Funk-Webradio für die HiFi-Anlage

Terratec “Noxon”: WLAN-Streaming-Client mit Audioausgang und Infrarotfernbedienung

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Webradio? Das quäkt aus den Computerlautsprechern. MP3? Kommt auch aus dem Computer, außer man brennt sich eine MP3-CD-ROM oder füttert einen MP3-Player. Doch jetzt kann man beides auch ohne Überspielen oder Verdrahtungsorgien an der HiFi-Anlage verwenden.

Es gibt einige teils teure, teils nervige Lösungen, Webradio und MP3s ins Wohnzimmer zu bringen. Eine Möglichkeit ist es, sich das Wohnzimmer dazu mit einem ausrangierten Computer zu verschandeln. Der steht dann in der Ecke und lärmt; wie man Maus und Tastatur verstaut und dann auch noch ein Bild anzeigt – auf dem Fernseher? – bleibt jedoch offen.

Will man es etwas erträglicher gestalten, so kann man einen wohnzimmertauglichen Computer verwenden; ob als Barebone mit geeigneten Komponenten bestückt oder als Multimediagerät fertig gekauft. Es bleibt das Problem der auch mit Funkmaus und -tastatur unhandlichen Bedienung und zumindest für das Webradio die Frage, wie man das Internet ins Wohnzimmer bringt. Mit Netzwerkkabel durch die Wand? Das ist was für begeisterte Dickwandbohrer. Oder besser per Funk mit WLAN-Adaptern?

Webradio-Senderwahl nach Ländern (Bild: W.D. Roth)

Es gibt inzwischen auch Verstärker mit integriertem Ethernet-Anschluss, beispielsweise von Onkyo der TX-NR5000E für 5500 Euro oder der TX-NR801E für 1700 Euro. Das ist teurer als jeder Computer und auch nicht wirklich befriedigend: Es ist nicht jeder Sender empfangbar, weil viele erwarten, dass man sie mit einem Browser aufruft, um auch die Werbung zu sehen. Andere Stationen sind nur im Real-Player zu hören oder schalten sich gar wie die Programme des westdeutschen Rundfunks nach 35 Minuten wieder ab

Ethernet im Wohnzimmer? Vielleicht doch etwas zu geekig…

Noch ärgerlicher ist aber, dass es auch diesen teuren Lösungen an einem geeigneten Display mangelt – dafür darf wieder einmal der Fernseher herhalten – und ein Ethernet-Kabel verlegt werden muss. Die Funkanbindung über WLAN ist hier schwierig, weil die meisten WLAN-Komponenten einen Computer als Gegenstück erwarten und nicht nur eine schnöde Ethernet-Buchse. Und für die MP3-Sammlung wird auch hier ein separater Computer benötigt. Viel schlauer als vorher sind wir also nicht, nur ärmer.

MP3-Jukeboxen mit Aufnahmefunktion wie der Terratec CAR 4000 sind wiederum bislang preislich noch nicht attraktiv. Eher werden dann für den Musikgenuss unterwegs gekaufte mobile MP3-Player auch zuhause an die Stereoanlage gestöpselt. Am sinnvollsten erscheint es noch, einen ausrangierten Laptop mit WLAN-Karte auf die HiFi-Anlage zu stellen und für Webradio und als MP3-Archiv zu benutzen. Doch der Komfort, die Musik per Fernbedienung steuern zu können, fehlt auch hier.

Infrarot-Fernbedienung, Netzteil, Audioanschlußkabel und das Gerät selbst: Damit wird die HiFi-Anlage zur Web-Jukebox (Bild: Terratec)

Eine interessante und mit knapp 130 Euro nicht mal teure Alternative ist der Noxon von Terratec. Dies ist ein silbernes Kästchen, das äußerlich hauptsächlich aus einem großen blauen dreizeiligen Display besteht, welches somit auch vom Sessel aus gut lesbar ist. Gesteuert wird das Gerät mit einer kleinen Infrarot-Fernbedienung und es sind nur noch Strom und Verstärker anzuschließen. Kein Ethernet? Nein, kein Ethernet, denn dazu ist bereits eine WLAN-Schnittstelle eingebaut.

