Musiker: Internet ist eine Hilfe, keine Bedrohung

US-Befragung von Musikern straft die Plattenindustrie Lügen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Musiker und Künstler allgemein sehen Copyrightaspekte deutlich gelassener, als mancher Normalbürger und nutzen selbst auch das Internet intensiv, um sich mit Kollegen auszutauschen, aber auch zum – legalen und nicht legalen – Musik- und Video-Download

In Deutschland sieht die Musikindustrie durch das Internet ihr letztes Stündlein schlagen, was mancher nach dem wenig kundenfreundlichen Benehmen derselben mittlerweile sogar mit Freude begrüßen würde. Beispielsweise all jene, die beim Ausrümpeln neben dem Videorekorder auch den zugehörigen Kopierschutzkiller in Online-Auktionen anboten, ohne zu ahnen, dass diese Geräte, obwohl technisch äußerst simpel (sie entfernen lediglich nicht normgemäße Störimpulse aus dem Videosignal) illegal geworden sind ("Russki MP3-Mucke gar nix gutt auf Ebäh").

Die meisten Musiker haben dagegen ein deutlich entkrampfteres Verhältnis zum Netz der Netze: Newcomerbands hilft es, bekannt zu werden und sie stellen auch gerne mal ihre Stücke von sich aus als MP3s ins Netz. Die großen Bands wiederum mögen durchaus auch aus dem Netz geladen werden, doch kauft sich der echte Fan dann doch die CD – oder halt die DVD, wenn die CD auf seiner Hardware dank der Vorkehrungen der Plattenfirmen nicht mehr läuft. Und ja, natürlich werden auch große Bands durch MP3s bekannter, denn wie in alten Zeiten mit den Kopfhörern auf dem Kopf im Plattenladen zu stehen, sich durch die Neuerscheinungen zu hören und dabei den Mädels nachzuschauen ist heute nicht mehr angesagt, wo es doch längst bayrische Orgasmusgeräusche zum Download aufs Handy gibt.

Hassen oder lieben Musiker das Internet?

Eine Umfrage unter 809 Künstlern und 2755 Musikern in den USA hat dies nun bestätigt. Dabei nutzen mehr als drei Viertel der Künstler das Netz; wenn sie von ihrer Kunst leben, sind es sogar 83 Prozent. Dies ist deutlich mehr als der US-Bevölkerungsdurchschnitt mit 63 Prozent. Bei den Musikern wurde darauf geachtet, das ganze Spektrum vom erfolgreichen Star bis zum Bettelmusikanten abzudecken. Neben Musikern wurden auch Schriftsteller und Filmer befragt; die Daten der Musiker wurden jedoch separat ausgewertet. Auch 184 "Online-Künstler" wurden extra erfasst.

Zwei Drittel der vom Pew Internet & American Life Project befragten Musiker sagt, das Internet sei für sie sehr wichtig, um ihre Musik zu machen und sie zu verteilen. Neun von zehn sehen das Internet auch als eine Quelle ihrer Inspiration. 87 Prozent werben im Netz, 83 Prozent haben Gratisproben ihrer Musik online, 72 Prozent geben an, dadurch auch mehr Musik verkauft zu haben und 69 Prozent verkaufen dabei auch online.

Musiker sind kommunikativ und online

77 Prozent haben eine eigene Website, zwei Drittel nutzen das Internet, um mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten und 56 Prozent bleiben auf Tour über das Netz in Verbindung mit Familie und Kollegen. Ein Drittel nutzt dazu Notebook, PDA oder Handy. Die Mehrheit informiert sich auch online über Copyright-Aspekte, wie beispielsweise das Melden ihrer eigenen Werke. Nur drei Prozent klagen dagegen, das Internet habe ihnen geschadet, wobei dies eher Texter und Komponisten sind als Interpreten. 35 Prozent sahen dabei die Gratis-Proben ihrer Musik als nützlich für ihre Karriere, 30 Prozent meldeten auch dadurch bedingt mehr Besucher bei Auftritten, 21 Prozent mehr CD- und Merchandising-Verkäufe und 19 Prozent mehr Airplay im Radio. 37 Prozent bemerkten keinen Effekt, 8 Prozent sahen dabei auch, doch nur 5 Prozent ausschließlich negative Effekte der Gratisdownloads.

Auch sind die Musiker zwar durchaus der Ansicht, Filesharing solle verboten werden, doch sehen wiederum zwei Drittel hierin keine große Gefahr für sich. 17 Prozent finden, die Betreiber von Filesharing-Diensten sollten bestraft werden, nur 30 Prozent wollen auch deren Nutzer zur Rechenschaft gezogen wissen und nur 12 Prozent wollen nur die Nutzer und nicht die Inhaber der Filesharing-Netzwerke verurteilt sehen. 21 Prozent wollen niemand verurteilt sehen lassen.

35 Prozent sehen dabei Filesharingsysteme als solche als nützlich für die Bewerbung ihrer Musik an, 23 Prozent sehen sie als schädlich an wegen der kostenlosen Kopiererei und weitere 35 Prozent stimmen beidem zu. 60 Prozent sehen aber wiederum in den die juristischen Ausschreitungen der amerikanischen RIAA, die bereits über 3000 Filesharer verklagt hat, als für sie als Musiker für völlig nutzlos an.

Ein MP3-File weitergeben ist ok, eine CD schon weniger

Praktisch Einigkeit herrscht dabei, dass das Verkaufen kopierter Musik nicht in Ordnung ist, der private Gebrauch – wozu auch die Weitergabe an persönliche Bekannte gehört, nicht jedoch das anonyme Filesharing – dagegen schon. Dabei wird es als wesentlich unkritischer gesehen, einem Freund ein MP3 zu schicken als ihm eine CD zu kopieren: Bei letzterem sind die Musiker in zwei etwa gleich große Lager gespalten, die dies für legitim (47 Prozent) oder illegal (41 Prozent) halten.

Das Downloaden von Musik und Filmen für den eigenen Gebrauch war unter den Musikern etwa doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung. Etwa vier von fünf der Downloads waren hierbei kostenlos. Zwei Drittel der Musiker sind der Ansicht, die amerikanische Copyright-Gesetzgebung schützt die Künstler, allerdings meint fast dieselbe Menge auch, dass sie den Händlern mehr zugute kommt als den eigentlichen Kreativen.

Interessant war dabei, dass die Normalbevölkerung in manchen Dingen strengere Ansichten bezüglich der Copyrightgesetze hatte als die Musiker, beispielsweise was heute erlaubte Dinge wie das Aufnehmen von Radio- oder Fernsehsendungen für den späteren Gebrauch betrifft. Allerdings war auch die Kenntnis der Normalbevölkerung von den gültigen Copyrightgesetzen deutlich geringer als bei den Musikern. Es ist also davon auszugehen, dass viele eigentlich legale Dinge, die sie tun, für illegal halten oder dies zumindest befürworten würden. Und wenn ohnehin schon alles verboten ist, dann kann man natürlich auch gleich Kazaa benutzen