Waldsterben und Luftverschmutzung

China und Indien werden zum Problem für die zarten Ansätze der Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen nach dem Kyoto-Abkommen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der deutsche Wald stirbt noch immer. Zwischenzeitlich sah es einmal oberflächlich besser aus, das in den internationalen Wortschatz eingegangene "Waldsterben" schien manchen gar zu einer Reminiszenz an hysterische Umweltschützer zu werden. Gleichzeitig konnte man den Erfolg eines entschlossenen politischen Handelns feiern, das die von Kraftwerken und Fahrzeugen ausgehende Verschmutzung eindämmte.

Doch nach dem neusten Waldzustandsbericht kann von Entwarnung keine Rede mehr sein. Der Anteil der gesunden Bäume ist auf 28 Prozent zurück gegangen. Über 40 Prozent der Bäume haben leichte Schäden, ein Drittel ist schwer krank. Betroffen sind jetzt vor allem die Laubbäume. Der heiße und trockene Sommer 2003 (Trockenstress und erhöhte Ozonwerte) hat zusammen mit der bestehenden Bodenversauerung und den vorhandenen Luftschadstoffen den Prozess beschleunigt. Die Zunahme des Autoverkehrs frisst die durch Katalysatoren erzielten "Gewinne", und während der Schwefeldioxid- und Stickoxid-Ausstoß vermindert werden konnte, greift nun Stickstoff vermehrt vor allem die Laubbäume an. Und der stammt vornehmlich aus der Landwirtschaft, wo er in Form von Dünger und Futtermittel zum Einsatz für den schnellen Nutzen und langfristigen Schaden kommt.

Aber der durch Stickstoff und andere Rückstände, die nicht aus der Landwirtschaft stammen, beschädigte Wald ist nur ein Aspekt. Weltweit steigt der Ausstoß etwa an Treibhausgasen, allen voran Kohlendioxid, weiter an. Mittlerweile ist das wirtschaftlich boomende China zum weltweit zweitgrößten Kohledioxid-Verschmutzer geworden. An der Spitze rangiert weiterhin die USA, die für über ein Viertel des in die Luft gehenden Kohlendioxids verantwortlich ist, während China nach einem Bericht der International Energy Agency "nur" einen Anteil von einem Siebtel (13,6 Prozent) hat.

China ist mittlerweile nach den USA der zweitgrößte Luftverschmutzer

Zwischen 1990 und 2002 ist der CO2-Ausstoß in China von 2.3 Milliarden um 44,5 Prozent auf 3.3 Milliarden Tonnen angewachsen. Das Bruttosozialprodukt ist in dieser Zeitspanne um über 200 Prozent gestiegen. China gibt damit fast soviel Kohlendioxid ab wie der ganze Rest von Asien, hier aber war die Zunahme des Ausstoßes mit 82 Prozent sogar noch höher.

Smogwolke über Indien und Pakistan, Bild: Nasa

Deutlich wird nach dem Bericht, dass Schwellen- und Entwicklungsländer mehr zur Klimabelastung beitragen, allerdings sind für 80 Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes weiterhin nur 22 Ländern verantwortlich. Nach den USA und China sind dies vor allem Russland (6,2%), Japan (5%), Indien, Deutschland (3,5%), Großbritannien, Kanada, Südkorea, Italien und Frankreich (1,6%). 2002 nahmen der globale Kohlendioxidausstoß mit 2 Prozent mehr als zuvor zu. 2001 waren es noch 0,8 Prozent.

Die Statistik der IEA erfasst die durch Verbrennung von fossilen Brennstoffen verursachte CO2-Abgabe, die allerdings 80 Prozent der Gesamtmenge aller Treibhausgase ausmacht. In geringen Maß wird Kohlendioxid auch von natürlichen Prozessen wie Vulkanausbrüchen freigesetzt. Einen Hauptanteil an den weiteren Treibhausgasen hat Methan, das hauptsächlich von der Tierhaltung und der Vegetation stammt.

Die große asiatische Smogwolke

Seit Jahren kann schon eine riesige Dunstwolke über Südostasien beobachtet werden, die das Klima beeinflusst, die Vegetation stört und Menschen gesundheitlich gefährdet. 1998 wurde die "asiatische braune Wolke" erstmals genau erfasst und analysiert. Die Wolke, die aus Asche, Staub und giftigen Rückständen vor allem von fossilen Brennstoffen und Waldbränden besteht, dämpft die Sonneneinstrahlung und führt im Westen zu steigender Trockenheit und im Osten zu größeren Niederschlägen, bei denen auch giftige Stoffe aus der Wolke auf die Erde zurück gelangen. Die Wolke, so kürzlich Mylvakanam Iyngararasan vom United Nations Environment Programme auf der jährlich stattfindenden Konferenz Better Air Quality, bringt nun die Gefahr mit sich, das Klima auf der ganzen Erde verändern zu können, weil es, wie lange bekannt, einen "Zusammenhang zwischen lokaler Luftverschmutzung und dem globalem Klimawandel" gibt:

Forschungsergebnisse zeigen, dass die Folge der jetzt zu beobachtenden Luftverschmutzung eine große Trockenheit sein wird. Schädliche Chemikalien, Aerosole und andere Schadstoffe beeinflussen die Wolkenbildung. Indien war in den letzten Jahren schweren Trockenzeiten ausgesetzt. Luftverschmutzung aus China kann innerhalb von wenigen Tagen von Winden nach Indien oder innerhalb von Wochen nach Europa transportiert werden. Luftverschmutzung ist deswegen wirklich ein grenzüberschreitendes Problem.