Abspielen kann der Noxon die Formate MP3 und bald auch WMA. AAC und OGG sind ebenfalls geplant, auch wenn noch nicht klar ist, ob dies mit der jetzigen Hardware umsetzbar ist oder erst mit einem Nachfolgemodell. MP3pro als Vorstufe von AAC, das zudem nur mit auch dann nicht HiFi-tauglichen Bitraten unter 64 KB funktioniert, ist dagegen bereits überholt und wird nicht mehr implementiert; Real als proprietäres Protokoll bleibt ebenfalls außen vor. Der Noxon kann entweder „ad hoc“ mit einem vorhandenen Computer mit Internetverbindung und WLAN-Karte verheiratet werden oder sich in ein bereits bestehendes WLAN als eigenständiges Gerät einklinken.

Kleine Schachtel mit Internet-Funkempfang

Das klingt natürlich genial. Doch wie gut fügt sich der Noxon in der Praxis in ein solches Netzwerk aus WLAN, DSL und diversen Computern ein? Vor allem, wenn dieses nicht frisch aus der Schachtel mit unsicheren Default-Einstellungen läuft, sondern geschlossen ist, feste IPs, registrierte MAC-Adressen und Verschlüsselung benutzt?

„Alles kein Problem“, versichert der Hersteller. Doch ganz so einfach ist es nicht. Immerhin, die MAC-Adresse des Noxon ist auf diesem aufgedruckt. Schwieriger schon die Eingabe der festen IP – das Löschen der ungeeigneten Vorgabe gelingt erst nach einigem Suchen, mit welcher Taste wohl gelöscht wird.

Noch schwieriger wird die Eingabe des Netzwerknamens mit Groß- und Kleinbuchstaben und einem Leerzeichen. Das Leerzeichen ist bei der Null, versichert der Hersteller. Doch da findet sich nur ein Unterstrich _. „Der Unterstrich ist das Leerzeichen“, sagt der Hersteller. Trotzdem geht nichts und der Noxon löscht immer wieder den mühselig eingegebenen Netzwerknamen.

Leerzeichen? Gut versteckt!

Schließlich wird das Netzwerk entnervt geöffnet, damit der Noxon es sich selbst suchen kann. Er findet es sofort – und beweist: Der Unterstrich ist doch ein Unterstrich. Das Leerzeichen wäre dagegen auf der 1 gewesen. Immerhin: Ist das Netzwerk einmal gefunden, so kann man es auch wieder für fremde Stationen schließen – die Verbindung zum Noxon bleibt bestehen und er findet das Netzwerk nun auch nach Aus- und wieder Einschalten.

Nun kann über die Fernbedienung sofort auf die bei Vtuner gespeicherten Webradios zugegriffen werden – ein auch ohne Noxon interessantes Portal, bei dem sich übrigens auch die „Nettuner“ von Onkyo und anderen HiFi-Herstellern bedienen. Hier sind zwar nur ein Bruchteil der tatsächlich existenten Stationen gelistet, doch kommen nach Ländern geordnet schon einige Hundert Stationen zusammen – in den USA sogar teilweise schon pro Bundesstaat –, die teils auch mit 128 KB/s in durchaus anhörbarer Qualität senden.

Blockschaltbild des Noxon: Über WLAN holt er sich drahtlos die auf einem PC gespeicherte MP3-Bibliothek wie auch Internet-Webradios heran; per Kabel sind lediglich Strom und Verstärker anzuschließen (Bild: Terratec)

Die meisten Webradios sind allerdings immer noch eindeutig als „LowFi“ zu bezeichnen; selbst das nach eigenen Angaben in Deutschland führende Webradio.de (Fly FM) ist gerade einmal mit 48 KB/s stereo vertreten, was an einer HiFi-Anlage eher an Kurzwellenempfang erinnert. Immerhin holt aber der Noxon klangmäßig heraus, was der Stream hergibt: Seine technischen Daten sind besser als die der meisten Soundkarten.

Wer aber einen bestimmten Sender hören will und keine Alternativen wie Satellitenempfang nutzen kann, ist dennoch dankbar und auch das Durchschalten durch die verfügbaren Stationen macht Spaß, zumal neben dem Stationsnamen auch noch eine Radiotext-ähnliche Zeile den aktuellen Musiktitel oder je nach Station auch noch anderen Informationen wie dem Wetterbericht anzeigt. Im Gegensatz zur Sendersuche auf Kurzwelle bekommt man hier auch auf Anhieb den gewünschten Sender geliefert und kann die WW-Welt per Fernbedienung durchhören.

