Brandenburg im Tropenfieber

Start mit Schönheitsfehlern für das Tropical Island Resort in der märkischen Heide, in das der malaysische Investor Colin Au die Massen mit Superlativen locken will

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Die Erwartungen liegen hoch: Seit Tagen ist in den Medien viel zu lesen, zu hören und zu sehen über das "ehrgeizigste Freizeitprojekt Europas" in der größten freitragenden Halle der Welt mit Europas größten Indoor-Schwimmbecken. Die Südsee und der Regenwald sollen gleichzeitig in der ehemaligen CargoLifter-Hülle im brandenburgischen Brand simuliert werden. Ein Ausflug in die künstlichen Tropen mitten im klimatisch kühler gelagerten Mitteleuropa wird nur eine Stunde von Berlin entfernt für Urlaubsstimmung sorgen - hoffen der asiatische Geldgeber und die brandenburgische Landesregierung. Doch das "VIP-Opening" auf der Baustelle warf viele Fragezeichen auf.

Alle Fotos: Stefan Krempl. Weitere Fotografien von der Eröffnung des Tropical Island Resort gibt es hier

Nicht nur afrikanische Gäste hatten bei der feierlichen Eröffnung des Tropical Islands Resort am Samstagnachmittag ihre dicken Winterjacken in der neuen Möchtegern-Südsee gleich angelassen. Auch ein Brandenburger Pärchen probierte die Liegestühle an der "Bali-Lagune" nur mit Wollpulli bekleidet aus: "Zu frisch hier", fröstelten die Geladenen die ersten Stunden etwas vor sich hin, bis die riesigen Kondensatlüftungsanlagen es zum Abend hin doch noch schafften, die 5,5 Millionen Kubikmeter Luft in der 360 Meter langen, 210 Meter breiten und 107 Meter hohen Halle stärker zu erwärmen.

Von den versprochenen 25 Grad Dauertemperatur, die nur in der Nacht leicht auf 23 Grad abfallen soll, spürten die rund 1.500 offiziellen Erstbesucher des neuen "Tropenparadieses" wenig. Überhaupt kamen sie sich eher wie auf einem Richtfest vor als wie auf einer Gala-Einweihung eines 70 Millionen Euro schweren Megaprojekts. Das Eiland ähnelt nach nur acht Monaten Zeit für die Ausgestaltung des Inneren in weiten Bereichen noch einer überaus staubigen Baustelle: Nicht nur die für die Grundstimmung wichtige Klimaanlage läuft noch nicht rund. Generell sind die Außenbereiche der Halle, in denen einmal ein "Paradies-Strand" mit Beach-Volleyballfeldern sowie ein malaysischer Festplatz alias "Event-Center" angesiedelt werden sollen, noch gänzlich eine Betonwüste, die allein durch Bauhütten etwas bunter wird.

Auch mit der Lichtatmosphäre haut es noch nicht hin. Tagsüber verhindert die lichtundurchlässige Membran der CargoLifter-Halle (Innovatives Mammutprojekt oder Luftschloß?), dass die -- im Winter in Brandenburg allerdings seltenen -- Sonnenstrahlen auf die Besucher und die Pflanzen treffen. Carl von Gablenz, der Gründer des 2002 pleite gegangenen Unternehmens, das für das glänzende "Ufo" verantwortlich zeichnet, wollte dort schließlich gigantische Zeppeline bauen und nicht einen Bräunungs- und Badetempel für Unzufriedene mit dem mitteleuropäischen Klima errichten. Die Membran wird gerade zwar Stück für Stück durch eine transparente Teflonfolie ersetzt. Doch just die mit dem Resort bekämpften Außentemperaturen verzögern den Umbau gewaltig, sodass bis zum Frühjahr wohl Kunstlicht vorherrschen wird. Und auch an dem gilt es zu feilen: Noch entfalten die großen Flutlichtanlagen über dem Tropenwald und der Lagune eher den eisigen Charme eines Fußballstadions bei einem Spiel im Winter.

Regenwald in der Trockenzeit

Überhaupt: das "Abenteuer Regenwald" ist zumindest im halbfertigen Zustand eine ziemliche Enttäuschung. Der künstliche Berg im Zentrum der imposanten Örtlichkeit, in dessen Inneren sich die Hightech-Anlage für Lüftung, Wasseraufbereitung und Abwasserklärung nebst den Umkleidekabinen für die Badewilligen befinden, soll laut dem Werbeprospekt mit über 10.000 Pflanzen von 500 verschiedenen Arten "für üppiges Grün" sorgen. Angeblich sind einzelne Bäume auf der Erhebung bis zu 14 Meter hoch. Bewässert wird die Flora nur unterirdisch, denn regnen darf es auf dem Tropical Island natürlich nicht. "Regenwald in der Trockenzeit", lautet das Motto.

