Im Windschatten der NPD wittern Revanchisten und Neonazis bundesweit Morgenluft

Reisen ins "besetzte Ostpreußen", neue Wahlbündnisse und eine Exilregierung des Deutschen Reiches

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Seit dem Wahlerfolg der NPD bei der sächsischen Landtagswahl steht die demokratische Parteienlandschaft und mit ihr die gesamte politische Kultur der Bundesrepublik vor einer neuen Herausforderung. Denn was sich da in Fraktionsstärke dank 9,2% der Wählerstimmen zusammengefunden hat, unterscheidet sich wesentlich von anderen rechtsextremen Gruppierungen, denen zwar auch der Sprung in Kommunal- und Länderparlamente gelang, die aber dort nur begrenzten Schaden anrichten konnten und zumeist nach einer Wahlperiode wieder in der Versenkung verschwanden.

Die NPD hat ihnen gegenüber den Vorteil einer relativ breiten lokalen Basis, die sich schon bei den Kommunalwahlen im Sommer 2004 als erstaunlich tragfähig erwies. Darüber hinaus zieht die Partei mit Hilfe gezielter PR-Kampagnen und pünktlich inszenierter Skandale ein bis dahin beispielloses mediales Interesse auf sich, und schließlich ist es ihr gelungen, durch Wahlabsprachen mit der DVU, die Anwerbung ehemaliger Republikaner und vieler anderer "national gesinnter Kräfte" die Bildung einer "rechten Volksfront" erkennbar voranzutreiben.

Die alte NPD-Strategie, die nicht nur auf den Kampf um die Parlamente, sondern auch auf den Kampf um die Köpfe und Straßen zielt, erweist sich nun als besonders wirkungsvoll. Denn für den Fall, dass der Staat in Kürze wieder damit beschäftigt ist, die eigene Rolle als wehrhafte Demokratie zu definieren und seine erklärten Gegner derweil marschieren lässt, wird das unselige Wort vom "Bomben-Holocaust" am 13.Februar plastische Gestalt annehmen. Der "Trauermarsch zum Gedenken der Opfer des alliierten Bombenterrors 1945 in Dresden" soll ein weiterer Triumphzug der rechten Szene und Teil jener bewussten Geschichtsfälschung werden, die aus der Bombardierung Dresdens, der Versenkung der Wilhelm Gustloff oder der Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten durch Verschweigung der ursächlichen Zusammenhänge politisches Kapital schlagen will.

Als organisierende Informationszentrale fungiert in diesem Fall nicht die NPD, sondern die "Junge Landsmannschaft Ostpreußen", für die auf der Homepage der Nationaldemokraten ein wenig Werbung gemacht wird. Dabei handelt es sich um die ehemalige Jugendorganisation der Landsmannschaft Ostpreußen e.V., die ihrerseits Mitglied im Bund der Vertriebenen ist und in ihrem Verbandsblatt "Preußische Allgemeine Zeitung" gerade Peter Harry Carstensen, den Spitzenkandidaten der CDU bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, zu den Verdiensten der Heimatvertriebenen befragt.

Die "Junge Landsmannschaft Ostpreußen"

Von ihrer Jugendorganisation hat sich die Landsmannschaft zur Jahrtausendwende getrennt, weil sie, so die offizielle Sprachregelung des Verbandes, "von nicht landsmannschaftlich, sondern allgemeinpolitisch orientierten Fundamentalisten und z.T. radikalen und nicht mehr auf der Grundlage des Grundgesetzes stehenden Kräften schleichend unterwandert" wurde.

Was darunter zu verstehen ist, veranschaulicht die Internetseite des Landesverbandes Sachsen/Niederschlesien jener "Jungen Landsmannschaft" besonders deutlich. Neben einschlägigen Freizeitangeboten ("Wir reisen ins besetzte Ostpreußen") und einer Deutschlandkarte, die von Frankreich bis nach Polen und Russland reicht, werden Lieder, Gedichte und Balladen veröffentlicht, die aus der Feder von Hans Baumann und anderen Gesinnungsgenossen stammen. Sie tragen so aufschlussreiche Titel wie "Nun wird zu eng das weite Land", "Nach Ostland geht unser Ritt", "Die Faust geballt um den Lanzenschaft" oder "In den Ostwind hebt die Fahnen". Weiterführende Links verweisen auf Seiten, auf denen zum Beispiel über einen Vortrag zum Thema "Deutsches Leben unter Adolf Hitler" berichtet wird, der am 31. August 2003 in Chemnitz gehalten worden sein soll.