Dabei beschränken sich die verfügbaren Sender übrigens nicht auf klassische Musik- oder Wortprogramme. Neben Kuriositäten wie dem Ton des Fernsehkanals 11 in einer amerikanischen Stadt oder dem Ton von Webcams der hoffentlich anständigen Art finden sich in Amerika auch jede Menge Feuerwehr- und Polizeifunk, das NOAA Wetterradio größerer Städte sowie der Funkverkehr etlicher Flughäfen als Webstream im Internet wieder. Ob „Berkeley Police Radio“, Railroad Radio CSX Pensacola“ oder „Orlando KSFB Air Traffic Control Scanner”, was bei uns lange auch nur für den Eigengebrauch streng verboten war, ist in den USA sogar als Stream weltweit im Netz.

Polizeifunk übers Netz hören

Statt nach Ländern kann man auch nach Musikrichtungen suchen, was uns allerdings eher spanisch vorkam: Die Musikrichtungen werden nämlich weder deutsch noch englisch, sondern eben ausschließlich spanisch angezeigt. Der Grund hierfür ließ sich nicht ermitteln, statt „Classic Rock“ ist so „Rock Clássica“ zu wählen.

Der ehemalige Piratensender Radio Caroline über Webstream (Bild: W.D. Roth)

Angenehm ist, dass im Gegensatz zu den meisten PC-Playern neben der Stärke des WLAN-Empfangs auch der Füllungsgrad des Datenpuffers angezeigt wird. Kommen die Daten vom Sender wegen Netzverstopfung, eigenen Downloads oder Serverüberlastung beim Sender zu langsam, so kann man den drohenden Tonausfall bereits erkennen, bevor die Musik zu stottern beginnt.

Nach ausgiebigem Webradio-Hören stellte sich dann die Frage „wie greife ich denn nun auf meine MP3-Sammlung zu?“. Auch das soll der Noxon nämlich können. Dazu muss nur auf dem Computer mit den MP3s ein UPnP-Server laufen. Ach so, na wenn’s weiter nichts ist. Äh, ein was???

Der eigene Musikserver: Kein Problem

Ein UPnP ist ein Universal-Plug-and-Play-Musikserver. Das ist übrigens nicht das Gegenstück zu einem Sony- oder BMG-Plug-and-Play-Musicserver, er hat nichts mit der Plattenfirma Universal zu tun – ebensowenig wie der Universal Serial Bus (USB). Der UPnP-Server greift auf die Playlist eines gängigen Computer-MP3-Players zu und stellt diese dem Noxon zur Verfügung. Will der dann ein gelistetes Lied spielen, so schickt der UPnP-Server auch die zugehörige Datei hinterher.

Woher bekommt man nun einen UPnP-Server? Von Twonkey Vision gibt es ein Winamp-Plugin. Dessen Installation funktionierte einwandfrei. Nur kam anschließend keine Dateiliste. Das Deinstallieren des nicht funktionierenden Servers klappte nun zur Abwechslung auch nicht mehr. Vorausahnend empfiehlt Terratec deshalb auch gleich die Musicmatch Jukebox. Ein praktisches Programm, mit dem man auch komfortabel korrekt gelabelte MP3-Dateien aus CDs erzeugen kann. Als MP3-Spieler dagegen etwas dick und speicherfressend. Aber: Wenn der UPnP-Server erst einmal läuft, kann man die Musicmatch-Jukebox wieder beenden. Mit dem Musik-Server-Computer könnte also sogar weiter gearbeitet werden, auch wenn dies kaum der Fall sein wird, wenn man doch gerade in einem anderen Raum Musik hört.

Musikauswahl aus MP3-Bibliothek nach Künstlern (Bild: W.D. Roth)

Stellt sich die Frage: Welche Version der Muscimatch-Jukebox wird für den Noxon wohl benötigt? Terratec beantwortet dies nicht und sagt nur „damit ihr immer die neueste Version habt, haben wir nur den Link zu Musicmatch.com auf die CD-ROM gepackt“. CD-ROM? Oh, eine CD-ROM gibt es also auch noch. Gebraucht hatten wir sie zur Inbetriebnahme nicht. Mit der Software auf der CD-ROM kann man die Firmware des Noxon aktualisieren – das Gerät könnte so zukünftig durchaus noch leistungsfähiger werden. Oder sich das Eintippen von www.musicmatch.com sparen. Oder das Handbuch als PDF in Farbe am Bildschirm nachlesen, wenn man das schwarzweiße Papier-Original verlegt hat.

MP3s in HiFi

Fest steht jedenfalls: Die bereits vorhandene und installierte Musicmatch Jukebox 7.5 plus tat es nicht. Es musste eine neuere Version installiert werden. Der Server von Musicmatch bietet die Version 10 an. Dabei gehen allerdings die bezahlten Plus-Features vor die Hunde, die nur für die Versionen bis 7.9 gültig sind und für neuere Versionen erneut gekauft werden müssen. Beide Versionen – alt mit plus und neu ohne plus – parallel auf einem Rechner zu installieren, geht nicht. Also adé „Plus“.