Doch bislang hat das Pflanzengelände Ähnlichkeiten mit dem immer kränker werdenden deutschen Wald, denn nicht nur Bambus, sondern auch Bäume ragen kahl und dürr dem immer noch sehr weit weg erscheinenden Hallenhimmel entgegen. Ein paar Orchideen setzen zwar zumindest bereits bunte Akzente. Aber wer tatsächlich eine "Dschungel-Rallye" unternehmen will, muss wohl doch in den Flieger steigen.

Tropendorf entpuppt sich als Fresstempel

Auch das "tropische Dorf", in dem die Macher nach eigenen Angaben viel Wert auf Authentizität gelegt haben, ist nicht etwa mit einem Freikundemuseum zu verwechseln. Dass sich hier Borneo-Langhaus, Amazonas-Hütte und Kenia-Lehmhütten wild und doch verloren wirkend aneinanderreihen, mag für ein postmodernes Freizeitcenter in Ordnung gehen. Wer die Treppen im Thai-Haus hinaufsteigt oder den Bali-Pavillon - der irgendwie Anklänge an den Chinesischen Turm im Münchner Englischen Garten entwickelt - näher inspiziert, kann wenigstens auf fein gearbeitete Schnitzereien oder wundervoll kitschige Altärchen stoßen.

Doch letztlich öffnet das 13,80 Meter hohe Bali-Tor, das den Eingang zum Tropendorf bildet, nicht etwa den Weg zum Götterberg, sondern zum Multikulti-Fresstempel. Denn biegt man um die Ecke, landet man unweigerlich schlicht in einem Schnellrestaurant mit typisch amerikanischen Einschlägen. Dort gibt es zumindest Asia-Food, aber auch den "Insalata Garda Tropicana" für 2,50 Euro sowie die Pizza "Paradiso Italiano". Überhaupt wird der Konsum groß geschrieben im Tropical Islands: "Alles, was Sie bei Tropical Islands sehen, können Sie auch kaufen", heißt es im "Tour Guide" vielleicht etwas voreilig. "Wir nennen Ihnen gern einen Preis".

5,5 Millionen Wasser für die Südsee

Bleiben also die Wasser- und Strandanlagen. Hier locken die Bali-Lagune und die "Südsee". Letztere bedeckt allein 4.000 Quadratmeter mit 5,5 Millionen Litern Lausitzer Wasser. Die Planschbeckenfläche entspricht der Größe von vier Olympiaschwimmbecken. Drum herum schmiegt sich im Innengelände ein etwas kahl wirkender Strand mit Sand aus Sachsen-Anhalt und Liegestühlen vor einer weiten Restaurant-Terrasse. Im Hintergrund zur Außenhülle hin sorgt eine Großleinwand für Stimmung mit blauem Wölkchenhimmel tagsüber und einem orangerotem Sonnenuntergang zum Abend hin. Wer mag, kann sich ein Iglu-Zelt mieten und am Strand übernachten.

Die "Südsee" bildet auch die Kulisse für das Spektakel "Viva Brasil" an jedem Abend, für das die Bezeichnung "Musical" allerdings sehr hoch gegriffen scheint: das Passionsspiel mit Szenen aus der Frühzeit Südamerikas mit Eroberern und Sklaven dürfte so manches Kleinstadt-Theater ähnlich hinbekommen.

Die balinesische Lagune auf der anderen Seite in der Nähe des Eingangsbereichs wird von einem Wasserfall, einer Grotte, diversen Springbrunnen, zwei Whirlpools sowie zwei Rutschen durch das Innere des Tropenbergs mit Disco-Beleuchtung bereichert. Sie ist wohl mit die gelungenste Einrichtung auf dem Tropen-Eiland, hübsch dekoriert mit Affenfiguren und mystischen Masken im Bergdurchstoß. Der Blick hinauf in die Weiten der Stahlkonstruktion hat beim Träumen im badewannenwarmen Wasser durchaus etwas.