"Ein Zeitzeuge, der einer kinderreichen Bauernfamilie entstammte und trotzdem studieren konnte" (aber offenbar lieber ungenannt bleiben möchte), habe dort erzählt, dass das deutsche Volk "die Weimarer Quasselbudenpolitik" 1933 "endgültig satt" hatte. Im weiteren Verlauf propagierte er offenbar die unzähligen Segnungen des Dritten Reiches, die andere Länder vor Neid erblassen ließen:

Der Vortragende erzählte von den vielen Ferienmöglichkeiten. Urlauberschiffe wie die Wilhelm Gustloff oder die Kap Arkona - modernst eingerichtet - fuhren auf den Meeren. Der deutsche Arbeiter konnte erstmals verreisen. Die englische Regierung untersagte übrigens ein Einlaufen in den Inselhäfen, vielleicht sollte es der englische Arbeiter nicht sehen.

Schließlich offenbart sich der nicht namentlich unterzeichnete Bericht noch einmal unmissverständlich als glorifizierende Darstellung des Nationalsozialismus, deren Finale an Zynismus kaum zu übertreffen ist:

Selbst in Kleinigkeiten zeigten sich Neuerungen. So ist es kaum bekannt, dass damals der Polizeiknüppel abgeschafft wurde, damit niemand von Polizisten mehr geschlagen werden sollte. Jeder Deutsche über 21 Jahren durfte eine Waffe kaufen - denn die Deutschen hatten ein großes Vertrauen zur Regierung und die Regierung hatte Vertrauen zum Volk.

Anonymität ist auch in der Rubrik "Lichtbilder" Trumpf, so dass die jungen Ostpreußen-Fans weder beim "gemeinschaftlichen Singeabend", noch bei "gemeinsamen Ausflügen" oder "gemeinschaftlicher Öffentlichkeitsarbeit" genauer zu erkennen sind. Begründung:

Ihr solltet euch nicht wundern, daß wir die Gesichter auf den Bildern unkenntlich machen. Kriminelle Antifaschisten sowie antideutsche Geheimdienste haben unsere friedliche und volksbewußte Freizeitgestaltung im Visier ihrer gewalttätigen bzw. denunziatorischen Machenschaften. Es ist leider im Nachkriegsdeutschland wieder so, daß man sich nicht zu seiner Gesinnung offen bekennen darf, ohne um Arbeit und Leben fürchten zu müssen, wenn diese Meinung der Obrigkeit nicht ins Konzept paßt.

Weder auf der Seite des Landes- noch auf der des Bundesverbandes wird diese Zurückhaltung aufgegeben. Kontaktformulare verweisen auf Postfächer, nur Mathias Rochow, der bereits für die Greifswalder NPD in Erscheinung getreten ist, wird als Bundesvorstandsmitglied der "Jungen Landsmannschaft" namentlich vorgestellt. Diese Aufgabe erledigt aber auch eine persönliche Homepage, die den 1976 geborenen Aktivisten als strammen Burschenschaftler und Fan der Filme "Braveheard" und "Kolberg" in Szene setzt.

Im Süden der Republik geht das rechte Spektrum nach dem Erfolg der NPD ebenfalls in die Offensive

Das sogenannte "Münchener Bekenntnis", das von Mitgliedern der NPD, der Deutschen Partei, der Republikaner und ähnlich veranlagten Zeitgenossen unterzeichnet wurde, soll dazu führen "dass nur noch eine nationale Partei zu Wahlen antritt, daß Wahlbündnisse endlich Normalität werden, daß alte Streitigkeiten mit Großherzigkeit beigelegt werden und daß der Schulterschluß zu gleichgesinnten europäischen Parteien umgesetzt wird."