Das aber war eigentlich schon klar, seitdem Ökologie und Klimaschutz auf der politischen Agenda stehen. Aber die Einsicht ist schwer. Jitendra Shah von der Weltbank rief auf der Tagung Better Air Quality die asiatischen Länder dazu auf, ihren Teil beizutragen, da man an den Grenzen schließlich keine Luftfilter aufbauen könne. Fast alle großen asiatischen Städte, zumal in Indien und China, haben wachsende Probleme mit der Luftverschmutzung. Hauptgrund sind Industrieabgase und der schnell wachsende Verkehr. Selbst wenn Maßnahmen ergriffen werden, frisst die Zunahme der Fahrzeuge die Erfolge schnell auf. Offenbar stellt nach einer Studie der Weltbank und der Asian Development Bank allein Singapur eine Ausnahme dar. Der Stadtstaat beschränkt die Zulassung von Fahrzeugen durch Auktionen. In New Delhi, der am stärksten von der Lustverschmutzung belasteten Stadt Indiens, werden monatlich 10.000 Fahrzeuge neu zugelassen.

Das Kyoto-Abkommen und der gute Wille

Ein Schritt zur Übernahme der geforderten Verantwortlichkeit ist das Kyoto-Protokoll, aus dem die USA aber 2001 ausgeschert sind, unter anderem auch deswegen, weil China und Indien als Schwellenländern keine Auflagen erfüllen müssen. Die große asiatische Wolke spielte dabei auch eine Rolle. Mittlerweile hat sich die Position der US-Regierung weiter verhärtet. Sie lehnt auch weitere Kontrollen nach dem Ende des Kyoto-Abkommen im Jahr 2012 ab und ist der Meinung, die Wissenschaft werde bis dahin schon irgendwie das Problem lösen. Die plumpen Argumente der amerikanischen Konservativen kommen hier gut zum Audsruck: das Kyoto-Abkommen als eine Art Verschwörung zur Schädigung der amerikanischen Wirtschaft. Nach dem amerikanischen Vorbild wollen auch viele Entwicklungsländer, die jetzt noch ohne Beschränkungen geblieben sind, lieber nicht von künftigen Kontrollen sprechen.

Smogwolke über China. Bild: Nasa

Das Kyoto-Abkommen, das von 122 Staaten unterzeichnet wurde, sieht vor, dass reichere Industriestaaten - insgesamt 39 - ihren Ausstoß an Treibhausgasen auf dem Stand von 1990 um 5,2 Prozent bis 2012 zurückfahren. Schon jetzt ist absehbar, dass die meisten Staaten dieses Ziel nicht erreichen werden ([Link auf 15756]). Ob der Ausgleich mit anderen Ländern, das Pflanzen von Bäumen oder die Finanzierung von Sauberer Energie in anderen Ländern die Klimaerwärmung auch nur bremsen können, ist mehr als fraglich - und kann dann wiederum als Argument dafür verwendet werden, gar nichts zu tun.

So sagte etwa der Klimaexperte Wallace Broecker von der Columbia University, New York, während gerade bis zum 17.12. ein Treffen der Mitgliedsländer in Buenos Aires stattfindet, dass auch dann, wenn die Verpflichtungen des Kyoto-Abkommens eingelöst werden, der Ausstoß an Kohlendioxid vor allem durch die prosperierenden Schwellenländer wie China und Indien weiter ansteigen wird. Das Ergebnis des Kyoto-Abkommens bezeichnet er nur als Tropfen auf einen heißen Stein. Nur ganz neue Technologien, die Kohlendioxid aus der Luft in riesigen Mengen ziehen könnten, um es dann durch Versenken im Meer oder andere Methoden dem Kreislauf zu entziehen, würde wirklich eine Abhilfe schaffen. Das würde ohne allzu große Kosten machbar sein, während alternative Energieformen und Energieeinsparungen nicht wirklich nutzen. Das dürfte auf der Linie der Bush-Regierung sein, auch wenn Broecker im Unterschied zur Bush-Regierung das Risiko der Klimaerwärmung nicht herunter redet. Aber auch solche Technologien müssen global und schnell entwickelt und eingesetzt werden. Ohne Absprachen und Verpflichtungen, ohne die Bereitschaft, Geld zu investieren, funktioniert auch dies nicht. Und genau daran scheitert es - national und international.