Sich selbst verstärkende Seifenblasen

Platzen des Nasdaq-Bubbles im Jahr 2000, Nasdaq 100. Quelle: Bigcharts

Kollabiert der US-Immobilienmarkt? Die "Government-sponsored Enterprises" sind die eigentlichen Motoren des Kredit-Booms auf dem Hypotheken-Markt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Heute repräsentieren die stark gestiegenen Hauspreise die gleiche Entwicklung wie der Anstieg der Technologieaktien im Jahr 1999. Jeder glaubt, über Nacht mit Immobilien reich zu werden, ebenso wie mit Aktien während der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Das Problem ist allerdings, dass eine Vielzahl der Immobilien in den USA unter ökonomischen Gesichtspunkten von den Haushalten gar nicht hätten gekauft werden dürfen, da das Preisniveau durch die tiefen Zinsen künstlich nach oben katapultiert wurde. Der wahre Marktwert wird sich erst dann einstellen, wenn die Zinsen nachhaltig zu steigen beginnen.

Ein Zinsanstieg stoppt den Preisanstieg und führt zu einer Verlangsamung der Inanspruchnahme von Hypotheken. Davon hauptsächlich betroffen sind in den USA die Hypotheken-Giganten Freddy Mac und Fannie Mae. Die Notenbankpolitik des leichten Geldes hat mittlerweile das Risikopotential für die US-Ökonomie in bisher nicht gekannte Höhen geschraubt. Doch wird ein Platzen der Hypotheken-Blase nicht alle Bereiche der amerikanischen Wirtschaft gleich treffen. Vor allem gibt es starke regionale Unterschiede. So sind die Preise für Immobilien vor allem im Nordosten sowie an der Westküste geradezu explodiert. In diesen Regionen werden die Hauspreise für den Durchschnittshaushalt immer weniger erschwinglich. In Großraum New York sind gemäß dem Office of Federal Housing Enterprise die Durchschnittspreise für Häuser gegenüber 1999 um 78 % gestiegen, in Miami um 87 %, in Los Angelos um 97 % und in San Diego um 115 %.

Wenn die Nachfrage ausbleibt, werden die Preise zwangsläufig fallen, jedoch mit der Problemstellung, dass die steigenden Zinsen immer mehr Hausbesitzer, vor allem solche, die 90 % ihres Hauskaufes kreditfinanziert haben, in den Ruin treiben werden. Dann verstärkt sich der Abwärtstrend quasi von selbst, da zu viele Kredite ihren Weg in die Hände von zu vielen, meist wenig kreditwürdigen Schuldnern gefunden haben. Betrug das Volumen von zweitklassigen Krediten 1996 nur etwa 90 Milliarden US-Dollar, so sind diese bis zum Jahr 2003 auf über 375 Milliarden US-Dollar angestiegen. Eine ähnliche Situation gab es auch bei auf Kredit gekauften Aktien während des Platzens des Nasdaq-Bubbles im Jahr 2000.

Platzen des Nasdaq-Bubbles im Jahr 2000, Nasdaq 100. Quelle: Bigcharts

Die Manipulation des Geldes und des Kredits

Alle Ursachen für ökonomische Turbulenzen liegen in einer falschen Geldpolitik der Notenbanken begründet. In den letzten Jahren konnte man an den Finanzmärkten beobachten, wie die Geldmenge in immer neue Höhen geschraubt wurde. Gleichzeitig wurden die Leitzinssätze auf immer neue Tiefststände gesetzt.

Wie der berühmte Ökonom Ludwig von Mises bereits in den 30er Jahren schrieb, führt jedoch die künstliche Absenkung des Zinsniveaus zu einer stärkeren Kreditnachfrage, die nur durch die Ausweitung der Geldmenge kompensiert werden kann. Alan Greenspan und die amerikanischen Politiker haben vergessen, dass der beste Weg für die Beibehaltung niedriger Zinsen nur darin liegen kann, die Inflationierung der Geldmenge zu stoppen und Voraussetzungen für eine höhere Sparquote zu schaffen.