Mit von der Partie ist der berüchtigte Münchner Stadtrat Johann Weinfurtner, den die Bundesvorsitzende der Republikaner, Ursula Winkelsett, eigentlich als ausgeschlossen betrachtet. Und auch die "Deutsche Partei", die sich unter ihrem Vorsitzenden Heiner Kappel der Bildung einer nationalen Volksfront verweigerte, hat sich nun zu derselben bekannt - nachdem Kappel von seinen Stellvertretern Eberhard Lehmann, Claudia Wiechmann und Ulrich Pätzold abgesetzt wurde.

Ein Treffen der neuen politischen Freunde in Pasing wurde von Mitgliedern der "Kameradschaft München" bewacht. Ihr Anführer Norman Bordin trat im Oktober 2004 in die NPD ein und vervollständigt dort jetzt die Liste prominenter Neonazis, auf der unter anderem Thomas "Steiner" Wulff, Thorsten Heise und Ralph Tegethoff stehen. Bordin war im Januar 2001 an einem Skinhead-Überfall auf einen Griechen beteiligt, der dabei fast zu Tode geprügelt wurde und musste deshalb eine Haftstrafe von 15 Monaten antreten. Zum Tatzeitpunkt war er in der "Kameradschaft Süd - Aktionsbüro Süddeutschland" aktiv, die anschließend von Martin Wiese übernommen wurde. Gegen Wiese und andere Mitglieder des Aktionsbüros ermittelte kurz darauf die Bundesstaatsanwaltschaft wegen der Planung eines Sprengstoffattentates bei der Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums am St.-Jakobs-Platz in München. Nach Informationen von Report-Mainz stellte die Polizei in diesem Zusammenhang nicht nur Waffen und Granaten, sondern auch 1,2 Kilogramm TNT sicher.

Bordin hofft nun, dass seinem Beispiel weitere Aktivisten folgen, auch wenn Parteien und demokratisch gewählte Parlamente nicht eben zu den Lieblingsvorstelllungen der "Bewegung" gehören:

Ich würde es begrüßen, wenn noch mehr revolutionäre Kräfte in diese Partei eintreten. Es ist doch das, wovor dieses System Angst hat. Eine legale Struktur, welche praktisch unverbietbar ist.

Um Kommunikation und Zusammenarbeit weiter zu verbessern, gibt es seit kurzem ein "Nationales Infoportal Bayern" (http://www.widerstandsued.de/Forum/index.php?/). Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt des Aktionsbüros Süd, der freien Kameradschaft München, der Kameradschaft Weiße Wölfe, dem NFD (NationaleFreundeDeutschland), der Band Edelweiss und - wen wird es ernsthaft wundern? - der Jungen Nationaldemokraten München.

Gemeinsame Aufmärsche und Veranstaltungen sind in Vorbereitung

Die Aufbruchstimmung im rechten Lager scheint sich auch auf skurrile Randerscheinungen wie die Exil-Regierung des Deutschen Reiches zu übertragen, die am 8. Mai 2004 im Parkhotel Kronsberg in Hannover gegründet wurde. Das eigenwillige Projekt, dem ein gewisser Norbert R. Schittke als "Reichskanzler" vorsteht, geht davon aus, dass Deutschland noch immer unter alliierter Besetzung steht, keine Souveränität und folglich auch keine Verfassung, keine Hauptstadt und keine gesetzliche Währung besitzt. Um diesen Missständen abzuhelfen, gibt die "Exilregierung" schon mal Personenausweise, Führerscheine, Reisepässe und Gewerbescheine aus und philosophiert nebenbei über die tragische Situation des deutschen Vaterlandes, das sich "im Würgegriff der Kollektivschuld" befinde, obwohl im Fall Auschwitz zwischen "Symbol und Wirklichkeit" unterschieden werden müsse.

Beim ersten diesjährigen Bürgertreffen am 22. Januar ließ sich sogar "der vom illegalen BRD-Regime finanzierte und lizenzierte Lügensender ZDF" blicken und bewies damit einmal mehr, dass die rechte Szene - unabhängig von ihren Erscheinungsformen - momentan fest mit öffentlicher Aufmerksamkeit rechnen kann. Dieser Umstand ist bisweilen sicher kritisch zu bewerten, bringt andererseits aber einen unbestreitbaren Vorteil mit sich: Die Behauptung, man habe schließlich nicht wissen können, was sich da allerorten ankündigt, vorbereitet und zusammenrottet, wird in Zukunft kaum mehr erfolgreich verbreitet werden können.