Löschaktion vor der Akteneinsicht

Kurz bevor das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft tritt, sollen die Angestellten des Büros des britischen Kabinetts Millionen Emails löschen

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Deutschland erhält wahrscheinlich demnächst endlich ein Informationsfreiheitsgesetz - mit einigen beachtlichen Einschränkungen für manche Ministerien, die sich gar nicht in die Karten schauen lassen wollen (Informationsfreiheitsgesetz kommt). Großbritannien ist auch langsam gewesen, aber ab dem neuen Jahr können Bürger dort Akteineinsicht nehmen - sofern die Dokumente noch da sind.

Das Büro des britischen Kabinetts, das direkt Tony Blair untersteht, hat seinen 2.000 Angestellten aufgetragen, ab dem 20.12. alle Emails zu löschen, die älter als drei Monate sind. Dabei soll es sich um einige Millionen Emails handeln. Zwar sollen "wichtige" Emails aufbewahrt werden, es gäbe aber keine Anweisungen dafür, was nicht gelöscht werden darf. Sollten Gesuche nach dem Informationsfreiheitsgesetz kommen, müssen die Angestellten Emails ausdrucken und verschicken.

Allerdings gibt es offenbar weiterhin Kopien der gelöschten Emails auf Back-up-Systemen. Aber die dort gespeicherten Dateien befinden sich nicht mehr unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes. Es sei zu teuer, sie dort zu suchen, ist die Erklärung.

Bei der Löschaktion gehe es nicht um das Informationsfreiheitsgesetz, sagte eine Sprecherin. Man wolle auch keine wichtigen Dokumente vernichten. Es würde nur darum gehen, Steuergelder zu sparen: "Für die Aufbewahrung veralteter Aufzeichnungen zu bezahlen, die keinen Verwendungszweck mehr haben, wäre eine Verschwendung von Steuergeldern."

Michael Howard, der Parteichef der Konservativen, wittert freilich, dass die Regierung mit der Email-Löschung etwas verbergen wolle. Oder sie käme mit dem Gesetz, das sie vor vier Jahren verabschiedet hat, selbst nicht zurecht, obgleich sie ebenso viele Jahre Zeit hatte, sich darauf vorzubereiten. Die Öffentlichkeit erwarte, so Howard in einem Brief an Tony Blair, "eine einfache und klare Erklärung darüber, was hier vor sich geht". Auch Alan Beith von den Liberalen ist skeptisch. Das Informationsfreiheitsgesetz sollte doch eigentlich zu einer Kultur der Öffentlichkeit führen, die Löschaktion gleiche jedoch einem Versuch, sich vor der Akteneinsicht zu drücken.

Die britische Regierung hat für den Freedom of Information Act 2000 eine eigene Webseite eingerichtet. Bis zuletzt ging der Streit auch um die Gebühren. Anfang Dezember wurde festgelegt, dass die Behörden einem Gesuch nicht folgen müssen, wenn für Suche, Reproduktion und Verschicken 600 Pfund an Gebühren erhoben werden müssten. Für die meisten Anfragen, die innerhalb von 20 Tagen beantwortet werden müssen, würde jedoch für die aufgewendete Arbeitszeit keine Gebühren erhoben, nur für Druck, Kopie und Porto. Ausnahmeregelungen gibt es für zahlreiche Behörden wie Geheimdienste, den Sicherheitsdienst, Spezialeinheiten oder manche Gerichte. Und natürlich ist alles ausgenommen, was die nationale Sicherheit, internationale Beziehungen oder die Verteidigung beeinträchtigen könnte.

Das Büro des Kabinetts weist jeden Verdacht zurück, das Informationsfreiheitsgesetz - verabschiedet vor dem 11.9. - behindern zu wollen. Es sei ganz üblich, Dateien zu löschen, die das System blockieren. Zudem sei es gerade Ende des Jahres und die Computer seien überlastet. Auch das Department for Constitutional Affairs, das mit der Einführung des Gesetzes beauftragt ist, erklärt, dass keine Regierungsbehörden angewiesen wurden, Dokumente zu vernichten, um ihre Freigabe zu verhindern. Man vernichte regelmäßig bei Behörden Dokumente, die nicht mehr gebraucht werden, um keine Steuergelder zu verschwenden.