Informationsfreiheitsgesetz kommt

Heute findet endlich die erste Beratung des mit vielen Ausnahmebestimmungen ausgestatteten Gesetzesvorschlags im Bundestag statt

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Manches dauert eben länger. Seit 1998 hat die rot-grüne Regierungskoalition den deutschen Bürgern ein Informationsfreiheitsgesetz versprochen Am 17.12.04 soll nun endlich der Entwurf eines "Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes Informationsfreiheitsgesetz IFG" erstmals im Bundestag beraten werden. Wie alle Gesetze folgt nach der Einbringung im Plenum eine weitere Beratung in den Fachausschüssen und danach die zweite bzw. dritte Lesung. Erst danach steht wirklich fest, wie der genaue Gesetzestext lauten wird.

Das vorgelegte Gesetz, so die Aussage der Koalition, "soll das Verwaltungshandeln des Bundes durch erleichterten Informationszugang transparenter gestalten. Die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger werden gestärkt".

Ob diese Vorgabe wirklich in allen Bereichen umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. In Paragraph 1 des eigentlichen Gesetzestextes heißt es:

(1) Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift steht eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient.

Unter Punkt 2 des § 1 wird die Art der Informationsübermittlung beschrieben:

(2) Die Behörde kann Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf dieser nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand.

Soweit, so vielversprechend. Die Ausnahmebestimmungen sorgen dafür, dass der amtliche Entwurf weit hinter dem zurückbleibt, was Journalistenorganisationen und Transparency International im April als Gesetzesvorschlag Bundestagspräsident Thierse überreicht hatten (Informationsfreiheit, selbst gebacken).

Gleich in § 3 wurden unter der Überschrift Schutz von besonderen öffentlichen Belangen die Grenzen der neuen Informationsfreiheit festgezurrt:

"Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,

1. wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben könnte auf

a) internationale Beziehungen,

b) militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr,

c) Belange der inneren oder äußeren Sicherheit,

d) Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden,

e) Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle,

f) Maßnahmen zum Schutz vor unerlaubtem Außenwirtschaftsverkehr,

g) die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen,

2. wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann,

3. wenn und solange

a) die notwendige Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen oder

b) die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden,

4. wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen,

5. hinsichtlich vorübergehend beigezogener Information einer anderen öffentlichen Stelle, die nicht Bestandteil der eigenen Vorgänge werden soll,

6. wenn das Bekanntwerden der Information geeignet wäre, fiskalische Interessen des Bundes zu beeinträchtigen,

7. bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht,

8. gegenüber den Nachrichtendiensten sowie den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes, die Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes wahrnehmen.

Bleiben diese Ausnahmen so bestehen, dürfte das IFG als Waffe im Kampf gegen Willkür in der Visaerteilung oder Visaverweigerung, der intern als Selbstverständlichkeit betrachteten Vetternwirtschaft im Auswärtigen Amt unwirksam sein. Im Auswärtigen Amt werden beispielsweise seit Generationen die Kinder der dort tätigen Menschen liebevoll als "Amtskinder" bezeichnet und bei Einstellungen ohne allzu große Rücksicht auf Qualifikation bevorzugt. So bilden sich Amtsdynastien.

Auch die schon sprichwörtliche Korruption im Bereich der Rüstungsbeschaffung, etwa in dem von Ermittlern gerne als "Bundesamt für Wehrtechnik und Bestechung" verunglimpften Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung in Koblenz wird sich mit einer so allgemein formulierten Ausnahmebestimmung kaum in den Griff kriegen lassen.

Beispielsweise lassen sich auch bei der Anschaffung von warmen Socken für Soldaten "sonstige sicherheitsempfindliche Belange" formulieren, die gegen eine Akteneinsicht sprechen. Deshalb wurde als Verweigerungsgrund nicht nur "militärische" Belange in den Gesetzentwurf aufgenommen, sondern eben auch "sonstige". Denn "sonstige" sind alle Belange, die keine militärischen sind. Folglich bleibt alles geheim, wo Bundeswehr drauf steht.

So einfach geht das -vorausgesetzt, das Parlament stimmt zu. Auch Recherchen in dem von Inkompetenz und Vetternwirtschaft gekennzeichneten Zoll dürften künftig kaum einfacher werden, solange, wie unter 1d) formuliert "Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden" von der Informationspflicht ausgenommen bleiben (Nebeneinkünfte beim Zoll).

Auch die von Amtspersonen zum "Amtsgeheimnis" erhobenen Schriftstücke bleiben dem mündigen Bürger wohl weiterhin verborgen.

Bleibt die Frage, welche Informationen aus dem Bereich des Außen-, Innen-, Finanz- und Verteidigungsministeriums sowie der Nachrichtendienste künftig überhaupt zugänglich sein werden. Vermutlich nur die Anschrift und vielleicht noch der Name des amtierenden Ministers. In den übrigen Bereiche und Ministerien dürfte dieses Gesetz jedoch die Aktenschränke öffnen.

Damit der Informationszugang nicht nur Reichen möglich wird, sind "die Gebühren auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang nach § 1 wirksam in Anspruch genommen werden kann". Möglicherweise haben die, für den Entwurf verantwortlichen Abgeordneten aus den Erfahrungen etwa in einigen Kommunen in Nordrhein-Westfalen gelernt, wo etwa in Bonn, mit hohen Gebühren das Interesse der Bevölkerung am Aktenstudium eingedämmt werden sollte (Informationsfreiheit in NRW kaum gefragt).

Angesichts der unendlichen Vorgeschichte dieses Gesetzes ist die Tatsache, dass überhaupt ein IFG im Deutschen Bundestag eingebracht wird, sicherlich als Erfolg zahlreicher engagierter Bürger wie Walter Keim und weniger Politiker wie dem Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss (SPD) und Grietje Bettin (Grüne) zu werten. Es bleibt der interessierten Bevölkerung überlassen, die Beratungen des IFG im Bundestag in den kommenden Wochen im Dialog mit den Abgeordneten zu begleiten und nach Inkrafttreten in seiner fünfjährigen Erprobungsphase als Instrument der demokratischen Kontrolle und Willensbildung einzusetzen und ggf. dessen Erweiterung auf die im Entwurf formulierten "Sperrzonen" einzufordern.

Denn das nun vorliegende IFG ist ein Gesetz auf Zeit, der Bundestag wird die Erfahrungen und Auswirkungen des IFG auswerten. In der Erläuterung zum Gesetzestext heißt es dazu:

Innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erstattet der Bundesbeauftragte für Informationsfreiheit seinen ersten Bericht, im dritten Jahr unterrichtet die Bundesregierung den Deutschen Bundestag über ihre Erfahrungen mit dem Gesetz. Bis zum Ende des darauf folgenden Jahres wird der Deutsche Bundestag auf wissenschaftlicher Grundlage das Gesetz evaluieren, um auch angesichts der Befristung das weitere gesetzgeberische Vorgehen vorzubereiten.

Ein Informationsfreiheitsgesetz zur Probe also.