Kleine Gesten bringen Bewegung in den baskischen Konflikt

Die sozialistische Regierung Spaniens deutet Kontakte zur Untergrundorganisation ETA an, die sich dem Friedensvorschlag der Partei Batasuna angeschlossen hat

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Spirale kleiner Gesten der Entspannung dreht sich im Konflikt zwischen Spanien und dem Baskenland. Am Donnerstag erklärte Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero im spanischen Fernsehen: "Wenn es eine minimale Chance gibt", die Gewalt der ETA zu beenden, "wird die Regierung sie zweifellos nutzen". Das war die bisher deutlichste Äußerung des Sozialisten (PSOE), an einem Friedensprozess interessiert zu sein.

Ihr gingen ereignisreiche Tage voraus. So hatte die in Spanien verbotene Partei Batasuna (vgl. Unser Protest wird nicht müde) Zapatero persönlich eine definitive Lösung für den seit Jahrzehnten schwelenden bewaffneten Konflikt angeboten. Die Partei, die der ETA politisch nahe steht, nutzte dessen Besuch am vergangenen Samstag im Baskenland, um sich im Vorfeld mit einem offenen Brief an ihn zu wenden. Mit Blick auf die Rolle des britischen Premierministers im Friedensprozess in Nordirland heißt es darin: "Wenn sich Herr Zapatero in einen spanischen Tony Blair verwandeln will, der definitiv den politischen und bewaffneten Konflikt zwischen Spanien und dem Baskenland löst, hat er stets den Beistand der gesamten linken Unabhängigkeitsbewegung."

Batasuna konkretisierte so ihren Friedensvorschlag vom vergangenen November (Die Rückkehr der ETA) und versucht, alle Konfliktparteien auf den Einsatz friedlicher und demokratischer Mittel einzuschwören, damit sich alle politischen Projekte demokratisch und frei entfalten könnten. In dem Brief führte sie weiter aus, keine "Sezession vorzuschlagen". Es gehe darum, demokratische Regeln für eine neues Szenario zu bestimmen, in dem "alle politischen Projekte Platz haben". Alle Beteiligten müssten sich auf eine Lösung verständigen und keine Seite der anderen einseitig etwas aufzwingen. Per Referendum, einem "simplen demokratischen Akt", müssten die bestimmen, "die im Baskenland leben und arbeiten".

Für Furore sorgte am Wochenende auch eine Erklärung der ETA. Sie stellt sich nun offen hinter den Friedensvorschlag und unterstreicht ihren "absoluten Willen", aktiv an einem Prozess teilzunehmen, der eine "Situation garantiert, in der alle Optionen möglich sind". Weil dazu erst der Friedensprozess in Gang kommen müsse, erklärte sie bisher keine Waffenruhe.

Diese Konstellation brachte Zapatero dazu, erstmals eine Geste der Entspannung zu zeigen. Beim Besuch im Baskenland gab er seine grundsätzliche Bereitschaft zum Dialog mit Batasuna zu erkennen, wenn die den "Mut" besitze, die Gewalt der ETA zu verurteilen: "Ein für alle Mal muss der Lärm der Bomben und Pistolen aufhören", sagte er.

Auf Batasuna einzugehen und sie trotz des Verbots als Gesprächspartner anzuerkennen, ist blanker Horror für die konservative Volkspartei (PP). Mit Batasuna zu reden sei "Unfug", schmetterte der Oppositionsführer Mariano Rajoy zurück. Schließlich hat die PP sie nach dem Verbot sogar auf die EU-Liste terroristischer Organisationen setzen lassen (Die europäische Liste der Terroristen). Trotzdem arbeitet die Partei in Frankreich legal weiter und hatte bis im vergangenen Mai einen Parlamentarier im Europaparlament (In Spanien verboten, in Frankreich legal).

