Hausgemachte Gammastrahlung in der Erdatmosphäre

Bei Gewittern entstehende elektrische Felder führen zu energiereicher Strahlung

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Bei Gewittern können nebenbei sehr energiereiche Gammablitze mit Photonenenergien weit über 1 Megaelektronenvolt (MeV) entstehen. Das Prinzip ist das der Röntgenröhre, die Elektronen beschleunigt, jedoch beträgt die Beschleunigungsspannung hier ungefähr 40 Megavolt (MV), die Rolle der Anode übernehmen die Luftmoleküle, die die Elektronen schlagartig abbremsen. Die Elektronen strahlen ihre Energie praktisch vollständig ins All ab.

Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in Santa Cruz und Berkeley wiesen in der Atmosphäre mit einem Germanium-Zähler an Bord eines Satelliten Gammablitze einer Photonenenergie von bis zu 20 MeV nach. Ein Jahrzehnt früher hatten andere Forscher bereits ähnliches entdeckt, jedoch weniger Blitze pro Monat registriert und die Photonenenergien nur grob gemessen. Das berichteten bereits andere Medien. Die Veröffentlichung der kalifornischen Wissenschaftler erschien am 18. Februar 2005 in der Zeitschrift Science in Band 307 auf Seite 1085.

Die Karte zeigt die Positionen des Satelliten beim Nachweis von Gammablitzen. Die Farben der Skala am rechten Rand geben die Häufigkeit der normalen Gewitterblitzen im Jahr pro km2 an; die Bereiche mit häufigen Gewittern sind orange markiert. Dieser Vergleich stützt die Annahme, die Gammablitze entstünden im Zuge der Gewitter -- wenn auch statistisch noch nicht besonders aussagekräftig. (Bild: David M. Smith, Univ. von Kalifornien)

Der Satellit umkreist die Erde in einer Höhe von 600 Kilometern und erfasst den Bereich bis zu 50 Grad geographischer Breite; vom Satelliten bis zum Horizont sind es 2700 Kilometer, jedoch kann der Satellit Gammablitze nur in einem sehr viel kleineren Bereich zuverlässig nachweisen. Der Satellit registriert rund zehn Gammablitze pro Monat, hochgerechnet auf die ganze Erdoberfläche ergäben sich 50 Gammablitze pro Tag.

Das gemessene Photonenenergiespektrum der Gammablitze legt die Bremsstrahlung als Ursache nahe -- wie in einer Röntgenröhre. Die gestrichelte Linie ist ein theoretisches Bremsstrahlungsspektrum für eine kinetische Energie der Elektronen von 35 MeV, multipliziert mit der Nachweiswahrscheinlichkeit des Germanium-Detektors ergibt das die durchgezogene Linie, die dem Trend nach den gemessenen Intensitäten folgt. (Bild: David M. Smith, Univ. von Kalifornien)

Die Ursache der Gammablitze sind anscheinend elektrische Felder in der Nähe von Gewitterwolken, die zu einer lawinenartigen Vermehrung schneller Elektronen mit kinetischen Energien von bis zu 40 MeV führen. Diese Energie strahlen sie beim Stoß auf ein Luftmolekül wieder ab, dieser Vorgang nennt sich Bremsstrahlung und tritt in Röntgenröhren auf, letztere haben jedoch deutlich kleinere Beschleunigungsspannungen von rund 0,1 MV.

Das Energiespektrum der Gammablitze legt die Bremsstrahlung als Mechanismus nahe. Aus dem abgebildeten Spektrum ergibt sich ein Spannungsabfall von 35 MV, den die Elektronen durchlaufen müssen; solch starke elektrische Felder hatten andere Forscher bereits vorhergesagt. Kosmische Strahlung -- das sind extrem energiereiche Ionen -- können Elektronenlawinen auslösen; die kosmische Strahlung vermag die Erdatmosphäre nicht zu durchdringen. Jedoch sind die für atmosphärische Elektronenlawinen nötigen elektrischen Felder sehr viel kleiner als die beim Funkenüberschlag im Labor, hier müssen thermische Elektronen so viel Energie aufnehmen, dass sie Luftmoleküle ionisieren können.

Bei Gewittern können in Höhen zwischen 20 und 80 km elektrische Felder einer Stärke von grob 1 kV/m mit einem Spannungsabfall von bis zu 40 MV entstehen. Das elektrische Feld beschleunigt die Elektronen weg von der Erdoberfläche. Ausgelöst durch kosmische Strahlung, wächst die Zahl der schnellen Elektronen lawinenartig an, wenn auch die meisten Elektronen ihre Energie verlieren, bevor sie einen nennenswerten Bereich des elektrischen Feldes durchlaufen haben. Stoßen die beschleunigten Elektronen auf Luftmoleküle, strahlen sie ihre Energie als Gammablitz ab. (Bild: Umran S. Inan, Univ. Stanford)