Das Resultat einer falschen Geldpolitik sind stets künstlich erzeugte Seifenblasen, die früher oder später platzen müssen, da die Investment die getroffen werden oftmals an den wirklichen Gegebenheiten des Marktes vorbeigehen. Der fortgesetzte Boom am amerikanischen Immobilienmarkt hat sich nur deshalb auf das heutige Niveau emporschwingen können, weil das Zinsniveau der Banken deutlich unter dem natürlichen Marktzinsniveau liegt. Diese Zinsdifferenz führt zu Fehlinvestitionen, die sowohl zu Inflation als auch Deflation führen können. Während sich im Immoblienmarkt die Fehlinvestitionen in inflationären Tendenzen manifestieren, zeigten diese in der IT-Branche deflationäre Auswirkungen. Da in vielen Indikatoren sich beide Effekte aufheben, ist vielen Marktteilnehmern die Tragweite der US-Fehlinvestitionen nicht bewusst. Das größte Problem ist hierbei das Informationsdefizit, welches viele Anleger über den wahren Zustand der größten Ökonomie der Welt haben.

Ein Blick auf Marktdynamiken und die Zinsentwicklung

In einer Ökonomie geht es um nichts anderes als um die Veränderung von Preisen. Preisfluktuationen sind immer relativ zueinander. Diese Relativität in den Preisen führt zur Relativität in der Kaufkraft. Schon aus diesem Grund kann es keine Fixierung der Kaufkraft durch Eingriffe der Notenbanken geben, auch wenn dies immer versucht wird.

Es gibt auch keinen absoluten Wert eines Hauses, dieser ist eine Frage der individuellen Interpretation eines Käufers. Wenn viele Käufer der Ansicht sind, dass die Häuser zu teuer sind, kann es im Rahmen von rationalen Erwägungen Verkäufe und im Rahmen von irrationalen Schlussfolgerungen zu massenpsychologischen Wirkungen kommen, die Preise in relativ kurzer Zeit kollabieren lassen. Hierbei lässt sich heute ein besonderer Effekt beobachten, der die aktuellen Ökonomien beeinflusst, der Netzwerk-Effekt von Metcalfe. Je mehr Teilnehmer an einem Markt teilnehmen, desto mehr Rückkopplungsschleifen gibt es in diesem.

Unter kybernetischen Gesichtspunkten bedeutet dies, dass je mehr Rückkopplungsschleifen ein Markt hat, desto schneller Veränderungen in diesem stattfinden können. Ein weiterer Faktor, der starke Fluktuationen induziert, ist die Differenz zwischen dem künstlichen und dem natürlichen Zinsniveau. Hier klafft die Schere durch die zurückliegenden Mini-Zinserhöhungen von einem Viertel Prozentpunkt immer noch sehr weit auseinander.

Nun wird diese Veränderung zwar nicht über Nacht kommen, es reichen jedoch externe Schockwirkungen wie ein starker Ölpreisanstieg oder interne Störgrößen wie ein sich ausweitender Dollarverfall aus, um ein schon labiles Systems instabil werden zu lassen. Für Amerikaner war es noch nie so einfach wie heute, ein neues Haus oder ein neues Auto zu kaufen. So sind die Detroiter Automobilfirmen berühmt für ihre 0 % Zins-Finanzierungen. Wer keinen Zins für das geliehene Geld zu bezahlen braucht, leiht mehr, als er sich leisten kann. Doch warum ist der Zins heute so billig? Nachfolgende Charts zeigen den Marktzins für langfristige Ausleihungen sowie die Feds Fund Rate.

Year Treasury Bills. Quelle: Bigcharts
Fed Funds Rate. Quelle: St. Louis Fed

Die Zinsdifferenz

Bildet man die Zinsdifferenz zwischen den 10 Year Treasury Bills und den Fed Funds Rates so ergibt sich ein Indikator, der die zukünftige Rückzahlung von Schulden zu Marktzinsen in Beziehung zur aktuellen Ausleihung zu von der Fed festgesetzten Zinsen setzt. Wie der nachfolgende Chart gemäss der Livermore-Methode (misst die kybernetische Wechselwirkung von ökonomischen Indikatoren) zeigt, so führt eine zu starke Ausweitung des Geldmengenwachstums stets zu einer sehr hohen Differenz zwischen langfristigen Marktzinsen und der kurzfristig gültigen Fed Rate.

Die Rückführung dieser Zinsdifferenz durch eine Reduzierung der Geldmenge birgt in den Finanzmärkten immer ein extrem hohes Rückschlagspotential. So waren die Jahre, in denen der Oszillator-Wert der Geldmenge über 0.1 stieg, generell sehr schlechte Börsenjahre. Dass der Indikator sich aktuell sogar wieder der 0.2-Marke nähert, dürfte für das Jahr 2005 kein gutes Omen sein.

Zinsdifferenz- und Geldmengensteuerung von 1959 bis 2004. Quelle: Langfristzinsanalyse von Artur P. Schmidt. Die Grafik größer.

Die historisch gesehen sehr starke Ausweitung des Geldmengenwachstums (nach dem Nasdaq-Crash sollte ein Liquditätsengpass vermieden werden) hat zu einer immer größeren Verschuldung der privaten Haushalte geführt. Alan Greenspan hat mittlerweile durch die Reduzierung zwar gegengesteuert, es ist jedoch aus dem Chart klar ersichtlich, dass dies bisher noch keinen Effekt auf die Reduzierung des Zins-Spread gehabt hat. Und dieser treibt weiterhin den Kauf von Häusern auf Kredit.

Natürlich ist nichts falsch daran, wenn Hauspreise steigen. Letztendlich ist jedes Investment auf der Hoffnung begründet, dass die Preise steigen. Billige Kredite erhöhen zwar kurzfristig die Kaufkraft, allerdings muss das geliehene Geld dann über einen längeren Zeitraum wieder zurückgezahlt werden. Dies gilt nicht nur für Haushalte, sondern auch für die sogenannten "Government-sponsored Enterprises" (GSEs). Diese sind die eigentlichen Motoren des Kredit-Booms auf dem Hypotheken-Markt.

Mit den künstlich niedrig gehaltenen Zinsen hat die amerikanischen Notenbank (Fed) ein mittlerweile unüberschaubares Systemrisiko für die Finanzmärkte geschaffen. Für immer mehr US-Haushalte sind dadurch die Preise für Immobilien unerschwinglich geworden. Nachfolgende Grafik zeigt, dass die bestehenden Hauspreise relativ zum Einkommen mittlerweile mehr als 60 % darüber liegen.

Hauspreise über der Finanzierbarkeitsgrenze. Quelle: Bridgewater Associates

Wie erzeugen GSEs Guthaben und Schulden?

GSEs haben vom Congress die Auflage günstige Darlehen für Schuldner mit niedrigem Einkommen anzubieten, um den amerikanischen Traum vom eigenen Heim Wirklichkeit werden zu lassen. Stattdessen haben diese viele Haushalte völlig überschuldet.

Früher mussten Kreditnehmer 10 % Eigenkapital mitbringen und der Rest der Schuld wurde mit einer Laufzeit von 30 Jahren mit einem Zins von 5 bis 6 % zurückbezahlt. Anders als die Banken, die als primäre Geldverleiher fungieren, treten die GSEs als sekundäre Geldverleiher auf, indem diese Anleihen auflegen, um das Geld, das sie ausleihen wollen, zu erhalten. Nach diesem Prinzip arbeiten die beiden großen GSEs Fannie Mae and Freddie Mac.

Die Zinsen, die die GSEs für ihre Anleihen bezahlen, sind wegen der staatlichen Garantien etwas niedriger als die üblichen Marktzinsen, beispielsweise 4 %. Mit dem erhaltenen Geld können die GSEs nun wiederum Hypotheken kaufen, die z.B. 5 bis 6 % Rendite abwerfen. Durch diesen Spread erwirtschaften die Hypothekenverleiher ihre Gewinne. Während eine Bank, die ihre Hypothek an ein GSE verkauft, diese Hypothek nicht mehr in den Büchern hat, wird diese jetzt in der Bilanz des GSE aufgenommen. Dieser Prozess wiederholt sich permanent mit steigender Nachfrage nach Immobilien.

