"Premiere" digital auf Festplatte aufzeichnen

Satellitenempfänger Humax Digital PVR 9700: Das einst Unvorstellbare nun ganz legal

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das deutsches Abo-Fernsehen "Premiere" war bisher eher mit altbackener Technik gesegnet: Während beim Free-TV längst Festplatten-Satellitenreceiver angesagt sind, gab es fürs Pay-TV nur vom Programmanbieter ungern gesehene Bastellösungen oder den Standard-Receiver "D-Box" mit Minimalfunktion. Der erste für Premiere zugelassene Satellitenreceiver mit Festplatte liegt nun allerdings auf Anhieb weit vor dem, was in anderen Ländern geboten wird.

Leo Kirchs Pay-TV "Premiere", ursprünglich aus dem Spielfilmkanal "Teleclub" hervorgegangen, war einst absolut "bäh": Ein Kanal, in dem zu überhöhtem Preis vielleicht ein interessanter Film die Woche lief und ein Besitzer, der als der böse Medienmonopolist überhaupt galt, vor dem selbst gestandene Medienjournalisten Angst hatten und der kritische Journalisten auch mal auf eine "schwarze Liste" setzen ließ. Diese Kollegen wurden dann nicht mehr zu Kirch-Pressekonferenzen eingeladen. Doch die anderen auch nicht, denn solche Konferenzen gab es ohnehin nur selten – Leo Kirch zog es vor, nicht zu sehr im Licht der Öffentlichkeit zu stehen.

Premiere-zugelassener Festplatten-Sat-Empfänger Humax Digital PVR 9700

Interessant wurde es eigentlich erst, als sich das analoge Premiere-Programm plötzlich mit einer gewöhnlichen Grafikkarte und etwas Software auch ohne Abo entschlüsseln ließ. Jetzt konnte man es dem bösen Imperium mal heimzahlen und ganz ohne zu zahlen mit dem Computer den bösen Bezahlsender schwarz in schwarzweiß sehen. Für Farbe reichte der Hack nämlich nicht.

Premiere – Sargnagel des Kirchkonzerns

Heute ist längst klar, dass der böse Leo gar kein so großer Monopolist war, wie man dachte und sich vor lauter Bestreben, doch noch einer zu werden, verausgabt hatte: Alles war unter seiner Kontrolle, alles hatte er sich ans Bein gebunden: Er schaffte Film- und Sportverträge zu teuer heran, kaufte ebenfalls teuer proprietäre Digitalreceiver von Nokia und anderen Herstellern in Millionenstückzahlen und hatte diese dann jahrelang nutzlos auf Halde stehen. Dementsprechend war "Premiere" immer ein Minusgeschäft und der wirkliche Medienmonopolist Murdoch verzichtete deshalb auch prompt darauf, sich weiter an Kirchs defizitären Lieblingsprojekt zu beteiligen. Auch die Hacks waren mit der Digitaltechnik zwar schwieriger, aber nicht unmöglich geworden und es war für die Hacker geradezu eine Frage der Ehre, in Boards mit Titeln wie "Leo’s watching you" ihre Erfahrungen mit den Lücken der Premiere-Verschlüsselungstechnik auszutauschen. Und auch der damalige Chef der ARD sah in Leo Kirch die Wurzel alles Bösen und den Honecker der Lüfte (Politik und Fernsehen: DDR im Himmel und GEZ fürs Internet).

Doch dann ging für die meisten völlig unerwartet Leo Kirch das Geld aus (Leo Kirch - werden wir ihm bald nachtrauern?) und selbst gut gemeinte Spendensammlungen (Eine Mark für Leo, denn Leo kann nicht zahlen...) konnten den Kirch-Konzern nicht mehr retten, weil die Banken nicht mitspielten und ihn lieber geschlachtet sahen. Die Filetstücke wie Pro 7 fanden neue Besitzer, nur das glücklose Premiere wollte niemand haben: In Deutschland hatte man nach GEZ und Kabelgebühr nun einmal nicht auch noch Geld für Pay-TV – von Fußballverrückten einmal abgesehen, für die Premiere immer noch billiger kam als der Gang ins Stadion. Filme gab es dagegen plötzlich günstiger auf DVD. Sollte man Pay-TV in Deutschland als gescheitert betrachten und Premiere zumachen?