Nun erscheinen im Noxon auch alle Musicmatch bekannten MP3s. Allerdings wird es bei einer sehr großen Musiksammlung umständlich, durch die Titel zu scannen. Auch irritierend ist es manchmal, dass der erste Titel selbsttätig startet und dass Einzeltitel nach dem Abspielen auch wieder verstummen – nur ganze Alben laufen ohne Unterbrechungen durch. Eine Playlist- oder gar Shuffle-Funktion bietet das Gerät in der jetzigen Version noch nicht. Doch man kann so wie gewünscht auf seine MP3-Musiksammlung an der Stereoanlage zugreifen, ohne dazu ein teures Gerät ins Wohnzimmer stellen zu müssen, das lärmt oder ein langes Kabel, das brummt und Höhen verliert oder manch Onboard-Soundkarte, die die Musik mit Störgeräuschen aus dem Rechnerinneren vermengt.

Abspielen eines MP3 mit variabler Bitrate übers WLAN (Bild: W.D. Roth)

Ob Webradio nun wirklich ein Medium zum dauerhaften täglichen Hören ist, wo die Infrastruktur des Internet für solche Anwendungen nun gerade nicht konstruiert ist, bleibt natürlich auch weiter offen. Doch ist der Noxon das erste Gerät, das – noch dazu zu einem vernünftigen Preis – das umsetzt, was uns andere Hersteller seit Jahren versprochen haben: „Webradios“, vom nie über eine Designstudie hinausgekommenen Kerbango, bei dem der deutsche 3com-Pressesprecher empört war, dass man es wagte, die von 3com frisch eingekaufte US-Mannschaft direkt anzusprechen, statt über ihn zu gehen bis zu diversen Philips-Geräten vom Ghettoblaster bis zur Mini-Anlage, die in Deutschland nur schwer zu beschaffen sind und auch nicht wirklich das Bedürfnis des Marktes treffen: Unterwegs sinnlos, außer man sucht sich als „Wardriver“ offene WLANs und sitzt dann Webradio hörend am Münchner Stachus vor dem Hotel Königshof statt wie eigentlich geplant am Baggersee, für die Küche zu groß, im Computerzimmer überflüssig – dort kann man Webradio ja mit dem Rechner hören – und fürs Wohnzimmer auch nicht unbedingt das richtige, weil man dort eigentlich lieber eine richtige Anlage aufstellt.

Der Noxon ist im Gegensatz zum PC kein Rundfunkempfänger

Obwohl Terratec mit dem DAB-Empfänger DAB 1000 leider gerade ein Projekt, von der reinen Computerperipherie wegzukommen und das Wohnzimmer zu erobern, aufgegeben hat, ist es das Unternehmen mit dem Noxon diesmal gelungen, Computer und Stereoanlage so zu koppeln, dass das Wohnzimmer nicht zum Rechenzentrum wird. Entwickelt hat Terratec den Noxon zusammen mit einem Schweizer Hersteller; zukünftig soll es auch noch ein Modell geben, das Cinchbuchsen und einen SPDIF-Digitalausgang hat, ebenso wird Microsoft DRM 10 und WPA-Verschlüsselung im WLAN möglich sein – momentan ist nur WEP geboten.

Die einzige Gefahr, die dem Gerät langfristig droht: Die deutschen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die bislang nur mit Deutschlandfunk und Deutschlandradio im Noxon auftauchen, könnten hier auch ihre restlichen Programme einspeisen und das Gerät gebührenpflichtig machen. Ab 2007 werden ja für Computer mit Internet-Zugang – auch wenn dieser ausschließlich für E-Mail genutzt wird und der Rechner nicht mal eine Soundkarte hat – Fernsehgebühren fällig.

Für reine Webradio-Empfänger wie den Noxon ohne die nur am Computer mögliche Interaktivität und persönliche Kommunikation via Chat oder E-Mail ist dagegen bislang keine Rundfunkgebühr geplant, nicht für Radio und erst recht nicht für Fernsehen. Und natürlich werden die deutschsprachigen Webradios ab April 2005 deutlich weniger werden, wenn die neuen GVL-Gebühren und -Bedingungen den deutschen Webradios das Musizieren verleiden. Doch dann kann man ja immer noch auf nicht betroffene Webradios aus Kenia oder Aserbaidschan zurückgreifen.