Aufbau von Todesschwadronen im Irak?

Angeblich denkt man im Pentagon verzweifelt über andere militärische Strategien für die verfahrene Situation nach - und greift womöglich auf scheinbar bewährte Rezepte aus dem Kalten Krieg zurück

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Angesichts der Probleme vor allem mit der sunnitischen Bevölkerung im Irak hat man im Pentagon mit Überlegungen für eine neue militärische Strategie begonnen, das von der Diktatur befreite Land zu befrieden. Schon diese Woche reist General Gary Luck mit dem Auftrag in den Irak, das Vorgehen gegen die Aufständischen sowie den Aufbau der irakischen Streitkräfte zu bewerten. Selbst wenn die Wahlen Ende Januar durchgeführt werden können, müssten wahrscheinlich amerikanische Truppen noch lange im Land bleiben, um den Widerstand zu bekämpfen und die Handlungsfähigkeit der irakischen Regierung zu sichern. Politisch und finanziell für die US-Regierung eine schwere Bürde, zumal wenn die - wie auch immer - gewählte Regierung nicht wirklich landesweit anerkannt wird.

Wie Newsweek berichtet, denkt man daher natürlich im Pentagon darüber nach, wie sich die Aufständischen, deren Widerstand anhält (Stärker als die US-Armee?), die aus Sympathie und aus Angst von manchen Bevölkerungsschichten gedeckt werden und die im Laufe der Auseinandersetzungen sich im Hinblick auf eine islamistische Ideologie radikalisiert haben, besiegen lassen könnten. Pentagon-üblich denkt man militärisch, weniger politisch. Manche Idee, die erwogen wird oder aus alten Auseinandersetzungen im Zeitalter des Kalten Kriegs wieder belebt werden soll, könnte die Situation aber wohl noch eher verschärfen.

So hat Newsweek ein hoher Offizier berichtet - und das ist sicher wieder einmal der übliche Versuch, die Reaktion in der Öffentlichkeit zu testen -, dass im Pentagon die "Salvador-Option" erwogen werde. Man habe dein Eindruck, in der Defensive zu bleiben und so den Konflikt zu verlieren. Die letzte Offensive in Falludscha, eigentlich als Befreiungsschlag gedacht, hatte tatsächlich den Widerstand nur wie zuvor der Krieg in Afghanistan räumlich ausgebreitet - und die Zerstörung der Stadt sowie die zivilen Opfer haben den US-Truppen vermutlich noch weiter Unterstützung in den betroffenen Region entzogen.

Der US-Botschafter Negroponte im Irak hat Erfahrung

Um direkter gegen die Rebellen vorgehen zu können, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen, sollen wie einst im Kalten Krieg unter Ronald Reagan Todesschwadrone von heimischen Kräften finanziert, ausgebildet und unterstützt werden, um der Bevölkerung selbst durch Gegenterror Angst einzujagen und Aufständische sowie deren Sympathisanten zu jagen und zu töten (Folter inklusive - Die Folter hat System). Diese Praxis wurde nicht nur in El Salvador im Namen der Freiheit gegen die linke Guerilla ausgeübt. Dass die Bush-Regierung ideell und auch personell der Welt des Kalten Krieges und vor allem der Politik Ronald Reagans nahe steht, ist offensichtlich.

Dass nun die Option des schmutzigen Kriegs, also auch der Akzeptanz von Kriegsverbrechen und Verletzung von fundamentalen Menschenrechten durch die Übernahme von Terrorstrategien, auch nur erwogen wird, mag sich auch einer Person verdanken, von der man bislang wenig gehört hat: dem seit der Einsetzung der Übergangsregierung amtierenden US-Botschafter John Negroponte, der zuvor als US-Botschafter bei den Vereinten Nationen die Strategie der Bush-Regierung für den Irak-Krieg vertreten hat. Just Negroponte, auch verwickelt in den Iran-Contra-Skandal, war nämlich seinerzeit US-Botschafter in Honduras, in dem ein brutales Militärregime herrschte. Von Honduras wurde die amerikanische Unterstützung des Militärregimes in El Salvador und der Krieg der Contras gegen die sandinistische Regierung in Nicaragua geplant und dirigiert, während Negroponte dort Botschafter war (John Negroponte, künftiger US-Botschafter und heimlicher Herrscher im Irak). Der Mann, auch gut bekannt mit Bush I und Colin Powell, hat also Erfahrung gerade in solchen Dingen, zu denen auch gehört, dass die US-Regierung vorgeblich saubere Hände behält und nichts mit den Todesschwadronen zu tun hat.

Nach dem alten Modell, das in Lateinamerika in vielen Ländern auf die eine oder andere Weise praktiziert wurde, könnten US-Spezialeinheiten irakische Verbände ausbilden, um gegen sunnitische Aufständische und ihre Sympathisanten vorzugehen, was auch einschließen könnte, den Konflikt etwa nach Syrien hineinzutragen. Dabei könnten die Aufständischen und Sympathisanten getötet oder verschleppt werden, um sie in geheimen Lagern zu verhören, sprich: zu foltern, was in Lateinamerika gang und gäbe war. Nach Informationen denkt man dabei offenbar an kurdische Peshmerga-Kämpfer und schiitische Milizen. Das aber wäre dann nur die Umdrehung der Strategie der islamistischen sunnitischen Terroristen und nahezu eine Garantie auf einen Bürgerkrieg, der aber möglicherweise die amerikanischen Truppen entlasten könnte.

Umstritten sei dabei freilich auch, wer für solche Operationen verantwortlich ist: das Pentagon und damit die uniformierte Truppen oder die CIA, die verdeckte Operationen jenseits aller Gesetze durchführen könnte, wobei die US-Regierung jede direkte Verantwortung ablehnen würde. Offenbar ist man aber im Pentagon und vor allem bei den Spezialeinheiten skeptisch, ob die CIA nicht zu konservativ in dem Sinne geworden sein könnte, dass dort die schmutzigen Strategien nicht gebilligt würden. Schon bei der Vorbereitung des Irak-Kriegs kam Widerstand gegen die Verdrehung der Tatsachen aus dem Geheimdienst

Hinter den Plänen des Pentagon soll nicht nur der irakische Regierungschef Allawi, sondern auch der Chef des irakischen Geheimdienstes, General Mohammed Abdullah Schahwani, stehen. Der hatte in den letzten Zeit darauf verwiesen, dass der Widerstand von ehemaligen Mitgliedern des Hussein-Regimes in Syrien unterstützt werde, aber auch, dass vor allem sunnitische Bevölkerung dem Widerstand helfe, auch wenn dies oft nur aus Angst heraus geschehe. Nach einem Pentagon-Mitarbeiter, so Newsweek, müsse man deswegen auch der Bevölkerung mehr Angst einjagen: "Die sunnitische Bevölkerung zahlt keinen Preis für die Unterstützung, die sie den Terroristen gewährt. Aus ihrer Perspektive ist das kostenfrei. Wir müssen diese Gleichung verändern." Die Einnahme und Zerstörung von Falludscha und manche auch durch "Präzisionsschläge" geforderten Opfer unter der Zivilbevölkerung sind zwar nicht gerade Belege für diese These, sondern womöglich umgekehrt ein Hinweis darauf, dass die pure Demonstration militärischer Stärke den Widerstand in einem Guerilla-Krieg eher verstärkt.