Wahrheit und Täuschung im Informationskrieg

Das Pentagon sucht weiter nach Akzeptanz, Medien und Öffentlichkeit im Ausland mit manipulierten Informationen zu versorgen

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Eigentlich ist das Pentagon dazu verpflichtet, die eigene Bevölkerung und die amerikanischen Medien nicht zu täuschen. Das gilt auch für die Geheimdienste wie die CIA. Hemmungslos geschwindelt werden aber darf gegenüber ausländischen Medien, um dem "Feind" im nationalen Interesse Informationen vorzuenthalten oder falsche bzw. verfälschte Informationen zu geben. Diese Auftrennung ist natürlich schon seit langem obsolet. Denn mit den globalen Nachrichtenströmen werden nicht nur alliierte und befreundete Länder, sondern auch die amerikanischen Medien und Menschen desinformiert.

Schon einmal hat das Pentagon schnell den Kopf eingezogen (Aus für die Propaganda-Abteilung des Pentagon), als bekannt wurde, dass man nach dem 11.9. begonnen hatte, ein "Office of Strategic Influence", also eine Abteilung zur Manipulation der Meinung, einzurichten. Selbst in Zeiten des Kriegs gegen den Terrorismus ging dies vielen Abgeordneten zu weit. Verteidigungsminister Rumsfeld hatte vergeblich versucht, das Pentagon gewissermaßen als Inbegriff von Ehrlichkeit und Wahrheit darzustellen (Rumsfeld: Pentagon lügt nicht).

Allerdings sind PsyOps, also psychologische Operationen, wie man die alten Begriffe der Propaganda und Desinformation umschreibt, weiterhin Alltagsroutine, nur muss es heimlich gemacht werden. Dass auch bis zu den höchsten Instanzen hinauf selbst die amerikanischen Medien und Menschen belogen werden, haben die britischen und amerikanischen Regierungen eindrucksvoll demonstriert, als sie die Argumente für den Irak-Krieg zurecht zimmerten. Und Verteidigungsminister Rumsfeld hatte nachträglich zur Schließung des Propagandabüros der Presse am 18.11.2002 recht deutlich zu verstehen gegeben, dass dies nur eine symbolische Handlung war:

And then there was the office of strategic influence. You may recall that. And "oh my goodness gracious isn't that terrible, Henny Penny the sky is going to fall." I went down that next day and said fine, if you want to savage this thing fine I'll give you the corpse. There's the name. You can have the name, but I'm gonna keep doing every single thing that needs to be done and I have..

Ansonsten muss man nicht unbedingt lügen, um nicht die Wahrheit zu sagen. Um dies zu bewerkstelligen, setzt man "Experten" zum Informationsdesign ein. Man verschweigt Dinge, verschönt sie, gibt ihnen den gewünschten "Spin", lässt Informationen "durchsickern", die man verbreiten möchte, ohne offiziell dafür verantwortlich zu sein.

Ob nun die Informationen, die immer einmal wieder vom Pentagon inoffiziell an die Medien weiter gegeben werden, nicht schon auch strategisch getrimmt sind, ist natürlich kaum wirklich zu beurteilen. Die Skepsis gegenüber den Informationen von der US-Regierung ist, nachdem sie den Meinungsspin wohl auf ein neues Hoch gefahren hat, inzwischen wohl ziemlich allgemein groß. Soll jetzt vielleicht nur getestet werden, inwieweit Medien und Bürger es akzeptieren würden, wenn das Pentagon "offiziell" Falschinformationen zur Täuschung des Feindes im Ausland lancieren würde, wodurch aber auch - und sicher oft nicht unerwünscht oder auch das eigentliche Ziel - die eigene Bevölkerung hintergangen würde?

Wie die New York Times berichtet, stellt man im Pentagon einmal wieder solche Überlegungen an. Die Verbreitung falscher Nachrichten, die Erstellung irreführender Websites oder die Fälschung von Dokumenten könnte, so sollen Kritiker im Pentagon fürchten, der Glaubwürdigkeit des Verteidigungsministeriums schaden. Das könne die Grenzen zwischen offiziellen Verlautbarungen und militärischen Informationsoperationen verschwimmen lassen, sofern sie überhaupt noch wirklich besteht.

Vermutlich sind solche Informationsoperationen zur Manipulation der Meinung längst im Gange. Die New York Times verweist etwa darauf, dass General George W. Casey, der Oberkommandierende der US-Streitkräfte im Irak, die Zusammenführung der Presseabteilung mit den für Informationsoperationen Zuständigen in ein "Büro für strategische Kommunikation" genehmigt hatte, obgleich etwa General Myers warnte, dass damit die Glaubwürdigkeit des Kommandeurs gegenüber den Medien und der Öffentlichkeit gefährdet würde.

Wie strategische Kommunikation oder Psy-Op funktioniert, hat man auch im Oktober beobachten können. Ein Sprecher der Marines hatte bereits am 14. Oktober im amerikanischen Nachrichtensender (!) CNN behauptet, dass US-Truppen bereits nach Falludscha aufgebrochen seien und es eine lange Nacht werde. In Wirklichkeit begann der Kampf erst Wochen später. Das Militär wollte vermutlich nur beobachten, wie die Aufständischen reagieren. CNN erklärte, man habe die Zuschauer schnell darüber informiert, was wirklich geschehen ist. Jetzt versichert man im Pentagon, man werde den Fall aufklären und schauen, ob da jemand "zu kreativ" gewesen sei, da doch Soldaten Reporter nicht belügen dürfen. CNN erklärt, der Fall sei außergewöhnlich gewesen, weil sich das Militär zuerst den Nachrichtensender gewandt und erklärt hätte, sie hätten jemanden, der zu den aktuellen Vorgängen etwas sagen könne. Ein Pentagon-Mitarbeiter meinte, die Äußerung sei zwar "technisch richtig, aber irreführend" gewesen ...

