Israel beschlagnahmt Land in Ost-Jerusalem im großen Stil

Über die Hälfte des palästinensischen Besitzes betroffen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mahmud Abbas, der neue palästinensische Präsident, verwendet derzeit seine ganze Energie auf Verhandlungen mit den bewaffneten Gruppen. Er will sie zur Einstellung der Angriffe auf Israel überreden. Gleichzeitig soll dieses seine Militärattacken zurückschrauben. Beobachter rechnen mit einem Erfolg. Es ist eine positive Stimmung entstanden, die international begrüßt wird.

Gleichzeitig hat die Regierung von Israels Ministerpräsident Ariel Scharon den Griff auf das palästinensische Ost-Jerusalem verstärkt und mit einer groß angelegten Landenteignung begonnen. "Weit über die Hälfte des palästinensischen Grundbesitzes in Ost-Jerusalems ist betroffen", erklärte der palästinensische Kartograf Khalil Tufakdschi. Er erinnerte daran, dass Israel nach dem Krieg von 1948 dieselbe Methode zur Ausweitung seines Staatsgebiets nutzte.

Grundlage der Enteignung ist ein Gesetz von 1950. Danach wurde der Landbesitz von Palästinensern, die außerhalb des neugeschaffenen israelischen Territoriums lebten - die palästinensischen Flüchtlinge aus dem Krieg -, zunächst treuhänderisch verwaltet. Später wurden die Ländereien dem Jüdischen Nationalfond übergeben. Nutzung für Nicht-Juden war explizit untersagt.

1967 besetzte Israel das Westjordanland, verdreifachte das Stadtgebiet Ost-Jerusalems und annektierte es. Eine Resolution der Vereinten Nationen vom selben Jahr ächtet die Landnahme zwar, sie wird von Israel aber missachtet und von der internationalen Gemeinschaft nicht durchgesetzt. Das "Gesetz über den Besitz von Abwesenden" wurde zunächst jedoch nicht auf Ost-Jerusalem ausgedehnt.

Nun fassten die israelischen Minister am 8. Juli 2004 aber den geheimen Beschluss zu seiner Ausweitung, veröffentlicht Mitte Januar von der israelischen Tageszeitung Haaretz. "Wir wissen nicht genau, was auf dem Kabinettstreffen serviert wurde", so der Kommentator Meron Rapaport, "aber es ist klar, was verteilt wurde, nämlich palästinensischer Landbesitz in Ost-Jerusalem." Oder genauer: Die Grundstücke und Gebäude, die Bewohner des Westjordanlands in der Stadt besitzen.

"Der exakte Umfang der betroffenen Güter ist uns nicht bekannt", erklärte ein Mitarbeiter der Abteilung für Verhandlungsangelegenheiten der PLO in Ramallah. "Israel beschlagnahmte 2001 alle Grundbücher." Allerdings seien seit 1967 bereits 43,5 Prozent des Bodens in Ost-Jerusalem von Israel konfisziert worden. Weitere 41 Prozent dürfen von Palästinensern ebenfalls nicht bebaut werden. Hierfür steht nur knapp über ein Zehntel des Gebiets zur Verfügung. Die Wohnraumnot ist ein Grund für den Wegzug vieler Ost-Jerusalemer in andere palästinensische Städte.

Die Palästinensische Autonomiebehörde verurteilte die erneute Ausweitung israelischer Gesetzgebung auf ihr Gebiet. "Das ist eine Verletzung der Abkommen, die Israel mit uns abgeschlossen hat", sagte Minister Saeb Erekat. "Das Osloer Friedensabkommen besagt, dass in Ost-Jerusalem keine Veränderungen vorgenommen werden dürfen, bis der Status der Stadt in den Endstatusverhandlungen geklärt ist." Die israelische Regierung verweigert bisher die Kommentierung ihres Schritts.

Das Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen in Ramallah sieht in der Maßnahme den Beweis dafür, dass die von Israel derzeit gebauten Sperranlagen aus Mauern und Zäunen zur Annexion palästinensischen Bodens diene. Israel hatte bisher immer angegeben, dass der Mammutbau "ausschließlich der Sicherheit Israels" diene und keine Grenzziehung bedeute. Der frühere israelische Justizminister Jossi Beilin, Chef der Jachad-Partei, bezeichnete die Anwendung des Gesetzes als "Diebstahl". Die Gruppe "Juden für den Frieden" beschuldigte die israelische Regierung, "alles in ihrer Macht Stehende" zu tun, "um die Spannungen mit den Palästinensern zu verstärken".

Darüber hinaus soll die Trennung der Palästinenser in Ost-Jerusalem von ihren Landsleuten im Rest des Westjordanlands mit einer zweiten Verordnung verschärft werden. Letztere benötigen bereits seit Jahren eine israelische Erlaubnis zum Betreten des wirtschaftlichen und politischen Zentrums der Palästinenser. Die Wenigsten erhalten den begehrten Schein. Und ab Juli diesen Jahres sollen nun auch Ost-Jerusalemer eine Genehmigung beantragen müssen, um ihre Verwandten und Freunde im Umland zu besuchen. Bis dahin wird der Bau der bis zu 11 Meter hohen Betonmauer um Ost-Jerusalem herum abgeschlossen sein.