Colin Au

Liegestühle statt Spielautomaten

Ob die Bade- und Strandvergnügungen ausreichen, um täglich bis zu 8.000 Besucher in die Lausitzer Einöde etwa 60 Kilometer außerhalb von Berlin zu locken? Bei der Eröffnung herrschte naturgemäß Optimismus vor. Während im Hintergrund die Handwerker noch hämmerten, verglich Colin Au sein vom Tanjong-Konzern mit unterstütztes Machwerk mit Urlaubsorten wie Bali, den Fidschi-Inseln, seiner Heimat Malaysia sowie den großen Vergnügungshotels in Las Vegas. "Unsere Spielautomaten sind die Liegestühle", erklärte er vor dem blauweißen Himmel der "Südsee".

Neben der "Hardware" des Resorts mit seinen "idyllischen Eigenschaften" schwärmte der kleinwüchsige 55-Jährige auch von der "Software" der Anlage, die in der Freundlichkeit und dem Service der - natürlich weitgehend deutschen - Angestellten läge: "Wir haben unseren Mitarbeitern beigebracht zu lächeln", betonte der Touristik-Manager. Noch die nächsten drei Wochen will Au selbst mit Hand anlegen, um das künftige Flagschiff einer ganzen Reihe weiterer künstlicher Tropen-Inseln flott zu bekommen.

Auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck zeigte sich trotz der schlechten Erfahrungen mit Großprojekten im märkischen Sand zuversichtlich. Mit der Halle "waren schon vorher große Hoffnungen verbunden", die sich aber leider "leichter als Luft" erwiesen hätten, vergaß er nicht zu erwähnen. Für die Idee "Winter in Wärme" konnte er sich aber erwärmen - zumal während der Eröffnung ein kleiner Schneesturm über Brandenburg hinweg zog: Die Freizeitanlage soll dem SPD-Politiker zum "Highlight" der touristischen Attraktionen Brandenburgs werden. Und nein, das werde natürlich kein "Paradies für Arbeitslose", wie ihn ein Sender schon gefragt habe. Um dem Projekt eine Zukunft zu geben, hat der Insolvenzverwalter der Cargolifter AG, Rolf-Dieter Mönninger, die Halle mitsamt des sie umgebenden Areals eines ehemaligen Militärflughafens mit dem Plazet der Regierung für 17,5 Millionen Euro an Au und Tanjong verkauft.

(K)ein Paradies für Arbeitslose

Das Touri-Projekt ist in der brandenburgischen SPD allerdings nicht unumstritten. So warnt die Landtagsabgeordnete Esther Schröder davor, unverhältnismäßige staatliche Mittel in die "überdimensionierte" Anlage zu stecken. Die ausländischen Investoren haben 13 Millionen Euro Förderung für das Projekt beantragt, die bisher allerdings noch nicht bewilligt sind. Doch schon jetzt fließen laut Schröder "weitere Millionen" in die Erschließung und Umfeldentwicklung des Freizeitparks. Dazu gehörten allein knapp 2,2 Millionen Euro für den Brückenbau am Bahnhof Brand, an dem sich Bund, Land und Deutsche Bahn zu je einem Drittel beteiligen wollen.

Auch Umweltschützer schauen stirnrunzelnd auf den Energieschlucker und Wärmestrahler unweit des Feuchtbiotops Spreewald. Das Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) etwa hält Tropical Islands "angesichts unserer Energie- und Klimasituation für absolut unvertretbar". Das Management der Anlage hat zwar ein Energiegutachten erstellt, verweigert die Vorlage allerdings laut der "taz" selbst einem Expertengremium der Landesregierung. Die jährlichen Betriebskosten betragen 30 Millionen Euro.

Dass die rund um die Uhr geöffnete Anlage 2,4 Millionen Besucher jährlich in ihren Bann zieht, worauf Au seine Berechnungen angelegt hat, glauben auch die wenigsten Beobachter. Mit werktags 15 Euro pro Person für vier Stunden Aufenthaltszeit ist der Eintrittspreis jedenfalls nicht ganz billig. Dafür gibt es zumindest WLAN für das Surfen am Strand kostenlos. Abgerechnet wird übrigens ganz zum Schluss: Die Tropianer sollen das Paradies zunächst unbeschwert von Geldsorgen genießen können. Ihnen wird ein Guthaben von 50 Euro für die Zusatzvergnügungen auf einer Chipkarte beziehungsweise einem mit einem Funkchip bestückten Armband, das gleichzeitig die Schließfächer in den Umkleidekabinen öffnet, zur Verfügung gestellt.