John Negroponte soll oberster US-Geheimdienstchef werden

Wie US-Justizminister Gonzales und US-Heimatschutzminister Chertoff ist auch Negroponte mit Menschenrechtsverletzungen und Folter verbunden

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Allmählich müsste US-Präsident Bush (Das Ende der Tyrannei und die amerikanische Freiheit) mitsamt seiner Außenministerin Rice ("Wir werden Freiheit und Demokratie auf der ganzen Welt verbreiten") aufpassen, dass der erst jüngst wieder geäußerte Sendungsauftrag der amerikanischen Nation sich nicht zu sehr schon mit der eigenen Regierungsmannschaft bricht und unglaubwürdig wird. Man will der Welt Freiheit und Demokratie bringen und die Tyranneien kippen, scheint dabei auf die Einhaltung der Menschenrechte aber keinen so großen Wert zu legen. Der vorerst letzte Schritt ist die Ernennung John Negropontes zum obersten Geheimdienstchef.

John Negroponte bei der Ernennung zum Geheimdienstchef. Foto: Weißes Haus

Gerade erst wurde Michael Chertoff neuer Heimatschutzminister (Ausbreitung der Freiheit mit Einschränkung der Menschenrechte?), schon zuvor hatte US-Präsident Bush Gonzales den Posten des Justizministers verschafft (Ein würdiger Nachfolger). Beide waren mit dafür verantwortlich, dass die Bush-Regierung im Umgang mit den eigenmächtig definierten "feindlichen Kämpfern" die Genfer Konventionen für ungültig und zudem veraltet erklärte und ein System der Willkürjustiz im Krieg gegen den Terrorismus aufbaute, in dem auch Folter zulässig war. Beide hatten sich um die Sache herumgewunden, Bush selbst hat mit ihrer Ernennung und der Bestätigung von Rumsfeld als Verteidigungsminister demonstriert, dass er zu treuen Mitstreitern und den Vorgängen steht, die diese legitimiert haben oder für die sie verantwortlich sind (gerade erst wurden wieder neue Fälle von Folter und Misshandlungen an Gefangenen in Afghanistan bekannt: Army Files Cite Abuse of Afghans),

Die Ernennung von John Negroponte, ebenfalls in der Vergangenheit mit Folter und Menschenrechtsverletzungen verbunden, zum neuen Chef aller Geheimdienste bestätigt diese Haltung. Negroponte war unter George W. Bush vornehmlich dafür verantwortlich, die Kriegsstrategie gegen den Irak in der UN durchzusetzen und dabei ständig vorzugeben, es würde dazu noch eine Alternative zu geben. US-Botschafter bei der UN wurde er im September 2001. Erst nach dem 11.9. war es möglich, die Bedenken ihm gegenüber wegen seiner Aktivitäten als Botschafter in Lateinamerika unter Ronald Reagan - in vielem Vorbild von George Bush - zu übergehen. Mit dem Antritt der Übergangsregierung wurde Negroponte dann die heikle Aufgabe anvertraut, als US-Botschafter im Irak zu wirken. Man hörte fast nichts von seinen Tätigkeiten dort, allerdings ist er seit langem Experte darin, auch mit unfeinen Methoden amerikanische Interessen als Botschafter zu vertreten. Wer weiß, womöglich geht die Strategie, im Irak auch auf Milizen zu setzen, um die Aufständischen zu bekämpfen (Pop-Ups, irakisch, Aufbau von Todesschwadronen im Irak?), auf seine Erfahrung als US-Botschafter in Lateinamerika zurück, wo er daran beteiligt war, in Kooperation mit Militärregimes gegen die damaligen Terroristen, also linke Aufständische, im Kampf für die Freiheit vorzugehen.

As my representative to the United Nations, John defended our interests vigorously and spoke eloquently about America's intention to spread freedom and peace throughout the world. And his service in Iraq during these past few historic months has given him something that will prove an incalculable advantage for an intelligence chief: an unvarnished and up-close look at a deadly enemy.

US-Präsident Bush bei der Ernennung

Als Botschafter in Honduras war Negroponte in den 80er Jahren entscheidend dafür verantwortlich, heimlich die Contras in Nicaragua im Kampf gegen die linke Regierung zu unterstützen und dabei mit dem brutalen Militärregime in Honduras zusammen zu arbeiten. Angeblich wusste Negroponte nichts von den Menschenrechtsverletzungen, die von den Todesschwadronen des Regimes begangen wurden. Die wurden wiederum teilweise von der CIA ausgebildet, Foltern inklusive. Mehr zur Rolle Negropontes in Lateinamerika: John Negroponte, künftiger US-Botschafter und heimlicher Herrscher im Irak.

Die Ernennung Negropontes kam überraschend. Lange Zeit hatte Bush gewartet, den Posten des Director of National Intelligence (DNI), der eine der primären Empfehlungen der 9/11-Kommission gewesen war, zu besetzen. Der Name Negropontes fiel dabei nie. Möglicherweise ist Negroponte nur eine schnelle Kompromisslösung, allerdings handelt es sich um einen äußerst loyalen, mit allen Wassern gewaschenen Diplomaten, der auch über viel praktische Erfahrung in der Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten und verdeckten Operationen besitzt. Bush erklärte, Negroponte wisse, was die Geheimdienste an globalen Informationen beschaffen müssen, weil er lange Zeit im Außenministerium gearbeitet habe.

Allerdings ist die Position oder vielmehr: die Machtbefugnis des DNI noch nicht wirklich klar. Er soll zwar die 15 Geheimdienste leiten und der direkte Berater für Geheimdienstangelegenheiten des Präsidenten sein (was bislang der CIA-Chef gewesen ist). Übetrdies sei es seine Aufgabe, die Zusammenarbeit der Geheimdienste zu koordinieren und ihnen die Budgets zuzuteilen, deren Gesamtvolumen bei 40 Milliarden Dollar oder mehr liegt. Ob er aber tatsächlich das gesamte Budget für die Geheimdienste des Pentagon kontrollieren wird, muss man wohl noch abwarten. Zwar werden Demokraten einige Vorwände gegen seine Ernennung vorbringen, aber man kann davon ausgehen, dass Negroponte als DNI vom Kongress bestätigt werden wird. Spannend ist, wer die heikle Position des US-Botschafters im Irak übernehmen soll, vor allem auch deswegen, weil dieser auch weiterhin der heimliche Herrscher sein wird, zumindest solange über 100.000 US-Soldaten die Kontrolle über das Land ausüben.