Trotz Verbot nach wie vor aktiv

Die Skinheads Sächsische Schweiz betreiben seit Jahren einen militant rechtsextremen Kampf für No-go-Areas - nun ermittelt erneut die Staatsanwaltschaft

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Nur wenige Tage nach einer Demonstration gegen Rechtsextremismus in der Region Sächsische Schweiz (Pirna, sächsisches Tor zur Nationalen Schweiz?), die auch aus dem Umfeld der eigentlich seit 2001 verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) heraus bedroht wurde, ist die Staatsanwaltschaft erneut gegen die rechtsextreme Gruppierung SSS vorgegangen. Durch 100 LKA-Beamte wurden zeitgleich 29 Wohnungen und Büros von Rechtsextremisten in Sachsen und Bayern durchsucht, Beweismaterial sichergestellt und ein als Mitbegründer der SSS geltender Rechtsextremist festgenommen.

Bereits seit Ende 1997 ist im südostsächsischen Raum die so genannte Kameradschaft Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) aktiv. Vorerst nur von aufmerksamen Beobachtern der Neonazi-Szene zur Kenntnis genommen, gelangte die SSS in kurzer Zeit auch zu überregionaler Aufmerksamkeit. Dabei war das Ziel der stramm hierarchisch organisierten und paramilitärisch geprägten SSS, die Sächsische Schweiz von Ausländern und Andersdenkenden "zu säubern", nie als etwas anderes als die Umsetzung der von Rechtsextremisten aller Couleur propagierten "national befreiten Zonen" zu verstehen.

Schon kurz nach ihrer Gründung wurde die SSS auf eine Anfrage hin vom Landrat des Landkreises Sächsische Schweiz als eine der NPD sehr nahe stehende Vereinigung eingeschätzt. Ebenso informierte das Landratsamt dahingehend, dass Uwe Leichsenring - schon damals NPD-Kreisgeschäftsführer und Kommunalpolitiker in Königstein - der Drahtzieher zur Gründung der SSS gewesen sein soll. Die SSS zeigte sich in der Folge auch erkenntlich und übernahm Schutz- und Wahlkampfarbeiten bei der NPD.

Leichsenring wiederum bedankte sich - nach der Bundestagswahl 1998 - in einem Schreiben des NPD-Kreisverbandes vom 13.10.1998 bei "den Kameraden der SSS und der SSS/AO für die hervorragende Absicherung unserer Veranstaltungen und Infotische". Darüber hinaus wollte Leichsenring mit der SSS allerdings nichts zu tun gehabt haben. Report Mainz dokumentierte erst kürzlich das Gegenteil dieser biedermännischen Darstellung. Leichsenring ist übrigens seit September 2004 auch Abgeordneter des Sächsischen Landtages und wurde von der NPD-Fraktion zur Wahl um das Amt des Ministerpräsidenten aufgestellt (Niemand will es gewesen sein). In seiner Funktion als Parlamentarischer Geschäftsführer bezeichnete Leichsenring das jüngste Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die SSS als "dreiste Unverschämtheit" und kündigte mit den Worten "Unsere Fraktion ist nicht bereit, diese gezielte Provokation so einfach hinzunehmen" ein parlamentarisches Nachspiel an.

Die SSS entwickelte sich mit rund 100 Mitgliedern zu einer der größten bis dato bekannt gewordenen rechtsextremen Kameradschaften. Bei einer Hausdurchsuchung durch das Landeskriminalamt Sachsen im Juni 2000 wurden unter anderem Waffen, Munition, Propagandamittel und zwei Kilogramm Sprengstoff sichergestellt. Im April 2001 wurde die SSS sowie die SSS/AO (Aufbauorganisation) durch Sachsens damaligen Innenminister Klaus Hardraht (CDU) verboten, wie in diesem Zusammenhang ebenfalls die Kameradschaft Nationaler Widerstand Pirna (NWP). In den drei sich anschließenden SSS-Prozessverfahren ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen 82 Personen. Alle erhobenen Anklagen - zumeist auf Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung, Landfriedensbruch und Körperverletzung - endeten in Bewährungs- beziehungsweise Geldstrafen.

Fast unmittelbar mit Prozessende im Januar 2004 konstatierte die Initiative Tolerantes Sachsen:

Weitere rechtsextreme Bestrebungen, besonders von ehemaligen SSS-Mitgliedern im Landkreis Sächsische Schweiz, sind immer noch auffallend. Nach wie vor verbreiten sie ihre Ideologie über reichlich Propaganda. Trotz der Verfolgung werden weiter schwere Gewaltverbrechen verübt, Skinheadkonzerte organisiert, extremistisch geprägte Sonnenwendfeiern und so genannte Feldschlachten durchgeführt, junge Leute mit menschenverachtender Ideologie infiziert. Mehrere Verfasser rechtsextremer Fanzines leben in der Sächsischen Schweiz; es werden mehrere Internetseiten mit rechtsextremistischen, antisemitistischen und rassistischen Inhalten aus der Region heraus betrieben.

Belegbar sind die durchaus kontinuierlichen Aktivitäten der SSS über den gesamten Verbotszeitraum durch Berichte und Veröffentlichungen nicht nur vom Rande rechtsextremer Aufmärsche und nicht zuletzt beim Landtagswahlkampf der sächsischen NPD. Und so liest sich die Begründung für das jetzige Vorgehen der Staatsanwaltschaft gegen die SSS auch nicht gerade überraschend:

Wir werfen 25 Beschuldigten vor, den Zusammenhalt der SSS aufrechterhalten und bestehende Strukturen genutzt zu haben.

Bereits der Lagebericht des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) attestierte im September 2004:

Zwar ist dem LfV Sachsen nicht bekannt, dass die verbotene Gruppierung zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem Verbot unter der Bezeichnung SSS aufgetreten ist. Gleichwohl beschäftigen sich Personen aus diesem Kreis nach wie vor mit rechtsextremistischem Gedankengut und agieren weiter.

Unter den nun erneut Beschuldigten befinden sich zudem einige Rechtsextremisten, die in den SSS-Prozessen bereits Bewährungsstrafen erhalten haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt diesbezüglich auch "wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz".