"Mein Computer weiß, wie ich mich fühle"

Anrufbeantworter und Spracheingaben sollen zukünftig Emotionen erkennen

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So mancher versteckt sich längst hinter seinem Anrufbeantworter, um Werbeanrufen oder nervigen Schwiegermüttern am Telefon zu entgehen. Zukünftig soll eine Software sogar erkennen, ob die hinterlassenen Mitteilungen wichtig sind oder nervig.

Zeynep Inanoglu und Ron Caneel vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben eine neue Software entwickelt, die aufgrund von Musteraufnahmen entscheiden kann, ob ein Anruf eher einen fröhlichen oder einen traurigen Anlass hat und ob sie beruflich oder privat, wichtig oder unwichtig ist. "Emotive Alert" vergleicht dazu die Lautstärke, Tonhöhe und Sprechgeschwindigkeit der ersten zehn Sekunden des von den Anrufern hinterlassenen Textes und vergleicht diese mit acht Standardwerten, die aus Hunderten echter Aufnahmen konzentriert wurden und die Kriterienpaare "glücklich/traurig", "aufgeregt/ruhig", "offiziell/ungezwungen" und "dringend/nicht dringend" repräsentieren. Danach erhält der Angerufene eine SMS mit dem entsprechenden Emoticon, berichtet das Wissenschaftsmagazin New Scientist in seiner am 8. Januar erscheinenden Ausgabe.

Bei ersten Testläufen konnte die Software gut anhand der Sprachmuster aufgeregte und ruhige sowie glückliche und traurige Nachrichten unterscheiden. Schwierigkeiten gab es dagegen bei der Unterscheidung offizieller und inoffizieller sowie dringender und nicht so dringender Anrufe: Hier spielt der Inhalt der Botschaft eine größere Rolle als die reine Sprachmelodie. Deshalb soll noch ein Spracherkennungsprogramm zugeschaltet werden, was dann spezifische "Alarmworte" erkennt. Allerdings verliert der "gefühlsechte Anrufbeantworter" damit seine jetzige Unabhängigkeit von der Sprache des Anrufs. Eine andere Möglichkeit ist es, das Gerät auf die wichtigsten Anrufer des Benutzers zu trainieren – hier ist es dann schon leichter, zu erkennen, ob ein Anruf offiziell oder privat ist. Allerdings muss das Gerät dann zunächst den Anrufer zweifelsfrei erkennen; sollte es dabei die Schwiegermutter mit der kleinen Schwester verwechseln, dürfte die detektierte Emotion eher merkwürdig ausfallen.

Es handelt sich zunächst um eine Entwicklung für Betreiber von Telefonnetzen oder größeren Telefonanlagen und noch nicht für ein Gerät für zuhause – dazu ist auch die Technik noch zu aufwendig. Und es kann den Nutzer natürlich auch nur vor Anrufen bewahren, die er nicht annimmt. Sicherlich praktisch für gestresste Manager, die nach einem Amerikaflug 25 Anrufe in der Mailbox haben. Anrufe, die live entgegengenommen werden, kann das Gerät dagegen nicht sortieren.

Vorsortieren hinterlassener Mitteilungen

Telemarketer werden außerdem schnell lernen, ihre Callcenterdamen nun auch noch so unter Drogen zu setzen, dass diese beim Anruf ultrahappy klingen – dass es sich um eine persönliche, private Angelegenheit handele, wegen der man sogar den Chef aus der anderen Leitung werfen müsse, wenn es dann tatsächlich bloß darum geht, ein "Impulse"-Zeitschriftenabonnement zu verticken, behaupten diese ja auch jetzt schon des Öfteren. Dann noch wie in Spammails üblich ein paar Schlüsselwörter in die Werbeanrufe einzuflechten ("Personalabteilung", "Kredit gesperrt", "Kündigung", "gestorben"…), um diese "wichtig" zu machen, dürfte den Nerv- und Herzkasperlfaktor derselben eher noch steigern und vermutlich dazu führen, dass alle besonders wichtigen und dramatischen Mitteilungen wie bei E-Mail-Spamfiltern vom System vorab gelöscht werden – ein "komm schnell her, dein Vater liegt im Sterben" also gar nicht mehr ankommt.

Die englische Firma Affective Media will ein ähnliches System in ihre sprachgesteuerten Autonavigationsysteme integrieren. Damit soll der Computer merken, ob der Fahrer momentan besonders hektisch oder schläfrig ist und ihn entsprechend beruhigen oder aufwecken. Für besonders "vergnügungssüchtige" Fahrer wäre auch die Variante denkbar, in dem der Computer zurückflucht – natürlich besser nicht im echten Auto, aber in Computerspielen. Da soll der Computer zukünftig merken, ob das Spiel den Spieler langweilt und dann mehr Action einbauen. "Heute ist die Kommunikation mit Maschinen noch eine autistische Erfahrung", so Stephen Furner, der an der Mensch-Maschine-Kommunikation bei der British Telecom in Ipswitch forscht, "zukünftig werden die Maschinen mehr über unsere Launen wissen und sich darauf einstellen". Aber ob wir das wirklich wollen?

"Du blöde lahme Mistkiste, mach endlich!"

"Quatsch mir nicht dauernd dazwischen, Dumpfbacke, ich tu ja schon, was ich kann!"