Abstimmung über EU-Verfassung auf spanisch

Spanische Bürger dürfen nun an einer eher geheim gehaltenen Probeabstimmung über die Europäische Verfassung teilnehmen, die zunächst angekündigte wirkliche Abstimmung über das Internet wurde wieder zurück genommen

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Fast zwei Millionen Menschen im spanischen Staat könnten sich theoretisch am bisher größten Pilotversuch des Landes zu einer elektronischen Wahl beteiligen. In 52 ausgesuchten Städten des Landes könnten sechs Prozent der Bevölkerung an einer elektronischen Probeabstimmung über die EU-Verfassung teilnehmen, die aber keine Rechtsverbindlichkeit hat. Wer wirklich über die EU-Verfassung entscheiden will, muss sich am 20. Februar noch einmal an eine reale Wahlurne begeben. Die Ergebnisse der virtuellen Abstimmung werden erst an diesem Tag mit den Hochrechnungen veröffentlicht, um das Referendum nicht zu beeinflussen.

Für die Jungen gibt es einen Energiedring zur Abstimmung

Das hat der Nationale Wahlrat (JEC) letzte Woche entschieden, als er der Probeabstimmung den Segen erteilt hat. Die Vertraulichkeit der E-Wahl sei wie bei einer üblichen Wahl an der Urne oder per Post gesichert, meint der JEC. Ob sich viele Menschen an dem Pilotprojekt beteiligen, ist fraglich. Dazu müsste sich die Regierung noch einiges unternehmen.

Bisher scheint es, als wolle sie Projekt geheim halten. Es bedarf einer umfassenden Recherche im Netz, um eine offizielle Webseite des Innenministeriums zu finden, wo Informationen über das Pilotprojekt und die Teilnahme gegeben werden. Hier findet sich auch eine Liste der ausgewählten Städte. Denn in der lokalen Verwaltung muss der E-Wähler persönlich erscheinen, um sich mit dem Personalausweis registrieren zu lassen. Hier erhalte er eine Chipkarte, wenn er seine Stimme vor Ort an einem Computer abgeben will. Wer von zu Hause aus abstimmen will, erhalte einen Umschlag. Darin befinde sich ein Passwort und ein Benutzername, mit dem über das Internet die Stimme abgegeben werden könne.

Bisher weist aber weder die offizielle Referendumsseite der Regierung, noch die Seiten der Wahlkommission oder die anderer Organismen, die im Dienst der Regierung für das Referendum werben, auf das Pilotprojekt hin. Ähnlich finster sieht es auch noch vielen Seiten der beteiligten Städte aus. Eine Stichprobe in fünf Städten ergab, dass auf keiner Startseite ein Hinweis zu finden ist. Dabei läuft dort meist, wie im Fall von Irun, ein Newsticker. Ein Versuch über die Suchmaschinen ergab auch keinen Hinweis. So sieht es auch auf der Website der regierenden Sozialisten aus, die für das Projekt verantwortlich sind.

Seit klar ist, dass eine reale E-Wahl nicht möglich ist, haben sich die Sozialisten vom Internet abgewandt. Eigentlich sollte Spanien nicht nur das erste Land sein, das mit einem Referendum die Europäische Verfassung annimmt (Referendum der EU-Verfassung nicht gefahrlos), sondern die Regierung wollte auch erstmals eine Internetwahl ermöglichen. Dahinter stand vor allem das Ziel, der Abstimmung eine höhere Beteiligung zuzuführen (Spanien: Wahlmaschinerie und selbst eine Internetabstimmung sollen ein Ja für die Europäische Verfassung garantieren). An eine Ablehnung der EU-Verfassung glaubt niemand mehr, nachdem auch die konservative Volkspartei (PP) für ein Ja wirbt. Nach der geringen Beteiligung bei den Wahlen zum Europaparlament im vergangenen Mai befürchtet man allerdings, dass eine geringe Beteiligung die Legitimität in Frage stellen könnte. Nach neuesten Zahlen der Europäischen Gemeinschaft wollen bisher nur 36 Prozent an der Abstimmung teilnehmen, 56 Prozent davon wollen der Verfassung zustimmen.

Aber auch insgesamt scheinen die Internetnutzer uninteressant zu sein. Wird der gewöhnliche Spanier derzeit in Radio, Fernsehen und Zeitungen dauernd zur Stimmabgabe animiert, bleiben die Netizen von der Propaganda über die süßeste Versuchung, seit es Verfassungen gibt, verschont. Wegen "begrenzter Mittel" hätte man sich nur an die "Massenmedien" gewandt. Dank der spanischen Politik schafft im Internet-Entwicklungsland das Netz diese Hürde offenbar noch nicht.

Dafür läuft man beim Besuch einer Universität, eines Kinos oder einer Diskothek die Gefahr, mit einem regierungsoffiziellen Energiedrink Referéndum Plus beschenkt zu werden. Mit 250.000 Dosen des Koffeinhammers soll die Jugend an die Urnen getrieben werden. Zur Verteilung wurde der Jugendrat eingespannt.

Bei dieser Aktion hält sich die offene Werbung für ein Ja zur Verfassung in Grenzen. Bisher musste der Wahlrat mehrfach einschreiten und sogar der offizielle Slogan musste gestrichen werden: "Die Ersten mit Europa" und andere Aussagen, die das Votum in eine bestimmte Richtung orientierten, dürfen nicht mehr benutzt werden. Eine Schließung der offiziellen Webseite konnte nicht durchgesetzt werden. Allerdings sind viele Texte seit der Entscheidung nicht mehr zugänglich, auf den unverhohlen für ein Ja geworben wurde, statt über die Verfassung zu informieren. Im Verbotsantrag wurde die Propaganda gut dokumentiert.

Erst am Wochenende wurde die Regierung erneut auf Antrag der Vereinten Linken (IU) in die Schranken gewiesen. Die öffentlich rechtlichen Medien wurden angewiesen, entsprechend der Sitzverteilung der Parteien über deren Positionen zur Verfassung zu berichten. Der IU-Europaparlamentarier Willy Meyer klagte, die "Kampagne ist unausgewogen und undemokratisch". Ständig seien die Befürworter in den Medien präsent. Für die, die ein "solidarisches und soziales Europa" wollen und die Verfassung ablehnen, weil sie "den Abbau des europäischen Sozialsystems vorantreibt" bleibe kein Raum. Ad hoc hat RTVE einen neuen Sendeplan verabschiedet, um nach den Vorgaben des Wahlrats über das Referendum zu berichten.