Als ohnehin nichts mehr zu verlieren war, wurde doch noch mal versucht, aus der Konkursmasse des Kirch-Konzerns etwas zu machen. Die Methode war einfach, aber wirkungsvoll: Den Schnupperkanal "Premiere Start" gibt es nun mit etwa den Leistungen des alten Analog-Premiere, aber billiger für fünf Euro im Monat für ein Jahr zur Probe. Dazu kann man einzelne Kanäle wie Discovery oder das werbefreie Spartenradio Music Choice für wenige Euro zukaufen. Wer mehr investieren will, kann Sport-, Film- oder Pluspaket (Dokus und Kindersendungen) sowie ein spezielles Kinderprogrammpaket wählen; im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen muss man die Bundesliga bei Premiere als Sportmuffel also nicht mehr mit finanzieren oder umgekehrt als Sportgucker die Filmkanäle mit zahlen. Die einst verhasste D-Box, die noch nicht einmal Videotext konnte, gab es ebenfalls in etlichen Aktionen zum Sonderpreis dazu. Inzwischen bieten auch genügend andere Hersteller Premiere-zugelassene Geräte an.

Mit billigeren Abos in die Gewinnzone

Das Manöver klappte: Heute hat Premiere über drei Millionen zahlende Kunden und macht erstmals in seiner Geschichte Gewinn, auch wenn es die meisten nur von Pannen wie nächtlichen Container-Entgleisungen oder der Pannensammlung "Zapping" kennen. Der Böse, der Journalisten nicht etwa von eigenen Pressekonferenzen fernhält, sondern per einstweiliger Verfügung vielmehr die Einladungen und Presseinformationen anderer für sich abgreifen will, steht inzwischen schließlich auf der anderen Seite. Grund genug für Telepolis, die einstigen Ängste vorm bösen schwarzen Mann abzulegen und sich des Themas "Pay TV" einmal unvoreingenommen in einem Test anzunehmen – mit einer von Premiere geliehenen Smartcard und dem nagelneuen Receiver Humax Digital PVR 9700.

Statt Rätselraten vor Stapeln unbeschrifteter Videokassetten: Filmarchiv im Sat-Receiver

Wer mehr als nur "Premiere Start" hat, stellt schnell fest, dass auf Premiere Filme durchaus mehr als einmal gesendet werden, doch natürlich nur ein- oder zweimal zur Haupt-Fernsehzeit um 20.15. Und da finden sich dank Murphy garantiert zwei interessante Filme zur gleichen Zeit, von denen man nur einen sehen kann. Läuft der andere Streifen dann in der Wiederholung um 10 Uhr früh, so ist Aufnehmen angesagt, doch ohne den bei Premiere oft obligatorischen Jugendschutzcode, der die Ausstrahlung des "Terminators" zur Kinderfunkzeit überhaupt erst erlaubt, ist nachher nichts auf dem Band. Das bringt Frust.

Mittlerweile sind Satellitenempfänger mit integrierter Festplatte (PVR – Personal Video Recorder) sehr beliebt, die sozusagen als Receiver mit eingebautem Videorekorder Programme ohne Qualitätsverluste zwischenspeichern können. Gerade für das Abo-TV Premiere wünscht man sich den Komfort, der bei der im Film-Bereich direkten Konkurrenz DVD per se Standard ist: "Timeshift" – bei Telefonanrufen den Film anhalten und bei Sportsendungen das Tor noch mal sehen zu können. Das amerikanische TiVo-System hat es vorgemacht.

Neu: Fernsehprogramm mit Pausetaste

Sat-Receiver auch mit Festplatte haben zwar meist Einschübe für Pay-TV-Smartcards, doch sind diese für die Premiere-Smartcards nicht direkt verwendbar. Es gibt Adapter, die eine Premiere-Abokarte in diesen Geräten verwendbar machen, doch kosten diese Adapter alleine oft genauso viel wie ein ganzer Sat-Receiver und das ganze System ist von Premiere nicht frei gegeben, was bedeutet, dass Funktionen wie Multi-Kamerawahl oder Programme auf Abruf nicht funktionieren. Da dabei teilweise auch der Jugendschutz ausgehebelt wird, was Premiere die Lizenz kosten könnte, ist der Sender auf solche Lösungen auch nicht gut zu sprechen und unterstützt sie nicht. Ähnlich ist die Situation bei mit Linux bespielten D-Boxen.

