Kosmische Scheiben: Brutstätten der Planeten

Ein Blick in die planetare Kinderstube

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Die aktuelle Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science präsentiert ein Special zu "Scheiben im Universum". Flache, rotierende Wolken, die wie Scheiben aussehen, sind im Kosmos häufig. Sie bestehen aus interplanetarem Staub, Gas oder Plasma und entstehen, wenn Materie von einem kosmischen Objekt durch die Wirkung der Schwerkraft angezogen wird.

Der Vorgang wird in der Astrophysik als Akkretion (von lateinisch accretio = Zuwachs) bezeichnet. Materie vereint sich im Kreis drehend und in Scheibenform zu einem kompaktem Objekt wie einem Protostern, einem Stern (Sternendieb im All) oder einem schwarzen Loch (Heiße Geheimnisse des schwarzen Monsters).

Akkretionsscheibe eines binären Sternensystems: links der Begleitstern, aus dem das kompakte Objekt rechts ständig Materie abzieht, die es dann als Scheibe umkreist (Bild: NASA)

Wenn sich Gas durch Gravitationskräfte in Richtung eines zentralen Objekts bewegt, entsteht beinahe unvermeidlich ein Impulsmoment, der dafür sorgt, dass sich eine Wolke in Form eines sich zu den Rändern hin verdickenden Pfannkuchens bildet, das in Richtung des Drehimpulses des Gases rotiert. Die daran enthaltenen Staubkörnchen wirbeln auf Spiralbahnen.

Sterne und Planeten

In Science stellt Jane S. Greaves von der britischen University St. Andrews die Mechanismen der Akkretionsscheiben rund um junge Sterne vor, in denen sich auch die Planeten bilden.

Der Geburtsort von Planeten sind protoplanetaren Scheiben rund um junge Sonnen, sich verdichtende Gas- und Staubwolken, in denen sich Materie zuerst zu Staubkörnern, dann zu Planetenkeimen (Planetesimalen) und durch zunehmende Anziehungskraft schließlich zu kompletten Himmelskörpern zusammen ballt. Die Teilchen haften nach Zusammenstößen aneinander. Der Staub heizt sich auf und die Atome und Moleküle ordnen sich so um, dass die Staubkörner kristallisieren.

Inzwischen gibt es auch Hinweise, dass sich Planeten auch ganz unabhängig von Sternen formen können ("Stellare" Exoplaneten). Normalerweise formt sich aber aus einer Molekülwolke durch einen Kollaps zunächst ein Kern, aus dem der Mutterstern entsteht und dann die um diese Sonne kreisenden Trabanten. Das geschieht in drei Phasen während der zehn Millionen Jahre ihrer Existenz: Zunächst kreisen in der Scheibe Staubkörner und Gas, die Teilchen beginnen zunehmend zusammen zu prallen und sich zu verdichten, Planetesimale, Asteroiden und Kometen formen sich. In der zweiten Phase hat die Scheibe durch diesen Prozess rapide an eigener Masse verloren, was sich in der dritten Phase wieder ändert, weil durch die Kollisionen der Asteroiden und Kometen neue Staubpartikel frei werden und sich erneut verklumpen (Animation Accretion Model of Planet Formation).

Die erst seit relativ kurzem zur Verfügung stehende hochauflösende Infrarotspektroskopie ermöglichte den direkten Nachweis, dass Planeten tatsächlich in derartigen zirkumstellaren Scheiben heranreifen (Kristallplanet).

Kuiper-Gürtel und Oortsche Wolke

Brett Gladman von der kanadischen University of British Columbia beschreibt, wie sich in der Frühzeit unseres Sonnensystems der Kuiper-Gürtel jenseits des äußersten Planeten gebildet hat.

Im Kuiper-Gürtel, auch Kuiper-Disk genannt, bewegen sich vermutlich mehr als zehntausend Trabanten in einer Entfernung von mehr als ab 30 Astronomischen Einheiten (1 AE entspricht ca. 150 Millionen Kilometer) mit Umlaufzeiten von circa 300 Jahren rund um unsere Sonne. Einige der dort kreisenden Kleinplaneten haben verblüffende Eigenschaften und stellen in Frage, ob es sich bei Pluto wirklich um einen echten Planeten handelt (Heiße Zeiten auf Quaoar).

Jenseits des Kuiper-Gürtels bis zu einer Entfernung von ungefähr 100.000 AE zur Sonne liegt die Oortsche Wolke, von der aus die Kometen ihre Bahnen ziehen. Wo genau die Grenze unseres Sonnensystems verläuft, ist noch umstritten (Jenseits des Sonnenwindes).

Auch unser Sonnensystem entstand aus einer Akkretionsscheibe. Um unsere junge Sonne wirbelte Materie in Form einer protoplanetaren Scheibe, einer Wolke aus rotierendem Gas und Staub (Entstehung und Entdeckung von Planeten). In ihr verklumpte die Materie zunehmend und es entstanden Planetesimale, die Grundbausteine der Planeten, die dann auf Umlaufbahnen um die Sonne kreisten. Die Kometen und Kuiper-Disk-Objekte sind Relikte aus dieser Frühzeit, auch wenn sie inzwischen durch Kollisionen ihre Form verändert haben (vgl. Aus Drei mach Zwei und Kometen mit Gefrierbrand).

Auch der Planet Neptun entstand in dieser Scheibe und zwar sehr viel näher an der Sonne als seine heutige Position vermuten lässt. Wahrscheinlich sorgte er mit seiner eigenen Wanderung dafür, dass die Kleinplaneten des Kuiper-Gürtels an ihren Platz jenseits des Pluto getrieben wurden, der blaue Gasplanet warf sie aus ihren ursprünglichen Bahnen viel näher an der Sonne und trieb sie sozusagen vor sich her (Die folgenschwere Wanderung des blauen Gasplaneten).