Schließlich griff der spanische König ein und lud Zapatero und Rajoy am vergangenen Sonntag eiligst zum geheimen Gespräch in den Königspalast. Das Treffen, dessen Existenz inzwischen bestätigt ist, hatte die Tageszeitung El Mundo aufgedeckt. Über den Inhalt ist wenig bekannt. Doch es ist klar, dass die drei obersten Spanier über die Ereignisse des Wochenendes zusammen getrieben wurden. Erst am Freitag berieten Zapatero und Rajoy über ein Vorgehen gegen den Plan der baskischen Regionalregierung, die Beziehungen mit Spanien neu zu definieren. Dabei schlug die PP den Sozialisten einen Pakt zur "nationalen Rettung" vor.

Freie Assoziation an Spanien und starke Autonomie für das Baskenland?

Die PP sieht im Plan Ibarretxe, nach dem Präsidenten der baskischen Regionalregierung Juan José Ibarretxe benannt, einen "Sezessionsplan", der die "Einheit Spaniens" gefährde. Entsprechend scharf ging sie in ihrer Regierungszeit dagegen vor (Volksbefragungen sollen in Spanien strafbar werden). Der am 30. Dezember vom baskischen Parlament verabschiedete Plan, strebt eine "freie Assoziation" an Spanien und eine Selbstverwaltung über eine "Reform des Autonomiestatuts" an, weil wesentliche Autonomierechte 25 Jahre nicht an die Basken übertragen wurden.

Scheinbar überraschend erhielt die Koalition aus moderaten Nationalisten und der Vereinten Linken (IU) dafür eine Mehrheit, und Spanien steht seither Kopf. Die Annahme wurde über Stimmen der Parlamentarier möglich, die einst für Batasuna ins Parlament eingezogen sind und stets gegen den Plan argumentiert haben. Doch wie hätten sie ein Dokument ablehnen können, das in der Präambel das Selbstbestimmungsrecht der Basken in allen sieben Provinzen vorsieht? In Ausübung dieses Rechts soll zudem die Bevölkerung in einem Referendum das letzte Wort haben, wenn auch nur in den drei baskischen Provinzen der "Autonomen Baskischen Gemeinschaft" (CAV). Sie hätten ihn zudem mit den spanischen Parteien ablehnen müssen, die bisher sogar die beschränkte Autonomie blockierten.

Mit ihrem Druck haben die Konservativen bisher nur erreicht, dass der Plan im spanischen Parlament im Eilverfahren mit Hilfe der Sozialisten vom Tisch gewischt wird. War die Debatte darüber für den 8. März geplant, wurde gestern auf den 1. Februar vorgezogen. Im zuständigen Ausschuss versuchte die PP noch einmal, ihn gar nicht zur Debatte zuzulassen. Aber mit der Ablehnung des Plans in Madrid wird die Diskussion über eine Neuordnung nicht beendet. Mit einer Waffenruhe der ETA wird sie erst richtig beginnen. "In Abwesenheit von Gewalt", wird die baskische Regierung den Plan dann der Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen.

Zapatero sieht offenbar auch die Chance für eine Konfliktlösung. Deshalb hat er seine Verhandlungsbereitschaft bekräftigt, obwohl die ETA am Dienstag seit langem die erste Bombe zündete, die wieder großen Sachschaden angerichtet hat. Auch das ist nur vordergründig ein Widerspruch zu einem Friedensprozess. Seit langem versucht sie Druck auf die Sozialisten auszuüben, damit die Farbe bekennen (Die Rückkehr der ETA). Zwar wird über beidseitige Kontakte schon länger gemunkelt, doch erst nach dem Anschlag bestätigte sie das Regierungsmitglied Jordi Sevilla sie quasi öffentlich. Er sagte: "Sie sollen die Waffen niederlegen, das Töten und den Terror beenden, dann kann weiter verhandelt und gesprochen werden".

So wird sich demnächst zeigen, ob Zapatero erneut so viel Mut aufbringt, wie beim Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak. Hatte er sich dabei mit der USA angelegt, müsste er sich nun mit der mächtigen Rechten in Spanien anlegen und eine reale Reform der Verfassung vorantreiben. Die könnte Wunden schließen, welche die Verfassung von 1978 offen ließ. Diese kam unter dem starken Einfluss der faktischen Mächte der abgetretenen Diktatur zustande, die noch heute ihr Unwesen zum Teil in der PP treiben.