemittelt werde. Auch seien nicht alle chemischen oder Messeffekte zur Erklärung der Wärmeproduktion als Anzeichen der behaupteten Kernfusion diskutiert worden. Die meisten Gutachter gaben an, "dass die Effekte nicht wiederholbar sind, die Größenordnung des Effekts in über einer Forschungsdekade nicht vergrößert worden ist und dass viele der berichteten Experimente nicht gut dokumentiert sind".

Dass in fünf von 16 klassischen Elektrolyseexperimenten, in denen Überschusswärme produziert worden sei, auch das Fusionsprodukt Helium-4 gemessen worden sei, überzeugte "manche" Gutachter "ganz oder einigermaßen", dass Kernreaktionen stattfänden. Für andere war "mangelnde Stetigkeit ein Anzeichen, dass diese Hypothese nicht gerechtfertigt ist".

Beschleunigerexperimente, in denen niederenergetische Kernreaktionen laut Forschungsberichten verstärkt vorkommen, wurden von den Gutachtern, die sich damit beschäftigt hatten, "generell positiv", wenn von manchen auch als Randgebiet gesehen.

Insgesamt fanden fünf Gutachter die Hinweise auf niederenergetische Kernreaktionen "einigermaßen überzeugend". Einer zeigte sich restlos überzeugt. Der Rest war nicht überzeugt. Viele Gutachter kritisierten, "dass schlechte Experimentdurchführung, Dokumentation, Hintergrundkontrollen und ähnliche Aspekte Verständnis und Interpretation der präsentierten Ergebnisse erschwerten."

2) Zur Frage, ob die Hinweise dafür beweiskräftig seien, dass Kernreaktionen stattfinden, äußerten sich nicht alle Gutachter. Nur einer bejahte diese Frage. Es ist nicht bekannt, ob diejenigen, die diese Frage verneinten, auch diejenigen sind, die einen Energiegewinn verneinten.

In ihrem Bericht und den angehängten Veröffentlichungen hatten die Antragsteller den Gutachtern zu erkennen gegeben, dass bei der kalten Fusion ein neuer Reaktionsmechanismus zu erwarten sei. Dieser Aussage entsprachen Kernphysiker unter den Gutachtern mit der Formulierung, dass der vorgeschlagene Mechanismus der kalten Fusion nicht in Einklang stehe mit "altbekannten" und "akzeptierten" Fusionsreaktionen. Einigkeit herrschte offenbar darin, dass zukünftige Experimente von bekannten Reaktionsmechanismen ausgehen sollten.

3) Zur Frage, ob und welche weiteren Anstrengungen wissenschaftlich gerechtfertigt seien, steht im Abschlussbericht:

Es war die fast einhellige Meinung der Gutachter, dass Forschungsgeldgeber auf individuelle und gutdurchdachte Vorschläge für Experimente eingehen sollten, welche die spezifische wissenschaftliche Fragestellung zum Ziel haben, ob es in den [beschriebenen] Systemen eine anomale Energieproduktion gibt, oder ob [Kernfusionen] bei Energien der Größenordnung weniger Elektronenvolt stattfinden. Diese Anträge sollten etablierten wissenschaftlichen Standards entsprechen und einem rigorosen Peer Review unterzogen werden. Kein Gutachter empfahl eine gezieltes, staatlich gefördertes Forschungsprogramm für niederenergetische Kernreaktionen.

Die Gutachter schließen mit der Bemerkung, dass niederenergetische Kernreaktionen unter Verwendung modernster Apparate und Methoden erforscht werden sollten.

Vergleich

Obwohl das DoE schreibt, die Schlussfolgerungen seien diesmal ähnlich wie 1989, gibt es einen wesentlichen Unterschied der diesjährigen Erkenntnisse zu den früheren. 1989 schloss der Untersuchungsausschuss, "dass die experimentellen Ergebnisse kalorimetrischer Messungen keine überzeugenden Beweise dafür liefern, dass die kalte Kernfusion eine nutzbare Energiequelle darstellt." Diesmal schloss die Hälfte der 18 Gutachter: "Die Hinweise auf einen Leistungsüberschuss sind zwingend."

Ebenfalls gibt es diesmal ein deutlicheres Bekenntnis zur Forschungsfinanzierung der kalten Fusion. 1989 war der Ausschuss "für bescheidene Unterstützung sorgfältig geplanter und kooperativer Experimente im Rahmen der existierenden Förderungsprogramme". Nun werden Forschungsgeldgeber explizit aufgefordert, auf Forschungsprojekte einzugehen, "welche die spezifische wissenschaftliche Fragestellung zum Ziel haben, ob es (...) eine anomale Energieproduktion gibt".

Anders als 1989 folgte das Gutachten diesmal den Regeln eines wissenschaftlichen Peer Review und nicht denen eines politischen Untersuchungsausschusses. Die unterschiedlichen Meinungen der Gutachter sind nicht einer verallgemeinernden Aussage untergeordnet worden.

Der beteiligte Antragsteller Dr. Michael McKubre hat der New York Times gegenüber bereits begrüßt, dass die aktuellen Schlussfolgerungen wenigstens "ein bisschen positiv" seien. Dieses nimmt das DoE allerdings auch für seinen Bericht von 1989 in Anspruch. Der Leiter des DoE-Wissenschaftsbüros, Dr. James Decker, hatte McKubre und seinen Kollegen am 5. November 2003 gesagt, der erste Bericht sei nicht falsch, aber "hastig und vorläufig" gewesen und auch "unglücklich interpretiert" worden.