Unentscheidbar bleibt der Zweck der von der US-Regierung ausgehenden Information, man habe in Pakistan einen al-Qaida-Computerexperten gefangen. Über diesen habe man Informationen über sehr konkrete Anschlagspläne in den USA erhalten. In der Vorwahlzeit waren Erfolge und Terrordrohungen strategisch gute Mittel. Allerdings protestierten dann angeblich britische und pakistanische Geheimdienste, weil sie sagten, die Amerikaner hätten einen Doppelagenten entlarvt, der nun unnütz geworden ist. Ob hier nun strategische Kommunikation für politische und militärische Ziele durcheinander gekommen sind oder gar die Kommunikation unterschiedlicher Geheimdienste aufeinander prallte, lässt sich nicht sagen. Weder von den konkreten Terrorplänen noch von dem Computerexperten mit seinen vielen Email-Accounts war später noch die Rede (Dummheit oder schon wieder ein politischer Coup?).

Oder man denke an den Fall Pat Tillman, einem Football-Star, der in Afghanistan getötet wurde. Vom Pentagon wurde er als Held gefeiert, der für Amerika im Krieg gegen den Terrorismus sein Leben geopfert hat. Später stellte sich heraus, dass er versehentlich durch "friendly fire" geötet wurde. Während des Irak-Krieges gab es einige solcher Geschichten, die "schönste", die sehr wohl als Informationsoperation gegenüber der US-Bevölkerung verstanden werden muss, war wohl die Story über Jessica Lynch (Das Hollywood-Heldendrama im Irak). Ab nächstes Jahr wird es auch einen privaten Sender, den Military Channel geben, der aus der "faszinierenden" Welt des Militärs berichtet:

Compelling, real-world stories of heroism, military strategy, technological breakthroughs and turning points in history.

Insgesamt aber scheinen die bislang inszenierten Informationsoperationen wenig erreicht zu haben. Weder wurde der Terrorismus und der Widerstand im Irak wesentlich gedämpft, noch scheint trotz mancher Propagandabemühungen die Politik der US-Regierung im Irak, in der muslimischen Welt, aber auch im übrigen Ausland auf das gewünschte positive Echo zu stoßen. Jüngst attestierte ein Bericht des Defense Science Board ein Versagen der strategischen Kommunikation angesichts der weit verbreiteten und zunehmenden Ablehnung der USA im Nahen Osten. Man müsse, wie es nicht zum ersten Mal heißt, weit mehr in die strategische Kommunikation investieren. diese besser koordinieren und einen Direktor für strategische Kommunikation installieren. Dabei kommt der Bericht durchaus zu sehr selbstkritischen Äußerungen, wie man sie aus der Bush-Regierung selten hört:

Muslims do not 'hate our freedoms', but rather, they hate our policies. The overwhelming majority voice their objections to what they see as one-sided support in favor of Israel and against Palestinian rights, and the long-standing, even increasing support, for what Muslims collectively see as tyrannies, most notably Egypt, Saudi Arabia, Jordan, Pakistan and the Gulf states.

Thus when American public diplomacy talks about bringing democracy to Islamic societies, this is seen as no more than self-serving hypocrisy. Moreover, saying that 'freedom is the future of the Middle East' is seen as patronizing - - in the eyes of Muslims, the American occupation of Afghanistan and Iraq has not led to democracy there, but only more chaos and suffering. US actions appear in contrast to be motivated by ulterior motives, and deliberately controlled in order to best serve American national interests at the expense of truly Muslim self-determination.

Möglicherweise könnte - neben der Politik - auch die bislang gepflegte strategische Kommunikation daran beteiligt sein, aber das sieht man im Pentagon natürlich nicht so, schließlich kämpft man mit hehren Idealen gegen Terroristen, die ihren Medienkrieg mehr mit Bildern und Informationen als mit Bomben und Schüssen führen. Man führt die Informationsschlacht nicht falsch, man muss nur stärker, womöglich mit der auch sonst eingesetzten überwältigenden Kraft kämpfen, scheint die Devise zu sein, um Glaubwürdigkeit und ein besseres Image zu erkämpfen. So zumindest klingt es bei Lawrence di Rita, dem Sprecher des Pentagon:

In the battle of perception management, where the enemy is clearly using the media to help manage perceptions of the general public, our job is not perception management but to counter the enemy's perception management

Natürlich, so versichert di Rita, denke niemand daran, die Grenze zwischen Informationsoperation und öffentlicher Information zu verwischen. Das Pentagon sei weiterhin der Wahrheit verpflichtet. Ein Mitglied der Bush-Regierung erklärte gegenüber der Los Angeles Times:

Information ist auf eine Weise Teil des Schlachtfeldes, wie dies nie vorher der Fall war. Wir wären dumm, wenn wir sie nicht zu unserem Vorteil nutzen würden.

In einer geheim gehaltenen Anordnung vom letzten Jahr mit dem Titel "Information Operations Roadmap" soll es nach Auskunft von Informanten um die Schritte in dem Plan gehen, "Informationsoperationen als zentrale militärische Kompetenz" zu etablieren.