Gemäß diesem Prinzip hat Freddie Mac in den letzten 10 Jahren Anleihen von über 600 Milliarden US-Dollar begeben. Durch diese Aufkäufe von Hypotheken wird sowohl eine Aktiv- als auch eine Passivposition geschaffen. Das Vermögen ist die Hypothek, während die Verbindlichkeit in der begebenen Anleihe besteht. Solange der Zins von der gekauften Hypothek höher ist als derjenige der verkauften Anleihe, blühen die Geschäfte. Dieses Cash-Paradies funktioniert jedoch nur solange, wie die Schuldner der gekauften Hypothek ihren Zinszahlungen nachkommen. Wenn die Zinsen markant steigen sollten, hängt es von der Art der Kredite ab, ob die Schuldner ihren Zahlungen nachkommen können.

Unglücklicherweise haben immer weniger Amerikaner fixe langfristige Zinszahlungen vereinbart, sondern diese werden in immer größerem Umfang dem aktuellen Marktzins angepasst. Dies eröffnet jedoch im Falle plötzlich steigender Zinsen ein hohes Systemrisiko für GSEs. Doch damit nicht genug. Um die Einnahmen noch üppiger sprudeln zu lassen, haben die GSEs alle Hypotheken, die sie gekauft haben, zu einem neuen, mit Garantien versehenen Wertpapier zusammengefasst, welches an andere Firmen verkauft wurde.

Systemrisiken und Dominoeffekte

Damit wurde die Kategorie der hypotheken-gesicherten Aktien ins Leben gerufen. Pensionskassen, Versicherungen und Geldmarkt-Fonds haben mittlerweile eine Vielzahl der GSE-Bonds und der hypothekengesicherten Wertpapiere gekauft. Dieser Umstand trägt heute dazu bei, dass in den amerikanischen Finanzmärkten erhebliche Systemrisiken schlummern.

Das Schicksal der gesamten US-Wirtschaft hängt somit zunehmend davon ab, ob die amerikanischen Hausbesitzer ihren monatlichen Amortisationszahlungen für ihre Immobilien nachkommen können. Gelingt dies nicht mehr, gleicht das ganze amerikanische Finanzsystem immer mehr einem Kartenhaus, welches bei kleinsten Störungen zusammenbrechen kann. Hierbei können Kettenreaktionen entstehen, die wie bei den Dominosteinen einen Marktteilnehmer nach dem anderen und in der Folge viele gleichzeitig in den Konkurs treiben können.

Etwa ein Viertel des finanziellen Vermögens der amerikanischen Haushalten steckt in Pensions-Fonds, wovon über die Hälfte in irgendeiner Weise mit den Risiken der GSEs verbunden sind. Wenn die GSEs den Anleihebesitzern keine Zinsen mehr bezahlen können, steht das gesamte amerikanischen Finanzsystem auf der Kippe. Kollabiert das GSE-System, so könnten Vermögen von 2.5 Billionen US-Dollar (europäische Zählweise) vernichtet werden. Die entscheidenden Faktoren, die die Dominosteine zum Fallen bringen können, sind die langfristigen Zinsen, der Ausfall von Zins- und Schuldenrückzahlungen, das Verweigern von Krediten für zweitklassige Schuldner, ein möglicher Kurzsturz an den Finanzmärkten, die Investmentrisiken im Bankensektor, insbesondere bei Derivaten und bei Hedge-Fonds, sowie mögliche Probleme bei den Pensionskassen, die ihre Risiken an die GSEs gekoppelt haben.

Nachfolgende Grafik zeigt den immensen Risiko-Leverage, den einige Banken mit Derivaten erzeugt haben. So hat allein die JP-Morgan-Bank um mehr als den Faktor 60 gegenüber den vorhandenen Vermögenswerten Derivate auf den Markt geworfen. Die nächsten Monate werden zeigen, ob und wann die ersten Dominosteine zu fallen beginnen.

Dr.-Ing. Artur P. Schmidt ist Publizist und Herausgeber des Wissensnavigators