Daraus ist die Ansicht entstanden, Premiere wolle solche Geräte mit eingebauter Festplatte nicht. Doch dem ist nicht so – PVRs und Pay-TV sind schließlich auch im Ausland eine beliebte Kombination. Sky Digital in England bietet schon lange einen Empfänger mit Festplatte an. Dort funktioniert der PVR allerdings nur mit einem erweiterten, teureren Abonnement ("Sky Digital plus"); wer nur den bereits ziemlich teuren Standard-Tarif an Murdoch löhnt, kann die Aufzeichnungsmöglichkeit nicht verwenden. Premiere wollte den PVR ebenfalls, doch waren die Verhandlungen mit den Rechteinhabern – den Filmstudios – nicht einfach. Das Ergebnis ist nun allerdings weit besser geraten als das englische Pendant: Bei Premiere muss am Abonnement nichts geändert werden, wenn man einen PVR verwenden will.

Die einzige sichtbare Einschränkung gegenüber nicht von Premiere zugelassenen Empfängern: Die Vor- und Rückspulgeschwindigkeit ist maximal zehnfach – vergleichbar mit einem VHS-Videorekorder – und man kann auch nicht einfach fünf Minuten vorspringen wie bei anderen Geräten mit Festplatte. Werbeblöcke ruckzuck überspringen ist so leider nicht drin, außer durch manuelle Eingabe der Minuten. Eigentlich unlogisch, denn Werbeblöcke im Film, die man überspringen muss, gibt es im Pay-TV ja gar nicht. Doch bestanden die Filmstudios auf dieser lästigen Einschränkung.

Vorspulen nur in Videorekorder-Geschwindigkeit

Dafür bietet der PVR 9700, was die "Bastellösungen" nicht können: Auch mit nur einer Chipkarte kann nun wie vom terrestrischen Analog- oder Kabel-TV mit Videorekorder gewohnt ein Programm live gesehen und eins aufgenommen werden. Übrigens auch an einer Satellitenschüssel mit nur einem Ausgang, da das Gerät mit zwei Tunern ausgestattet ist und außerdem alle Premiere-Sender sowie auch die meisten öffentlich-rechtlichen und privaten Sender bei der digitalen Ausstrahlung dieselbe Polarisation und denselben Frequenzbereich verwenden – nur einige Stationen wie Sat 1, Kabel 1, CNN und Pro 7 blieben hier außen vor.

Zum Ansehen der Aufzeichnung ist übrigens keine Smartcard mehr nötig, außer der Film hatte eine Jugendschutzkennung: Diese wird nun nämlich nicht bei der Aufzeichnung, sondern bei der Wiedergabe abgefragt. Pannen bei der Aufnahme sind so ausgeschlossen und der Jugendschutz ist sogar effektiver, da die Aufzeichnungen geschützt bleiben. Einzelne Aufzeichnungen können außerdem zusätzlich manuell gegen Ansehen oder Löschen mit einem Code gesichert werden. Außerdem kann der Jugendschutz zumindest etwas entschärft werden: Während eine D-Box auch bei Filmen ab 12 stets nach der PIN schreit, kann man hier je nachdem, ob Kinder im Haushalt sind oder nicht, alles zwischen 7 und 16 Jahren einstellen. Erst bei Filmen "ab 16" oder darüber führt kein Weg an der PIN-Eingabe vorbei, die KJM will es so.

Acht Gigabyte sind fest für die Timeshift-Funktion reserviert

Das Gerät selbst verhält sich mit einem allerdings schnellen Bootvorgang sowie hörbaren, aber akzeptabel leisen Festplatten- und Lüftergeräuschen – die ziemlich helle, nicht dimmbare Anzeige ist lästiger – deutlich wie ein Computer. Die Laufgeräusche haben allerdings ihren guten Grund: Jedes empfangene Programm wird nämlich automatisch – auch ohne explizites Auslösen der Timeshift-Funktion – kontinuierlich mitgeschnitten. Ein Tor kann also sofort – auch in Zeitlupe – wiederholt werden, ebenso eine "Garderoben-Fehlfunktion" oder eine nicht verstandene Ansage. 90 Minuten bis zwei Stunden "Vergangenheit" werden garantiert, solange man nicht den Kanal wechselt, 8 GB der Festplatte sind hierfür reserviert. Damit kann man das Programm auch anhalten, wenn das Telefon geht und sogar wer beim Fernsehen einnickt, was bei bestimmten Programmen ja nicht ungewöhnlich ist, kann nachsehen, was er gerade verpennt hat, wenn ihn der dröhnende Werbeblock wieder weckt. Wer allerdings erst beim Zappen auf einen bereits laufenden, interessanten Beitrag stößt, kann diesen natürlich nicht zurückspulen.

"Überziehen" ist kein Problem

Der EPG (Electronic Program Guide) funktioniert auch auf den RTL-Programmen (auch RTL 2 und VOX), bei denen auf Kathrein-Geräten beispielsweise kein EPG angezeigt wird – allerdings klappt hier die Aufzeichnung per EPG nicht. Er kann zudem auch ohne das im Digitalfernsehen unbekannte VPS Programmverschiebungen abfangen: Überzieht Thomas Gottschalk oder dauert ein Fußballspiel länger als geplant, so landet trotzdem exakt die gewünschte Sendung auf der Festplatte und nicht irgendetwas anderes. Viele andere Digitalempfänger können dagegen nur die ursprünglich geplante Sendezeit aufzeichnen. Paradox war allerdings, dass ein zum Satellitenradio hören verwendetes Kathrein-Gerät auch auf einige Codes der Humax-Fernbedienung ansprach und dann unerwartet den Kanal wechselte oder die Wiedergabe unterbrach.

Ungewohnt ist, dass bei Premiere die Aufzeichnung bereits bis zu 15 Minuten vor Beginn des Films gestartet wird. Der Grund: Premiere schaltet auf den Code der folgenden Sendung um, sobald der laufende Beitrag abgelaufen ist, auch wenn noch Werbung oder Programmhinweise folgen. In der Aufzeichnung sitzen diese dann leider vor dem Film und müssen mit der begrenzten Geschwindigkeit überspult oder weggeschnitten werden. Und es konnte im Test auch nicht mehr per EPG programmiert werden, wenn die Sendung in weniger als 15 Minuten beginnt, was aber noch mit einem Softwareupdate beseitigt werden soll – ebenso wie das im Test noch ausgesprochen dämliche Verhalten des Geräts, bei einem versehentlichen Betätigen des Ausschalters während einer programmierten Aufzeichnung sich mit einem kurzen, doch in dieser Form ziemlich nutzlosen Hinweis, dass man soeben seine Aufzeichnung gekillt habe, zu verabschieden.

Überflüssige Teile der Aufzeichnung – sprich: Werbung – lassen sich mit einem eingebauten Editor herausschneiden

Dafür können mehrsprachige Filme, Dolby Digital und sogar Videotext mit aufgezeichnet werden. Die 80-GB-Platte ist so allerdings unter Umständen doch relativ schnell mit 20 bis 30 Filmen voll. Eine größere Festplatte wird es zunächst einmal nicht geben, wie Sang-Won Byun von Humax Digital Telepolis verriet, und ein eigener Austausch führt zum Verlust der Herstellergarantie. Im Laufe des Jahres 2005 soll es zwar ein weiteres Modell mit größerer Festplatte geben, doch wird diese auch nur 80 GB zur freien Verfügung für Aufnahmen des Benutzers bieten, während der Rest von Premiere automatisch mit 30 bis 35 Spielfilmen für "Video on demand" gefüllt wird, die dann ohne Rücksicht auf Programmpläne jederzeit abrufbar sein sollen. Der Nachteil des Pay-TV gegenüber der DVD-Videothek soll so zum Vorteil umgedreht werden, wenn jemand spontan mitten in der Nacht einen Film sehen will. Eine Aufzeichnung von "Premiere direkt", dem heute schon möglichen Abruf von ganz aktuellen Filmen zu bestimmten Programmzeiten, ist dagegen nicht möglich, wohl aber die Time-Shift-Funktion, also das Stoppen des Films für maximal 90 Minuten, damit sich der mittlerweile an Werbeunterbrechungen oder die Pause-Taste am DVD-Player gewohnte Fernsehgucker nicht nach dem dritten Bier in die Hose machen muss.

PVR 9700 ohne Premiere-Abo: eher nicht sinnvoll

Insgesamt ist der PVR 9700 für jeden interessant, der sich tatsächlich Premiere zulegen will oder schon Abonnent ist; der Preis variiert von 500 Euro für das Gerät allein bis zu 250 Euro für das Gerät in Verbindung mit einem Premiere-Komplett-Abo. Wer allerdings kein Interesse an Premiere hat, sollte trotz des auch ohne Vertrag durchaus konkurrenzfähigen Preises lieber zu einem anderen Gerät ohne die Einschränkungen der langsamen Spulerei greifen, zumal der PVR 9700 ohne eingesetzte Premiere-Smartcard zwar die normalen Fernsehsender weiterhin empfängt, doch mitunter nicht so reagiert, wie man erwartet: So ging das Zurechttrimmen der Aufzeichnungen von frei empfangbaren Sendern, beispielsweise um die Werbeblöcke herauszuschneiden, im Test ohne eingesetzte Premiere-Chipkarte nicht mehr.